Weiterbeschäftigungsanspruch
Allgemeiner und betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch
Mit einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage hat der Arbeitnehmer zunächst nur die Bestätigung, dass die angegriffene Kündigung sein Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.
Einen vollstreckbaren Beschäftigungsanspruch gibt das Urteil jedoch ohne gesonderten Antrag nicht her, ein solcher muss vielmehr eigenständig geltend gemacht werden.
Damit kann der Arbeitnehmer warten, bis der Prozess rechtskräftig abgeschlossen ist, dann hängt er aber bis dahin und vor allem zwischen den Instanzen in der Luft. Manche halten die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus gar für das entscheidende Kriterium eines Kündigungs-schutzprozesses; der einmal aus dem Betrieb ausgeschiedene Arbeitnehmer werde im Normalfall nicht mehr zurückkehren, der Kündigungsschutzprozess wird nur noch „ein Kampf um die Höhe einer Abfindung“ .
Das Gesetz bzw. die Rechtsprechung bieten nun zwei Möglichkeiten für den Arbeit-nehmer, vor Rechtskraft seines Kündigungsschutzprozesses die (zwischenzeitliche) Weiterbeschäftigung zu erstreiten, nämlich den allgemeinen Weiterbeschäftigungs-anspruch gem. der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG und den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG, der allerdings das Bestehen eines Betriebsrats voraussetzt.
Die beiden Weiterbeschäftigungsansprüche unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Voraussetzungen und der Einsatzzeitpunkte, sondern auch in den Rechtsfolgen ganz wesentlich.
Während der Anspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG dem Arbeitnehmer bis zum rechts-kräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens völlig unabhängig von dessen Ausgang bzw. der Wirksamkeit der Kündigung die Beschäftigung und/oder die Vergü-tung sichert , ist der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch in der Regel zunächst von einem Obsiegen in erster Instanz abhängig und muss dann auch in Form einer Vereinbarung oder durch Zwangsvollstreckung umgesetzt werden, um im Falle einer Niederlage in zweiter Instanz Lohnansprüche zu haben bzw. zu behalten .
Der Anspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer al-le Instanzen verliert, der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nicht. Gleichzeitig sind diese Ansprüche großes Druckpotential für hohe Abfindungen. Ist mit der Durch-führung einer effektiven Weiterbeschäftigung zu rechnen, tendieren die Arbeitgeber eher zu einem Vergleichsschluss .
A. Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch
Schon im Zusammenhang mit der Freistellung wurde ausgeführt, dass während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein aus dem Persönlichkeitsrecht resultierender Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht . Unter einem Weiterbeschäftigungsanspruch versteht man nun das Recht des Arbeitnehmers, in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt zu werden, dessen Bestand vom Arbeitgeber bestritten wird . Der Weiterbeschäftigungsanspruch setzt also für gewöhnlich nach Ablauf der Kündigungsfrist oder nach Beendigung eines befriste-ten Vertrags, falls das Ende streitig ist ein und kann in den Instanzen ganz unterschied-lich ausfallen.
I. Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Urteil erster Instanz
Nach Ablauf der Kündigungsfrist beginnt für den Arbeitnehmer eine Phase der Rechtsunsicherheit, falls bis dahin – wie zumeist – seine Kündigungsschutzklage noch nicht abgeschlossen ist. Er muss zunächst abwarten, ob das Arbeitsgericht seiner Kla-ge stattgibt, also die Kündigung für unwirksam erachtet oder ob er den Prozess in ers-ter Instanz verliert. In dieser „Zeit der Unklarheit“ überwiegt nach der Rechtspre-chung des Großen Senats des BAG vom 27.2.1985 zunächst das Interesse des Ar-beitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers . Ausnahmen sind nur sehr begrenzt denkbar. Ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers kann vorliegen, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Das ist der Fall, wenn sich die Unwirksamkeit bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt ohne Beurteilungs-spielraum jedem Kundigen aufdrängt, d.h. die Unwirksamkeit ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht offen erkennbar ist. Das wird ange-nommen, wenn die Kündigung ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochen ist (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) oder gegen die § 85 ff. SGB IX, § 9 MuSchG, § 103 BetrVG verstößt oder wegen Gewerkschaftszugehörigkeit erfolgt und dies eindeutig erkennbar ist . Dann hat der Arbeitnehmer – ausnahmsweise – schon vor einem Urteil erster In-stanz einen Beschäftigungsanspruch, sonst nicht.
II. Urteil erster Instanz
Wird der Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht stattgegeben, so überwiegen nun regelmäßig die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung; er ist zu-mindest bis zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichts wieder im Betrieb zu beschäfti-gen, sofern wiederum keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen. Diese besonderen Gründe könnten nach der Rechtsprechung des BAG in einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers bestehen . Durch einen zulässigen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG soll nach der Auffassung des BAG wieder eine Ungewissheit über den Ausgang des Kündi-gungsprozesses begründet werden und ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündi-gungsprozesses i.S. der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27. 2. 1985 bestehen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber den (zulässigen) Auflösungsan-trag erst in der Berufung stellt. Der Auflösungsantrag ist ein neuer Auflösungsgrund, so dass nun bis zur Entscheidung des LAG der Weiterbeschäftigungsanspruch des Ar-beitnehmers wieder entfällt . Damit bietet er dem Arbeitgeber ein erhebliches pro-zesstaktisches Mittel zur Abwehr der ungeliebten Weiterbeschäftigung:
„Obsiegt der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage in erster Instanz und wird zugleich seinem (allgemeinen Weiter-) Beschäftigungsanspruch stattgegeben, dann sollte der Arbeitgeber – sofern greifbare Tatsachen vorliegen, die das Bestehen eines Auflösungs-rechtes nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zumindest möglich erscheinen lassen – erwägen, mit-tels Auflösungsklage die Zwangsvollstreckung aus dem (Weiter-) Beschäftigungsurteil zu verhindern“ .
Die Zulässigkeit eines Auflösungsantrages setzt die Rechtshängigkeit eines Kündi-gungsschutzverfahrens i. S. v. § 4 Satz 1 KSchG im Zeitpunkt der Antragstellung vor-aus, so dass die Berufungsfrist gegen das Kündigungsschutzurteil noch nicht verstri-chen sein darf. Bei fristgerechtem Antrag hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) – gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 769 ZPO) – zu erheben, weil der Auflösungsantrag (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG), der nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung über den (allgemeinen Weiter-) Beschäftigungsan-spruch eingereicht wird, wie eine Folgekündigung eine neue Einwendung i. S. v. § 767 ZPO begründet .
Wird die Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht abgewiesen, so überwiegt hin-gegen das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung. Der Arbeitnehmer ist weiterhin nicht im Betrieb zu beschäftigen .
III. Urteil zweiter Instanz
Spricht das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Arbeitnehmers die zunächst ab-gewiesene Kündigungsschutzklage zu, so ist der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt im Betrieb zu beschäftigen. Weist das LAG in Übereinstimmung mit dem Arbeitsge-richt die Kündigungsschutzklage ab, so bleibt der Arbeitnehmer von der Weiterbe-schäftigung im Betrieb ausgeschlossen. Bestätigt das LAG das bereits stattgebende Urteil, bleibt es selbstverständlich beim Weiterbeschäftigungsanspruch. Weist das LAG hingegen die Klage in Abweichung vom Arbeitsgericht ab, so hat der Arbeit-nehmer den Betrieb wieder zu verlassen .
IV. Vergütungsfolgen
Obsiegt der Arbeitnehmer in seinem Kündigungsschutzprozess, hat er selbstverständ-lich Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, denn die Kündigung hat dieses nicht wirksam beendet. Ist der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt worden, ist der Arbeitgeber dennoch gem. §§ 611 Abs. 1, 615 S. 1 BGB zur Entgeltzahlung verpflich-tet, ohne dass es eines Angebots des Arbeitnehmers bedurfte, weil die Kündigung un-wirksam ist und er sich während des gesamten Prozesses in Annahmeverzug befunden hat. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während des Prozesses beschäftigt und nur ein niedrigeres Entgelt gezahlt, ist der Unterschiedsbetrag nachzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer obsiegt .
Verliert der Arbeitnehmer allerdings in zweiter oder dritter Instanz (nach zunächst zu-gesprochenem Weiterbeschäftigungsanspruch erster oder zweiter Instanz), hängen sei-ne Vergütungsansprüche von der Rechtsnatur des Weiterbeschäftigungsanspruchs ab. Diese ist sehr umstritten, weil der Große Senat das Weiterbeschäftigungsverhältnis le-diglich als „tatsächliches Arbeitsverhältnis“ bezeichnet hat, ohne allerdings die juristi-sche Bedeutung klarzustellen. Vertreten wird eine analoge Anwendung von § 102 Abs. 5 BetrVG, andere halten die Grundsätze des faktischen bzw. fehlerhaften Ar-beitsverhältnisses für anwendbar. Das BAG hingegen wendet die Grundsätze der un-gerechtfertigten Bereicherung an, so dass wie folgt zu differenzieren ist. Hat der Ar-beitnehmer nicht gearbeitet und auch keine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber ge-troffen, hat er auch keinen Vergütungsanspruch. Nach der bereicherungsrechtlichen Lösung erhält der Arbeitnehmer ohne Gegenleistung keine Vergütung . Das Obsiegen im Kündigungsschutzprozess erster oder zweiter Instanz hätte also nichts gebracht, weil der Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch nicht umgesetzt bzw. voll-streckt hat.
Er kann mit dem Arbeitgeber aber auch zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungs-maßnahmen eine Vereinbarung treffen und regeln, wie mit dem Weiterbeschäfti-gungsanspruch umgegangen wird. Die Vereinbarung kann einmal den Inhalt haben, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigt, gleichwohl aber vergütet. Dabei kann bzw. sollten der Urlaub, das Wettbewerbsverbot und die Anrechnung an-derweiter Vergütung bedacht werden .
Muster: Vereinbarung zur Abwehr der Zwangsvollstreckung
Zwischen den Parteien wird ein Kündigungsschutzrechtsstreit geführt, den das Arbeitsge-richt Frankfurt am Main (oder: das LAG Hessen) unter dem Az. … zu Gunsten des Arbeit-nehmers entschieden und die Arbeitgeberin gleichzeitig verurteilt hat, den Arbeitnehmer auf Grundlage des Allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs vorläufig bis zum rechts-kräftigen Ablauf des Verfahrens zu beschäftigen.
Die Arbeitgeberin wird gegen dieses Urteil gegebenenfalls Berufung (oder: Revision) ein-legen und möchte den Arbeitnehmer vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht weiterbeschäftigen.
Die Parteien vereinbaren, dass der Arbeitnehmer während des Bestehens des Allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach Maßgabe des bisherigen Arbeitsverhältnisses vergütet wird, ohne dafür eine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Arbeitgeberin stellt den Arbeitneh-mer in dieser Zeit unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung frei, der Arbeit-nehmer nimmt die unwiderrufliche Freistellung an.
(Hier können bzw. sollten gegebenenfalls die Anrechnung von Urlaub, anderweitem Ver-dienst und das Wettbewerbsverbot geregelt werden ).
Die Vereinbarung endet, sobald eine entgegenstehende Entscheidung einer höheren Instanz oder ein anderer Beendigungstatbestand vorliegt, spätestens aber mit rechtskräftigem Ab-schluss des Verfahrens.
Die Parteien können aber nicht nur vereinbaren, dass der Arbeitnehmer nicht arbeitet, sondern selbstverständlich auch vertraglich regeln, dass er zur Abwendung der Zwangsvollstreckung arbeitet. Eine Vereinbarung zur Abwendung der Zwangsvoll-streckung ist ähnlich einem Prozessarbeitsverhältnis , nur dass nun schon ein Titel vorhanden ist und die Zwangsvollstreckung droht. Vereinbaren die Parteien ausdrück-lich die Weiterbeschäftigung auf Grundlage des ausgeurteilten Weiterbeschäftigungs-anspruchs, führt dies bei der Rückabwicklung zu den Grundsätzen des faktischen Ar-beitsverhältnisses mit der Folge, dass auch im Krankheitsfalle Lohn geschuldet wird. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf das Entgelt ungeachtet des Ausgangs des Rechts-streits auf Grundlage der Vereinbarung, die auflösend bedingt bis zur rechtskräftigen Abweisung des Kündigungsschutzprozesses geschlossen wurde. Eine solche Verein-barung wird aber nur dann angenommen, wenn sie entweder ausdrücklich oder aber zumindest konkludent getroffen wurde. Eine konkludente Vereinbarung wird z.B. angenommen, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist und nach Er-hebung der Kündigungsschutzklage seine Arbeit fortsetzt und der Arbeitgeber nicht widerspricht. Der Arbeitnehmer ist für das Bestehen einer solchen Vereinbarung dar-legungs- und beweisbelastet. Zahlt der Arbeitgeber hingegen lediglich den Lohn, ohne den Arbeitnehmer aber zu beschäftigen, wird keine konkludente Vereinbarung abge-schlossen. Verliert der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess, ohne tatsächlich gearbeitet zu haben, muss er jetzt alles wieder nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB zurückzahlen . Eine solche Vereinbarung könnte nach Hümmerich wie folgt lauten:
Muster: Vertrag über Prozessbeschäftigung zur Abwehr der Zwangsvoll-streckung
1. Die Arbeitgeberin weist den Arbeitnehmer an, am … zur Arbeit zu erscheinen und seine bisherige vertraglich geschuldete Tätigkeit aufzunehmen.
2. Die Parteien vereinbaren im Hinblick auf den vor dem Arbeitsgericht … anhängigen Rechtsstreit mit Blick auf die Entscheidung Az … folgendes: das Arbeitsgericht … hat mit Urteil vom … verkündet am … , die Arbeitgeberin verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil und zur Er-füllung dieser Weiterbeschäftigungspflicht verpflichtet sich der Arbeitgeber, den Arbeit-nehmer als … (Tätigkeitsbereich) solange weiter zu beschäftigen, bis eine entgegenstehen-de Entscheidung einer höheren Instanz oder ein anderer Beendigungstatbestand vorliegt.
3. Falls der anhängige Rechtsstreit zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden wird, endet die vorliegende Vereinbarung und der Arbeitnehmer wird ausschließlich auf der Grundlage des alten Vertrages vom … weiterbeschäftigt.
4. Im Übrigen findet die Beschäftigung des Arbeitnehmers während der Prozessbeschäfti-gung mit dem Inhalt des Arbeitsvertrages vom … statt.
5. Die Arbeitgeberin hält an der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung(en) fest und begibt sich mit dieser Vereinbarung keinerlei Rechte.
Eine Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung ist allerdings nicht erforderlich und geht hinsichtlich der Rechtsfolgen (Urlaub, Vergütung im Krankheitsfalle) eventuell sogar über die Beschäftigungspflicht hinaus. Bei der Beschäftigung nur zur Abwehr von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fehlt dem Arbeitgeber der Rechtsbindungswil-le jedenfalls dann, wenn er lediglich die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auf Weiterbeschäftigung abwehren will bzw. muss, er beugt sich nur dem Vollstreckungs-druck; letztlich erfolgt die Aufnahme der Tätigkeit gegen seinen Willen. Das muss nicht in einer Vereinbarung festgehalten werden , sollte aber gleichwohl vom Arbeit-geber entsprechend formuliert werden:
Muster: Arbeitgeberschreiben zwangsweise Weiterbeschäftigung
Sehr geehrter Arbeitnehmer,
das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat Ihrer Kündigungsschutzklage Az…. am … statt-gegeben und uns auf Ihren Antrag hin zur Weiterbeschäftigung während des Kündigungs-schutzprozesses verurteilt.
Allein zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen werden Sie gegen unseren Willen im Rahmen des vom Arbeitsgericht zugesprochenen Weiterbeschäftigungsanspruchs solange beschäftigt, bis eine entgegenstehende Entscheidung einer höheren Instanz oder ein anderer Beendigungstatbestand vorliegt.
Mit freundlichen Grüßen
Allerdings wirkt sich die bereicherungsrechtliche Lösung des BAG in diesem Fall nun zum Nachteil des Arbeitnehmers dahingehend aus, dass er weder Urlaub noch Entgelt-fortzahlung im Krankheitsfalle beanspruchen kann, weil es nach den bereicherungs-rechtlichen Grundsätzen an der erforderlichen Gegenleistung fehlt. War der Arbeit-nehmer krank und hat er in dieser Zeit Entgeltfortzahlung erhalten, muss er diese nun zurückzahlen, wenn er den Prozess verliert. Hatte er bezahlten Urlaub, muss er auch dieses Entgelt zurückzahlen; umgekehrt hat er selbstverständlich auch keinen An-spruch auf Urlaubsabgeltung . Im Ergebnis heißt das für den Arbeitnehmer aus ver-gütungsrechtlicher Sicht, nach Möglichkeit eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu treffen und zu vereinbaren, dass das bisherige Arbeitsverhältnis bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens fortgesetzt wird. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, muss die Beschäftigung vollstreckt werden, wozu der Arbeitnehmer freilich nicht verpflichtet ist .
V. Weiterbeschäftigungsantrag
Problematisch ist häufig die Fassung des Klageantrages unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckung. Schwierig daran ist, dass einerseits eine konkrete bzw. bestimmte Fas-sung für die Zwangsvollstreckung verlangt wird, der Titel also hinreichend bestimmt sein muss , andererseits der Arbeitnehmer wegen § 106 GewO oder des Direktions-rechts im Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz hat und korrespondierend damit der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet werden kann, den Ar-beitnehmer in einer bestimmten, eng begrenzten Weise zu beschäftigen . Der Antrag
Muster: Weiterbeschäftigungsantrag
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Angestell-ter über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen .
ist nach dem Beschluss des BAG vom 15. 4. 2009 nicht zu beanstanden. Es ist nur erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Dafür genügt es, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäf-tigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll . Wegen der üblichen Bezugnahme auf die gewech-selten Schriftsätze (§ 313 Abs. 2 ZPO) genügt, wenn sich die Einzelheiten der Be-schäftigung aus dem unstreitigen Parteivortrag in den Schriftsätzen ergeben.
VI. Einstweilige Verfügung
Die Weiterbeschäftigung kann vom Arbeitnehmer mit der einstweiligen Verfügung verfolgt werden, soweit er keinen Titel hat, aus dem vollstreckt werden kann.
1. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (Beschäftigungsanspruch)
Im ungekündigten Arbeitsverhältnis und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht ein Beschäftigungsanspruch und damit auch die Möglichkeit, diesen im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen . Die insoweit maßgebliche Entscheidung des BAG stammt bereits aus dem Jahre 1973 und besagt im Leitsatz:
„Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung während der Kündigungsfrist. In dieser Zeit ist eine Freistellung gegen den Willen des Arbeitnehmers nur zulässig, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen das gebieten“ .
Verfügungsanspruch ist der Arbeitsvertrag. In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber während des laufenden Arbeitsverhältnisses eine Freistellung erzwingen, wobei Er-leichterungen für den Insolvenzverwalter bestehen . Praktisch relevanter sind arbeits-vertragliche Regelungen zur Freistellung während der Kündigungsfrist und vor allem die Urlaubserteilung . Der Arbeitnehmer wird sich nicht mit dem Argument gegen Urlaub wehren können, er wolle lieber Urlaubsabgeltung nach Ablauf der Kündi-gungsfrist als Urlaub während der Freistellungsphase. Hat er aber schon vor der Kün-digung Urlaub außerhalb der Kündigungsfrist erhalten, wird dies nicht mehr rückab-wickelbar sein .
Ob ein Verfügungsgrund erforderlich ist, ist umstritten. Sieht man den Beschäfti-gungsanspruch mit dem BAG als Grundrechtsposition, ist allein der Zeitablauf der Verfügungsgrund; die Beschäftigung am Tage X kann nicht nachgeholt werden. Ist man aber mit anderen LAGs der Ansicht, es brauche dennoch einen Verfügungsgrund, muss dieser vorgetragen werden. In Betracht kommt das Interesse, seine beruflichen Chancen zu erhalten .
2. Nach Ablauf der Kündigungsfrist (Weiterbeschäftigungsanspruch)
Nach Ablauf der Kündigungsfrist überwiegt zunächst nach den vom BAG entwickel-ten Grundsätzen das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung , also kommt eine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung nur bei ganz offensicht-lich unwirksamen Kündigungen in Frage, beispielsweise bei offenkundigen Verstößen gegen § 102 BetrVG (Nichtanhörung des Betriebsrats), gegen § 85 SGB IX (Kündi-gung eines offensichtlich schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne Zustimmung des In-tegrationsamts), gegen § 9 MuschG (Kündigung einer offenkundig Schwangeren ohne Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde) oder bei einer Kündigung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit . In diesen ganz offensichtlichen Fällen kann der Ar-beitnehmer auch schon vor Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung einen Antrag auf Weiterbeschäftigung im Wege der einstweiligen Verfügung stellen.
Ansonsten ändert sich die Rechts- bzw. Interessenlage erst mit einem obsiegenden Ur-teil erster Instanz; nun hat der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch aufgrund der „Richtigkeitsgewähr des erstinstanzlichen Urteils“. Allerdings hätte er mit dem Kündigungsschutzantrag einen uneigentlichen Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung stellen können und auch stellen müssen, so dass er einen vollstreckbaren Titel hat oder zumindest hätte haben können. Aus diesem Grund wird der Verfügungsgrund von der herrschenden Ansicht verneint, eine einstweilige Verfügung scheidet aus .
B. Weiterbeschäftigungsantrag des § 102 Abs. 5 BetrVG
Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch und demzufolge auch die hieraus resultierende Vergütungspflicht ist, anders als der allgemeine Weiter-beschäftigungsanspruch nicht vom Ausgang des Prozesses abhängig. Selbst wenn die Kündigungsschutzklage rechtskräftig in allen drei Instanzen abgewiesen wird, bleibt es beim Annahmeverzug aus § 102 Abs. 5 BetrVG. Es handelt sich um das „schärfste Schwert“ des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess . § 102 Abs. 5 BetrVG führt im Ergebnis zur Verlängerung der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Ab-schluss des Kündigungsschutzverfahrens . Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung aus den Gründen des § 102 Abs. 3 BetrVG frist– und ordnungsgemäß wi-dersprochen und der Arbeitnehmer zugleich Kündigungsschutzklage erhoben, so muss der Arbeitgeber ihn auf sein Verlangen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses bei unveränderten Bedin-gungen weiter beschäftigen . Eine entsprechende Regelung enthält § 79 Abs. 2 BPersVG für den öffentlichen Dienst. § 102 Abs. 5 BetrVG ist nicht auf betriebsbe-dingte Kündigungen beschränkt. Die Voraussetzungen von § 102 Ziff. 3 – 5 BetrVG (anderer Arbeitsplatz) können auch bei personen- und sogar bei verhaltensbedingten Gründen in Betracht kommen. Der Arbeitnehmer hat allerdings keinen Rechtsan-spruch darauf, dass der Betriebsrat der Kündigung widerspricht. Widerspricht ein be-stehender Betriebsrat der Kündigung nicht, hat der Arbeitnehmer keinen Weiterbe-schäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG .
I. Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG
Die Anspruchsvoraussetzungen für den Weiterbeschäftigungsanspruch sind in § 102 Abs. 3 BetrVG in Verbindung mit Abs. 2 normiert. Die Voraussetzungen für den An-spruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG liegen vor, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- (eine Woche) und ord-nungsgemäß widersprochen hat, der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erhoben und vom Arbeitgeber fristgerecht seine Weiterbeschäftigung ver-langt hat.
1. Ordentliche Kündigung
Der Weiterbeschäftigungsanspruch setzt zunächst eine ordentliche Kündigung vor-aus. Eine außerordentliche Kündigung führt nicht zu einem Weiterbeschäftigungsan-spruch, und zwar auch nicht die verbundene Kündigung . Bei der Änderungskündi-gung nach § 2 KSchG kommt es darauf an. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungs-angebot ab, ohne sein Vorbehaltsrecht nach § 2 KSchG geltend zu machen, entsteht die gleiche Rechtslage wie bei der ordentlichen Beendigungskündigung. Bei Vorlie-gen der weiteren Voraussetzungen besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG. Nimmt der Arbeitnehmer hingegen das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung an, so besteht nach h.M. kein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedin-gungen .
2. Fristgemäßer Widerspruch
§ 102 Abs. 5 BetrVG setzt weiter voraus, dass der Betriebsrat der ordentlichen Kündi-gung frist– und ordnungsgemäß widersprochen hat. Nach § 102 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 1 BetrVG muss der Widerspruch binnen einer Woche beim Arbeitgeber erhoben werden. Der Fristenlauf beginnt mit dem Zugang der Erklärung des Arbeitgebers über seine Kündigungsabsicht bei einem empfangsberechtigten Betriebsratsmitglied .
3. Beschluss nach § 33 BetrVG
Formell Ordnungsgemäß ist nur der Widerspruch, der nach Beschlussfassung (§ 33 BetrVG) schriftlich und begründet erhoben wird . Das bedeutet also, dass der nicht ordnungsgemäß zustande gekommene und damit nichtige Beschluss die Tatbestands-voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht erfüllt, so dass der An-spruch nicht besteht. Nichtige Betriebsratsbeschlüsse begründen keinen Vertrauens-schutz für den Arbeitnehmer .
4. Widerspruchsgründe
Der Betriebsrat muss seine Widerspruchsgründe durch Angaben von konkreten Tatsa-chen erläutern, der vorgetragene Sachverhalt muss einen der Gründe des § 102 Abs. 3 BetrVG als möglich erscheinen lassen. Nicht erforderlich ist, dass die Tatsachen schlüssig einen Widerspruchsgrund ergeben. Der Betriebsrat kann sich auf folgende Widerspruchsgründe berufen, wobei es sich um eine abschließende Aufzählung han-delt .
a) Fehlerhafte soziale Auswahl (§ 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG)
Dieser – nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht kommende – Wider-spruchsgrund erfordert vom Betriebsrat die Darlegung, dass die vom Arbeitgeber ge-troffene soziale Auswahl fehlerhaft ist, weil soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden oder aber zu Unrecht Arbeitnehmer nicht in die so-ziale Auswahl einbezogen worden sind. Der Betriebsrat kann den Widerspruch auch darauf stützen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen freien Arbeitsplatz möglich sei und der Arbeitgeber bei der Auswahl der Arbeitneh-mer, die um den freien Arbeitsplatz konkurrieren, die sozialen Belange nicht ausrei-chend berücksichtigt habe. Beruht die soziale Auswahl auf einer Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG und hält sich der Arbeitgeber an die zulässigerweise vereinbarten Kriterien, kann der Betriebsrat nicht mehr widersprechen .
Ansonsten sind die Anforderungen an die Darlegungen des Betriebsrats in Rechtspre-chung und Literatur umstritten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, die Wider-spruchsgründe müssen nicht „einleuchtend“ sein oder aber es genügen Hinweise auf die Sozialwidrigkeit . Nach der Rechtsprechung des BAG folgt aus dem Regelungs-zusammenhang von § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG und § 102 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG, dass der Betriebsrat bei einem Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung eines Ar-beitnehmers wegen nicht ausreichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte (§ 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG) in dem Widerspruchsschreiben plausibel darlegen muss, warum ein anderer Arbeitnehmer sozial weniger schutzwürdig sei. Der Betriebsrat hat aufzuzeigen, welche Gründe aus seiner Sicht zu einer anderen Bewertung der sozialen Schutzwürdigkeit führen. Bei mehreren zur gleichen Zeit beabsichtigten betriebsbe-dingten Kündigungen kann der Betriebsrat den Kündigungen nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG nur dann wirksam widersprechen, wenn er in jedem Einzelfall auf bestimmte oder bestimmbare, seiner Ansicht nach weniger schutzwürdige Arbeitnehmer ver-weist. Der Betriebsrat kann nicht für alle oder mehrere beabsichtigte Kündigungen geltend machen, die soziale Auswahl sei fehlerhaft, weil der Arbeitgeber einen oder mehrere weniger schutzwürdige Arbeitnehmer übergangen habe. Auf denselben Beru-fungsfall kann der Betriebsrat seinen Widerspruch nicht mehrfach stützen. Macht der Betriebsrat mit seinem Widerspruch nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG geltend, der Ar-beitgeber habe zu Unrecht Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbezogen, müssen diese Arbeitnehmer vom Betriebsrat entweder konkret benannt oder anhand abstrakter Merkmale bestimmbar sein .
Muster: Widerspruch Betriebsrat § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG
Sehr geehrte/er Frau/Herr … ,
der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom … beschlossen, Widerspruch gegen die beabsich-tigte Kündigung zu erheben.
Zur Begründung beruft sich der Betriebsrat hiermit auf den Widerspruchstatbestand des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG und trägt hierzu im einzelnen folgende Punkte vor:
Der zur Kündigung vorgesehene Herr A ist als Elektroschlosser in der Abteilung X be-schäftigt. In den Abteilungen Y und Z werden ebenfalls mehrere Elektroschlosser beschäf-tigt, die über die gleiche Berufsausbildung wie Herr A verfügen und mit ihm deshalb ver-gleichbar sind. Im Übrigen ist dem Betriebsrat bekannt, dass in Urlaubs- und Krankheitsfäl-len die Elektroschlosser der Abteilungen X, Y und Z sich gegenseitig vertreten haben, was ebenfalls deren Vergleichbarkeit belegt.
In den Abteilungen Y und Z sind mindestens … Elektroschlosser beschäftigt, die sowohl eine kürzere Betriebszugehörigkeit als auch ein jüngeres Alter als Herr A aufweisen. Des Weiteren ist zu beachten, dass Herr A insgesamt vier Kinder hat, von denen noch drei in Ausbildung stehen.
Der Betriebsrat hält daher bei der Auswahl von Herrn A zur Kündigung die sozialen Ge-sichtspunkte nicht für ausreichend berücksichtigt.
Mit freundlichen Grüßen
b) Verstoß gegen Auswahlrichtlinie (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG)
Der Betriebsrat kann weiterhin widersprechen, wenn die Kündigung gegen eine Aus-wahlrichtlinie nach § 95 BetrVG verstößt. Er muss dabei die Richtlinie bezeichnen und die Tatsachen angeben, aus denen sich der Verstoß gegen die Auswahlrichtlinie ergibt. Der Regelungsgegenstand einer Richtlinie zur sozialen Auswahl ist auf die Bewertung der sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG begrenzt. Die Auswahlrichtlinie ordnet nicht verbindlich zu oder gruppiert verbindlich ein. Eine Re-gelung über die Festlegung der in die Sozialauswahl einzubeziehenden oder der mit-einander vergleichbaren Arbeitnehmer ist also nicht zulässig, denn die Betriebspartei-en können eben nicht über die gesetzlichen Anforderungen für die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern disponieren .
c) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG)
Der Widerspruch kann darauf gestützt werden, dass der Arbeitnehmer an einem ande-ren Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des gleichen Unter-nehmens weiterbeschäftigt werden kann . Der Widerspruchsgrund kommt nicht nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht, sondern auch bei verhaltensbedingten Kündigungen, sofern die Gründe für die Kündigung auf dem neuen Arbeitsplatz ent-fallen. Bei personenbedingten Kündigungen ist namentlich die Rede von Krankheiten, die auf dem Arbeitsumfeld beruhen bzw. dort ausgelöst werden (Allergien) und die auf einem anderen Arbeitsplatz nicht mehr auftreten. In Betracht kommen aber nur vorhandene und freie Arbeitsplätze, es besteht keine Verpflichtung, einen (leidens-gerechten) Arbeitsplatz zu schaffen. Diesen freien Arbeitsplatz muss der Betriebsrat bezeichnen. Räumlich kommt auch ein anderer Betrieb im Unternehmen in Betracht, allerdings muss dann auch der aufnehmende Betriebsrat zustimmen. Mit der Zu-stimmungsverweigerung des aufnehmenden Betriebsrats entfällt der Widerspruchs-grund .
Muster Widerspruch Betriebsrat § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG
Sehr geehrte/er Frau/Herr … ,
der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom … beschlossen, Widerspruch gegen die beabsich-tigte Kündigung zu erheben.
Zur Begründung beruft sich der Betriebsrat hiermit auf den Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG und trägt hierzu im einzelnen folgende Punkte vor:
Die zur Kündigung vorgesehene Frau A war bisher als Verkäuferin in der Lebensmittelab-teilung der Filiale Bismarkstraße tätig, die zum 31. Dezember geschlossen wird. Innerhalb der von Ihnen angegebenen Kündigungsfrist (31. Dezember) werden in der Filiale Hansa-ring in der Lebensmittelabteilung derzeit beschäftigte Verkäuferinnen in den Vorruhestand treten, so dass deren Arbeitsplätze frei werden.
Der im Unternehmen verwandte Standardarbeitsvertrag für Verkäuferinnen sieht die Mög-lichkeit zur Versetzung in alle Verkaufsfilialen vor, so dass Frau A auf einem der in der Fi-liale Hansaring frei werdenden Arbeitsplätze weiter beschäftigt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
d) Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach Umschulung oder Fortbildung (§ 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG)
Voraussetzung für diesen Widerspruchsgrund ist, dass durch die Umschulung oder Fortbildungsmaßnahme der Kündigungsgrund entfällt. Der Arbeitnehmer muss damit einverstanden und die Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme für ihn zumutbar sein. Dabei handelt es sich um eine Interessenabwägung, für die ähnliche Kriterien he-ranzuziehen sind wie bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 1 Abs. 2 S. 2 und S. 3 KSchG . Der Betriebsrat muss darlegen, welche für den Arbeitgeber zumutbaren Umschulung und Fortbildungsmaßnahmen in Betracht kommen und welcher freie Ar-beitsplatz (auch der bisherige) im Unternehmen in Betracht kommt .
e) Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen mit Einverständ-nis des Arbeitnehmers (§ 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG)
Diese letzte Widerspruchsvariante setzt voraus, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat sein Einverständnis damit erklärt, unter geänderten (schlechteren) Ver-tragsbedingungen zu arbeiten. Diese Einverständniserklärung kann – genauso wie bei der Änderungskündigung – unter dem Vorbehalt erklärt werden, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist. Spricht der Arbeitgeber darauf hin statt einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung aus, hat sich der Wider-spruchsgrund „erledigt“ und der Arbeitnehmer kann eine Änderungsschutzklage erhe-ben. Belässt es der Arbeitgeber bei der Beendigungskündigung, kann der Arbeitneh-mer Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen auf Grundlage dieser Alter-native verlangen. Soweit die Arbeitsbedingungen aber durch Tarifvertrag oder Be-triebsvereinbarung festgelegt sind, steht dem Betriebsrat wegen § 4 Abs. 1 und 3 TVG und § 77 Abs. 4 im BetrVG kein Widerspruchsrecht zu .
Muster Widerspruch Betriebsrat § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG
Sehr geehrte/er Frau/Herr … ,
der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom … beschlossen, Widerspruch gegen die beabsich-tigte Kündigung zu erheben.
Zur Begründung beruft sich der Betriebsrat hiermit auf den Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG und trägt hiermit hierzu im einzelnen folgende Punkte vor:
Herr A war bisher als Schweißer in der Maschinenproduktion tätig, welche zum 30. Juni geschlossen wird. Durch die Einrichtung eines zentralen Ersatzteillagers innerhalb unseres Betriebes werden fünf zusätzliche Stellen für Lagerarbeiter eingerichtet, welche auch be-reits am … innerbetrieblich ausgeschrieben wurden. Herr A kann auf einem dieser fünf zu-sätzlichen Plätze für Lagerarbeiter bei Änderung seiner bisherigen Vertragsbedingungen weiter beschäftigt werden.
Herr A ist bereit, einer Änderung seiner Arbeitsvertragsbedingungen auf eine Tätigkeit als Lagerarbeiter und der hierfür maßgebenden Vergütung gemäß Lohn Gruppe … des LGTV zuzustimmen.
Herr A kann daher zu geänderten Vertragsbedingungen als Lagerarbeiter weiter beschäftigt werden.
Mit freundlichen Grüßen
5. Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers
Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 V BetrVG setzt weiter voraus, dass der Arbeitnehmer nach dem KSchG Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Ar-beitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Aufgrund der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 4 KSchG reicht auch eine Klage vor Ablauf der Wartefrist oder im betriebsratsfähigen Kleinbetrieb. Probleme bereitet die verspätet erhobene Kündigungsschutzklage. Nach § 5 KSchG kann der Arbeitnehmer beantragen, die ver-spätete Klage nachträglich zuzulassen. Geschieht das, kann der Arbeitnehmer ab Rechtskraft des Beschlusses seine Weiterbeschäftigung verlangen. Nimmt der Arbeit-nehmer seine Kündigungsschutzklage zurück oder stellt er im Prozess nach § 9 KSchG den Antrag, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, so entfällt ab diesem Zeitpunkt sein Weiterbeschäftigungsanspruch .
6. Verlangen des Arbeitnehmers
Letzte Tatbestandsvoraussetzung des § 102 Abs. 5 BetrVG ist das Verlangen des Ar-beitnehmers, weiterbeschäftigt zu werden. Mit seinem Verlangen übt der Arbeitneh-mer ein Gestaltungsrecht aus, durch das er die Rechtswirkungen der Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsverfahrens suspendieren kann; die Kündigung verliert ihre Auflösungswirkung zum Ablauf der Kündigungsfrist, das Ar-beitsverhältnis wird mit dem bisherigen Vertragsinhalt auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage fortgesetzt. Der Arbeitnehmer kann sich bei der Ausübung vertreten lassen, das Verlangen ist an keine bestimmte Form gebunden, sollte aber aus Beweisgründen schriftlich erfolgen .
Hinweis: Das tatbestandliche Verlangen der Weiterbeschäftigung hat nichts mit der späte-ren Umsetzung des Anspruchs, also der gerichtlichen Durchsetzung der Weiterbeschäfti-gung zu tun. Der Arbeitnehmer ist zwar an sein Weiterbeschäftigungsverlangen gebunden, er ist aber frei darin, den nächsten Schritt zu gehen und die Weiterbeschäftigung auch tat-sächlich durchzusetzen. Macht er die Weiterbeschäftigung nicht gerichtlich geltend (2. Stu-fe), behält er gleichwohl seinen Vergütungsanspruch. Verlangt er aber erst gar nicht die Weiterbeschäftigung (1. Stufe), entsteht der Anspruch überhaupt nicht.
Umstritten ist, innerhalb welcher Frist der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung verlangen muss, weil hierzu eine gesetzliche Vorgabe fehlt. Die Meinungspalette reicht daher von der Ansicht, es bestehe keine Fristbindung über diverse Fristvor-schläge bis hin zu der Ansicht, der Arbeitnehmer müsse das Verlangen unverzüglich geltend machen . Der 2. Senat des BAG hat erkannt, dass das Verlangen auch dann noch rechtzeitig erfolgt ist, wenn es am ersten Arbeitstag nach Ablauf der Kündi-gungsfrist geltend gemacht wird . Bei kürzerer Kündigungs- als Klagefrist muss der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung spätestens mit der Klageerhebung verlangt haben, also drei Wochen nach Zugang der Kündigung .
II. Rechtsfolgen der Weiterbeschäftigung
Nach herrschender Ansicht handelt es sich bei der vorläufigen Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG um die Fortsetzung des alten, durch Arbeitsvertrag begrün-deten Arbeitsverhältnisses, auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage . Der Weiterbeschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 Be-trVG setzt also – anders als der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch – das alte Arbeitsverhältnis kraft Gesetz fort, auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abwei-sung der Kündigungsschutzklage. Es handelt sich bei dem Weiterbeschäftigungsver-hältnis um das bisherige Arbeitsverhältnis, das ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fortbesteht. Der Weiterbeschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG führt mithin zu einer faktischen Verlängerung der Kündigungsfrist bis zum Ende des Kün-digungsschutzprozesses, selbst wenn die Kündigung wirksam ist. Dem Arbeitnehmer stehen diejenigen Rechte zu, die ihm in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zuge-standen haben. Die Rücknahme des Widerspruchs hat keinen Einfluss auf den Bestand des Weiterbeschäftigungsverhältnisses. Der Weiterbeschäftigungsanspruch kann nicht isoliert gekündigt werden, ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist – anders als beim allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch – ohne Bedeutung .
III. Darlegungs- und Beweislast
Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweisbelastet für das Bestehen der Vorausset-zungen des § 102 Abs. 5 BetrVG. Anders als im Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 5 BetrVG gilt die Sphären-Theorie nicht .
IV. Vergütungsfolgen
Die Vergütungsfolgen hängen nicht davon ab, ob Weiterbeschäftigung tatsächlich er-folgt ist, aber davon, dass sie zumindest geltend gemacht wurde. Der Arbeitnehmer kann entweder die Weiterbeschäftigung verlangen oder sich darauf beschränken, seine Vergütungsansprüche geltend zu machen.
1. Kein Weiterbeschäftigungsverlangen
Verlangt der Arbeitnehmer trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG keine vorläufige Weiterbeschäftigung (etwa weil er die Möglichkeit über-haupt oder die Frist übersehen hat), kann er für die Prozessdauer gleichwohl Entgelt-fortzahlung nach § 615 BGB verlangen, wenn er im Kündigungsschutzprozess ob-siegt. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage setzt der Arbeitnehmer den Ar-beitgeber in Annahmeverzug gem. § 615 BGB, der auch dann bestehen bleibt, wenn er keine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG verlangt. § 102 Abs. 5 BetrVG soll nämlich seine Chancen verbessern, aber nicht verschlechtern .
2. Weiterbeschäftigungsverlangen
Macht der Arbeitnehmer aber die Weiterbeschäftigung geltend (1. Stufe) und lehnt der Arbeitgeber ab, dann steht dem Arbeitnehmer (unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG) der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach §§ 611, 615 BGB un-abhängig vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits für die Prozessdauer, also auch dann zu, wenn er in allen Instanzen (!) unterliegt. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer gearbeitet hat oder nicht. Denn wenn alle Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG vorliegen, endet das Arbeitsverhältnis erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits, so dass sich der Arbeitgeber bis dahin im An-nahmeverzug befindet. Entspricht der Arbeitgeber dem Weiterbeschäftigungsverlan-gen, ist nun allerdings der Arbeitnehmer auch verpflichtet, die Arbeitsleistung zu er-bringen. Er kann sich dann nur durch eine fristlose oder fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses (nicht des isolierten Weiterbeschäftigungsanspruchs), eine Ver-einbarung mit dem Arbeitgeber, einer Klagerücknahme oder einen Auflösungsantrag aus dieser Verpflichtung lösen .
Mit dem Verlangen nach Weiterbeschäftigung ist der Arbeitnehmer bis zum Ausgang des Rechtsstreits gebunden, was insbesondere dann zu erheblichen Problemen führt, wenn er den Arbeitgeber wechseln möchte. Das relativiert den Weiterbeschäftigungs-anspruch etwas und ist mit dem Mandanten zu besprechen.
V. Durchsetzung der tatsächlichen Weiterbeschäftigung durch den Arbeitnehmer
Weiterhin kann der Arbeitnehmer in der 2. Stufe auch die tatsächliche Beschäftigung verlangen und klageweise geltend machen. Das macht allerdings nur bzw. hauptsäch-lich Sinn im Wege der einstweiligen Verfügung. Die tatsächliche Weiterbeschäfti-gung aus § 102 Abs. 5 BetrVG kann im Wege der einstweiligen Verfügung durchge-setzt werden. Der Arbeitnehmer muss die von ihm darzulegenden Umstände, das sind die Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG, glaubhaft machen . Er kann dies bei-spielsweise durch Vorlage von Urkunden, Schriftstücken, Versicherungen an Eides Statt und präsente Zeugen (§ 294 ZPO) tun. Dabei hat er zu beachten, dass die Sphä-rentheorie nicht gilt, also auch der ordnungsgemäß gefasste Beschluss darzulegen ist .
Umstritten ist, ob neben dem Verfügungsanspruch auch ein Verfügungsgrund zur Dringlichkeitsbegründung darzulegen ist. Ein Teil der Landesarbeitsgerichte verneint das , ein anderer Teil verlangt einen Verfügungsgrund . Problematisch sind Fälle, in denen der Arbeitnehmer zunächst während des Laufs der Kündigungsfrist einver-nehmlich freigestellt war, seinen Beschäftigungsanspruch während des Laufs der Kündigungsfrist nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt hat und nun nach Ablauf der Kündigungsfrist auf Grundlage von § 102 Abs. 5 BetrVG eine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung beantragt. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat einen solchen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, nach Monaten der Freistellung fehle die Eilbedürftigkeit . Macht der Arbeitnehmer den Anspruch hingegen zu früh, also weit vor Ablauf der Kündigungsfrist geltend, kann ihm das Rechtsschutzinteresse (noch) fehlen und die Rechtskraft der abweisen-den Entscheidung einem neuen Verfahren entgegenstehen .
VI. Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers
Für den Arbeitgeber ist der Weiterbeschäftigungsanspruch kostenträchtig, verlängert er doch die Kündigungsfrist bis zur Rechtskraft eines möglicherweise Jahre dauernden Prozesses . Deswegen sind seine Verteidigungsmöglichkeiten von hoher praktischer Relevanz. Der Arbeitgeber kann in die Offensive gehen und den Annahmeverzug da-durch beenden, dass er dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung aus § 102 Abs. 5 BetrVG bis zur Rechtskraft des Kündigungsschutzprozesses anbietet und hofft, dass der Arbeitnehmer ablehnt. Mit dem Verlangen der Weiterbeschäftigung wird nämlich nicht nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung, sondern auch seine Verpflichtung hierzu begründet . Der Arbeitnehmer, der das nicht möchte, muss entweder selber kündigen oder die Kündigungsschutzklage zurücknehmen . Anders als im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses, wo die Ablehnung des Angebots kei-nen Einfluss auf den Annahmeverzug hat , führt dies hier zum Verlust der Ansprüche aus § 102 Abs. 5 BetrVG, nicht aber derjenigen aus § 615 S. 1 BGB nach gewonne-nem Kündigungsschutzprozess .
Der Arbeitgeber kann ferner das Arbeitsverhältnis (nicht isoliert den Weiterbeschäfti-gungsanspruch) erneut kündigen. Es handelt sich um eine neue Kündigung unter Be-achtung der neuen Kündigungsfristen. Widerspricht der Betriebsrat abermals ord-nungsgemäß i.S. des § 102 Abs. 5 BetrVG, kann ein erneuter Weiterbeschäftigungsan-spruch entstehen. Widerspricht der Betriebsrat nicht oder verlangt der Arbeitnehmer nicht erneut die Weiterbeschäftigung, endet mit Ablauf der neuen Kündigungsfrist die Weiterbeschäftigungspflicht. Auch bei einer außerordentlichen Kündigung endet die Weiterbeschäftigung . Gibt es hingegen keinen Anlass für weitere Kündigungen, muss sich der Arbeitgeber mit den bestehenden Abwehrmöglichkeiten auseinanderset-zen. Die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers hängen zunächst davon ab, ob der Arbeitnehmer die verlangte Weiterbeschäftigung auf der 2. Stufe durchsetzt oder ob er keine gerichtlichen Schritte zur Durchsetzung der Beschäftigung einleitet.
1. Aktive Geltendmachung durch den Arbeitnehmer
Macht der Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung oder Verzugslohn aktiv im Prozess gel-tend, kann sich der Arbeitgeber hiergegen selbstverständlich zunächst durch bestreiten der Voraussetzungen verteidigen.
a) Tatbestandsvoraussetzungen
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen konkret vorzutragen. Anders als beim Anhörungsverfahren des § 102 BetrVG greift die Sphä-rentheorie hier also nicht. Gegebenenfalls muss der Arbeitnehmer den Betriebsratsvor-sitzenden zu den Einzelheiten der Beschlussfassung befragen oder aber er muss im Prozess erklären, warum dies nicht möglich war. Im einstweiligen Verfügungsverfah-ren sind die Tatsachen glaubhaft zu machen . Der Arbeitgeber kann die Vorausset-zungen bestreiten, wobei die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nur möglich, wenn es um Umstände geht, die sich der Wahrnehmung des Arbeitgebers entziehen (§ 138 Abs. 4 ZPO), ein pau-schales Bestreiten ist unzulässig .
b) Auf Befreiung von der Weiterbeschäftigung
Will der Arbeitgeber sich hingegen auf einen Befreiungsgrund des § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG berufen, muss er ein gesondertes eigenes einstweiliges Verfügungsverfahren beantragen (§ 102 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 – 3 BetrVG). Diese Befreiungsgründe kann der Arbeitgeber nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren des Arbeitnehmers einwen-den bzw. einreden. Nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG kann der Arbeitgeber (nur!) auf-grund einer (eigenen) einstweiligen Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbe-schäftigung entbunden werden , wenn er sich auf diese Befreiungsgründe beruft. Wenn er also einwendet, dass die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aus-sicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint (§ 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BetrVG) oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde (§ 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BetrVG) oder der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war (102 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG), muss er eine eigene einstweilige Verfügung beantragen.
aa) Gem. Ziff. 1
Gemäß Ziff. 1 ist der Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht zu entbinden, wenn die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Un-terliegt der Arbeitnehmer in erster Instanz mit seinem Kündigungsschutzprozess, so spricht einiges für fehlende Erfolgsaussichten. Zumindest obliegt es dann dem Arbeit-nehmer, seine Erfolgsaussichten darzustellen . Damit nähert sich im Ergebnis der ge-setzliche Weiterbeschäftigungsanspruch des § 102 Abs. 5 BetrVG dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Großen Senats, der ja überhaupt erst entsteht, wenn der Arbeitnehmer seinen Kündigungsrechtsstreit in erster Instanz gewonnen hat, wohl etwas an.
bb) Gem. Ziff. 2
Sehr schwierig ist es, die unzumutbare wirtschaftliche Belastung des § 102 Abs. 5 S. 2 Ziff. 2 BetrVG darzustellen. Die bloße Verpflichtung zur Weiterzahlung des Arbeits-entgelts genügt für sich genommen nämlich nicht, dem Arbeitgeber muss vielmehr ein Liquiditätsverlust drohen oder nachweisbare Auswirkungen für die Wettbewerbsfä-higkeit müssen bestehen. Teilweise wird sogar eine Existenzgefährdung des Arbeitge-bers für notwendig gehalten .
cc) Gem. Ziff. 3
Nicht weniger problematisch ist der dritte Entbindungsgrund, nämlich das Vorliegen eines offensichtlich unbegründeten Widerspruchs des Betriebsrats. Auch insoweit gilt ein strenger Maßstab. Nur dann, wenn sich seine Grundlosigkeit bei unbefangener Be-urteilung geradezu aufdrängt, greift dieser Entbindungstatbestand .
2. Passives Verhalten des Arbeitnehmers
Weit problematischer ist die Situation für den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer zwar die Weiterbeschäftigung verlangt hat (1. Stufe), sie aber nicht durchsetzt (2. Stu-fe), sondern die gesamte Prozessdauer arbeits- und beschäftigungslos ist. Mit rechts-kräftigem Abschluss des Verfahrens hätte der Arbeitnehmer nun Verzugslohnansprü-che aus § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG i.V.m. § 615 BGB für die gesamte Verfahrens-dauer, auch wenn er alle Instanzen verloren hat. Ob der Arbeitgeber in dieser Konstel-lation vor rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens Rechtsmittel hat, ist in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten .
a) Gegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 102 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 1 Be-trVG
Klagt der Arbeitnehmer vor Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weder auf Weiterbeschäftigung noch auf Entlohnung, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber aus Sicherheitsgründen bzw. prophylaktisch selbst feststellen lassen kann, dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 BetrVG nicht vorliegen, der Anspruch also gar nicht besteht.
aa) Negative Feststellungsklage (§ 256 ZPO)
Es spricht zunächst nichts gegen ein Hauptsacheverfahren auf Feststellung, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG nicht gegeben sind. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine negative Feststel-lungsklage gem. § 256 ZPO folgt bereits aus dem Verlangen der Weiterbeschäftigung. Das Weiterbeschäftigungsverhältnis ist zwar kein eigenständiges Rechtsverhältnis, sondern „dasselbe, durch Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnis“, auflösend be-dingt durch den Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens , es handelt sich aber um einen gesonderten Anspruch, dessen Bestehen im Rahmen des § 256 ZPO geklärt werden können müsste. Praktisch jedoch dauert ein Hauptsacheverfahren u.U. genauso lange wie der Kündigungsschutzprozess und führt allein deswegen nicht zur ge-wünschten Rechtssicherheit. Es macht also für den Arbeitgeber keinen Sinn, eine ne-gative Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu erheben. Weiter hilft ihm nur eine frühe-re Entscheidung, also nur ein einstweiliges Verfügungsverfahren.
bb) Einstweilige Verfügung auf negative Feststellung
Ob der Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung (negativ) feststellen lassen kann, dass eine Weiterbeschäftigungspflicht nicht besteht, ist hingegen sehr umstrit-ten. Nach verbreiteter Meinung sind feststellende einstweilige Verfügungen unzuläs-sig . Begründet wird dies mit der Funktion der einstweiligen Verfügung. Diese habe Sicherungscharakter oder diene der einstweiligen Durchsetzung eines Anspruchs. Feststellende Verfügungen seien aber weder zur Sicherung der Zwangsvollstreckung noch zur vorläufigen Durchsetzung von Ansprüchen noch zur verbindlichen Klärung der Rechtslage geeignet . Andere Autoren wiederum halten es für geboten, dass sich der Arbeitgeber im Interesse der Rechtssicherheit über die Frage seiner Weiterbe-schäftigungspflicht mittels einstweiliger Verfügung Klarheit verschaffen kann . Er-wogen wird dies als Hilfsantrag im Rahmen einer einstweiligen Entbindungsverfü-gung .
b) Entbindungsverfügung
Die Entbindungsverfügung betrifft nicht die Anspruchsvoraussetzungen aus § 102 Abs. 3 BetrVG, sondern sie dient der Befreiung von den (bestehenden) Anspruchsvor-aussetzungen aus besonderen, in § 102 Abs. 5 Satz 2 Ziff. 1-3 BetrVG genannten Gründen. Dem Gesetz ist klar zu entnehmen, dass die Entbindungsgründe nur und ausschließlich im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden können. Das Arbeitsgericht prüft in diesem Verfahren nicht, ob ein ordnungsgemäßer Wider-spruch überhaupt vorliegt. Es prüft nur, ob es sich um einen offensichtlich unbegrün-deten Widerspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 2 Ziff. 1-3 BetrVG handelt. Die heftig dis-kutierte Frage aber ist, ob der Arbeitgeber in jeder Lage des Kündigungsschutzverfah-rens eine einstweilige Verfügung beantragen kann oder ob er vielmehr abwarten muss, bis ihn der Arbeitnehmer seinerseits auf Beschäftigung im Wege der einstweiligen Verfügung verklagt, also die 2. Stufe einleitet.
aa) Entbindung nur ex nunc
Von großer Praxisrelevanz ist der Zeitpunkt des Erlasses der Entbindungsverfügung deswegen, weil die Lohnfortzahlungsverpflichtung auf Grundlage von § 102 Abs. 5 BetrVG erst mit der Entbindungsentscheidung entfällt. Die Entbindung von der Wei-terbeschäftigungspflicht ist eine rechtsgestaltende Entscheidung des Arbeitsgerichts. Es handelt sich um ein Gestaltungsurteil, da der Arbeitgeber eine gerichtliche Ent-scheidung benötigt . Dieses Gestaltungsurteil wirkt ex nunc, also nur für die Zu-kunft . Sind somit auf Grund des vorläufigen Weiterbeschäftigungsverlangens z.B. schon Vergütungsansprüche entstanden, entfallen diese nicht rückwirkend durch eine später ergangene Entbindungsentscheidung des Arbeitsgerichts, sondern nur für die Zukunft. Der Vergütungsanspruch entfällt erst nach Vorliegen des Gestaltungsur-teils .
bb) Meinungsstand
In Rechtsprechung und Literatur werden nun ganz unterschiedliche Meinungen vertre-ten, ab welchem Zeitpunkt eine Entbindungsverfügung in Betracht kommt. Ein Teil der Literatur und mit ihm ein Teil der Rechtsprechung schränken das Rechtsschutzbe-dürfnis für den Entbindungsantrag stark ein. Eine einstweilige Verfügung dürfe nicht auf Vorrat beantragt werden und mit ihr könne auch nicht im Hauptantrag das Ziel der Feststellung verfolgt werden, dass eine Weiterbeschäftigungspflicht nicht besteht. Es bestünde kein Anlass, von der Grundregel abzuweichen, wonach feststellende einstweilige Verfügungen per se unzulässig sind . Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Entbindungsantrag besteht nach dieser Ansicht erst dann, wenn eine Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Gemeint ist damit aber offensichtlich nicht schon das Verlangen der Weiterbeschäftigung als tat-bestandliche Voraussetzung des § 102 Abs. 5 BetrVG, sondern die Anrufung des Ge-richts wegen der tatsächlichen Beschäftigung. Es bleibe dann immer noch hinreichend Gelegenheit, sich mit einem Wiederantrag von der Weiterbeschäftigungspflicht ent-binden zu lassen .
Nach anderer Ansicht wiederum ist das Rechtsschutzinteresse stets dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG verlangt hat. Es genügt also schon das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzun-gen, zu denen ja das fristwahrende Verlangen gehört, um eine einstweilige Verfügung zu beantragen. Diese Ansicht schränkt die Möglichkeiten des Arbeitgebers allerdings „andersherum“ ein. Der Arbeitgeber dürfe mit seinem Antrag nicht allzu lange warten. Da es sich bei dem einstweiligen Verfügungsverfahren um ein Eilverfahren zur vor-läufigen Sicherung handelt, dürfe zwischen dem Zugang des Weiterbeschäftigungs-verlangens und der Antragstellung beim Arbeitgeber kein allzu langer Zeitraum ver-strichen sein. Ansonsten entfiele die Eilbedürftigkeit . Ähnlich ist die Ansicht, wo-nach der Antrag des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht zwar auch nach dem arbeitsgerichtlichen Gütetermin gestellt werden könne und keiner Frist unterliege, aber nicht erst mehrere Monate nach dem Beschäftigungsbegehren des Arbeitnehmers gestellt werden dürfe, ohne dass in der Zwischenzeit neue Ge-sichtspunkte eingetreten sind . Eine weitere Gruppe vertritt die Ansicht, dass der An-trag keiner Frist unterliegt und deswegen zu jedem Zeitpunkt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses gestellt werden kann . Umgekehrt sei ei-ne bereits erhobene Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers für eine einstweilige Verfügung erforderlich .
cc) Das Verfahren
Das zuständige Verfahren ist das Urteilsverfahren, da es sich bei dem Entbindungsan-trag um einen individualrechtlichen Anspruch zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh-mer und nicht um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG) handelt . Zuständig ist gem. § 937 Abs. 1 ZPO das Gericht der Hauptsache, also das Arbeitsgericht. Auch wenn das Kündigungsschutzverfahren dort durch Urteil abgeschlossen ist oder sich in zweiter Instanz befindet, verbleibt es bei dessen Zuständigkeit, wenn beim Landesarbeitsgericht die Berufung einer Kündi-gungsschutzklage anhängig ist und erstmals eine einstweilige Verfügung zum Weiter-beschäftigungsanspruch beantragt wird; der Streitgegenstand der Kündigungsschutz-klage ist nämlich mit dem Streitgegenstand des auf tatsächliche Beschäftigung gerich-teten Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht identisch . Der Antrag des Arbeitgebers könnte lauten
Muster: Antrag auf Weiterbeschäftigung
Es wird beantragt,
den Antragsteller von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers … als Staplerfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfah-rens, Arbeitgericht …, Az …, zu entbinden.
Ein Hilfsantrag auf Feststellung, dass erst gar keine Weiterbeschäftigungspflicht ent-standen ist, ist hingegen unzulässig. Eine feststellende einstweilige Verfügung ist je-denfalls in diesem Verfahren nicht möglich.
C. Vollstreckung
Soweit § 62 ArbGG keine Sonderregelung enthält, werden die Vorschriften des Ach-ten Buchs der ZPO für anwendbar erklärt. Der (Weiter-)Beschäftigungsanspruch zielt auf eine unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO), nämlich auf die Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes und die Zuteilung der Arbeit. Voraussetzung für die Vollstre-ckung ist, dass der (Weiter-) Beschäftigungsanspruch hinreichend bestimmt ist. Bei der Anwendung der Bestimmungen ist zu beachten, dass die Urteile des Arbeitsge-richts keiner Vollstreckbarkeitserklärung bedürfen, sondern kraft Gesetzes bereits vollstreckbar sind. Die Bestimmungen der §§ 708 bis 713 ZPO sind bei der Vollstre-ckung aus Urteilen des Arbeitsgerichts nicht anwendbar, da bei diesen eine Sicher-heitsleistung nicht in Betracht kommt. Zur Vollstreckung ist auch im arbeitsgerichtli-chen Verfahren die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 724 ZPO) mit ei-ner Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) notwendig. Der Titel muss dem Schuldner zu-gestellt sein (§ 750 Abs. 1 ZPO). Die Zustellung kann vor der Zwangsvollstreckung erfolgen oder gleichzeitig mit dieser. Die Vollstreckung des Anspruchs erfolgt gem. § 888 Abs. 1 ZPO durch Verhängung von Zwangsgeld und Zwangshaft. Das Zwangs-geld ist nicht für jeden Tag der Nichtbeschäftigung, sondern einheitlich festzuset-zen .
Seminar: Dr. Michael Meyer, Februar 2012