Neuralgische Problemfelder im Kündigungsrecht
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Neues zu den Fristen
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- Grundlegende Norm für die Kündigungsfristen ist
§ 622 BGB, dessen Abs. 2 S. 2 BGB für nach dem
2.12.2006 ausgesprochene Kündigungen nach der
Entscheidung des 5. Senats des BAG vom
1.9.2010 nicht mehr zur Anwendung kommt;
Hintergrund ist ein Urteil des EuGH vom
19.1.2010. Auch die Beschäftigungszeit vor dem
25. Lebensjahr ist also bei der Fristberechnung zu
berücksichtigen.
- Wird bei der Erklärung der Kündigung kein
Termin genannt, zu dem das Rechtsverhältnis
beendet werden soll, wurde im Zweifel davon
ausgegangen, dass der Kündigende das
Rechtsverhältnis zum nächstzulässigen Termin
ordentlich kündigen will. Der 2. Senat des BAG
hat in einem Leitsatz wie folgt formuliert:
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- „eine ordentliche Kündigung ist in aller Regel
dahin auszulegen, dass sie das
Arbeitsverhältnis zum zutreffenden Termin
beenden soll. Das gilt auch dann, wenn sie
ihrem Wortlaut nach zu einem früheren
Termin gelten soll“,
- jedoch folgenden Vorbehalt in den
Urteilsgründen gemacht:
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- „Nur dann, wenn sich aus der Kündigung und der im
Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Umstände
des Einzelfalls ein Wille des Arbeitgebers ergibt, die
Kündigung nur zum erklärten Zeitpunkt gegen sich gelten
zu lassen, scheidet eine Auslegung aus. Der
Kündigungstermin wäre dann ausnahmsweise integraler
Bestandteil der Willenserklärung und müsste innerhalb der
Klagfrist des § 4 S. 1 KSchG angegriffen werden. Dann
scheidet aber auch eine Umdeutung aus, da ein derart klar
artikulierter Wille des Arbeitgebers nicht den Schluss auf
einen mutmaßlichen Willen, wie ihn § 140 BGB erfordert,
zulässt“.
- Dieses vermeintliche „Regel‑
Ausnahmeverhältnis“ ist nun durch die
Entscheidung des BAG vom 1.9.2010 ins Wanken
geraten. Das BAG hat nicht nur § 622 Abs. 2 Nr. 2
BGB für unanwendbar erklärtargumentiert,
sondern sich auch mit der Auslegung von
Kündigungserklärungen eingehend befasst. Dabei
legt es zunächst den Wortlaut der Kündigung aus:
- „Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 30.
9. 2008 spricht zunächst der Wortlaut der
Kündigungserklärung, die ausdrücklich zum
31. 7. 2008 erfolgte, ohne dass die
Kündigungserklärung selbst Anhaltspunkte
dafür enthielte, die Bekl. habe die Kündigung
(auch) zu einem anderen Termin gewollt oder
das angegebene Datum sei nur das Ergebnis
einer vorangegangenen Berechnung anhand
mitgeteilter Daten“.
- und so dann mit dem Bestimmtheitsgebot:
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- „Im Übrigen muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu
welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Ist
eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem
bestimmten Datum erklärt worden, steht deshalb in Fällen wie dem
vorliegenden auch das Bestimmtheitsgebot der Auslegung der
Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es ist
nicht die Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu
welchem anderen als in der Kündigungserklärung angegebenen
Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte“.
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- Die mit zu kurzer Frist ausgesprochene, nicht
nach § 133 BGB auslegungsfähige Kündigung
verstößt – je nach Länge der Kündigungsfrist –
gegen eine der Ziff. 1 – 7 des § 622 Abs. 2 S. 1
BGB. Die Erklärung ist damit unwirksam i.S.
von § 4 KSchG und muss also innerhalb der
Frist des § 4 KSchG angegriffen werden.
Kündigungsbefugnis und Vertretung
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- Probleme bereiten Stellvertreterfälle vor allem
wegen §§ 4, 7 KSchG, wie eine recht junge
Entscheidung des BAG vom 26.03.2009
verdeutlicht.
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- Allen Gesetzesvorgaben entsprechend handelt
nur der Vertreter mit gesetzlicher
Vertretungsmacht und der Vertreter aufgrund
rechtsgeschäftlicher Vollmacht unter
Offenlegung der Vertretung und mit
vorgelegter Original-Vollmachtsurkunde (§§
164 I, 174 BGB).
Kündigung durch den „Nicht‑
Arbeitgeber“
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- Der „Nicht-Arbeitgeber“ ist schlicht der
falsche Arbeitgeber. Er tritt nicht im Namen
des „richtigen“ Arbeitgebers, sondern im
eigenen Namen auf. Diese Konstellation lag
der Entscheidung des BAG vom 26.03.2009
zugrunde. Der abgekürzte Sachverhalt:
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- Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. 4.
2004, um 11:15 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 1. 4. 2004 um 18 Uhr erhielt der Kläger eine auf
dem Briefpapier der Schuldnerin gefertigte und vom
Geschäftsführer der Schuldnerin unterschriebene
fristlose Kündigung. Der Kläger machte bei der
Übergabe des Kündigungsschreibens geltend, der
Geschäftsführer könne über die Kündigung wegen der
Insolvenz nicht mehr selbst entscheiden. Am 28.4.2004
erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und stellte
den Antrag nach § 5 KSchG.
- Die Kündigung durch vertragsfremde
Personen, also den „Nicht-Arbeitgeber“ oder
den „Schein-Arbeitgeber“ muss und kann
auch nicht angegriffen werden. Dem
Arbeitgeber fehlt im Prozess die
Passivlegitimation, er hat mit der Kündigung
„nichts zu tun“, hat sie nicht veranlasst. Die
Klage ist abzuweisen, d.h. also, der
Arbeitnehmer hat die Kosten des Verfahrens
zu tragen.
- Auch der kündigende „Schein-Arbeitgeber“ ist
nicht passiv legitimiert; eine gegen ihn
gerichtete Klage wird ebenfalls abgewiesen,
denn es gibt kein Arbeitsverhältnis mit ihm,
dessen fortbestehen festgestellt werden
könnte. Der (zu Unrecht) klagende
Arbeitnehmer trägt auch in diesem Prozess die
Kostenlast.
Kündigung durch Vertreter ohne
Vertretungsmacht (§ 164 BGB)
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- Die nächste Fallgruppe sind Kündigungen von Personen, die
zwar im Namen des Arbeitgebers auftreten, also die
Offenkundigkeit wahren, aber tatsächlich keine
Vertretungsmacht haben. Kündigt jemand ohne
Vertretungsmacht, ist die Kündigung unwirksam (§ 180 S. 1
BGB). Hat der Kündigungsempfänger die behauptete
Vertretungsmacht des Kündigenden aber gem. § 180 S. 2
BGB nicht beanstandet oder ist er mit ihr einverstanden
gewesen, finden die §§ 177 ff. BGB entsprechende
Anwendung (§ 180 S. 2 BGB), d.h. der Berechtigte kann die
Kündigung mit rückwirkender Kraft genehmigen.
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- „Ein Kaufhauskunde ärgert sich über eine Verkäuferin.
Aus diesem Grund kündigt er der Verkäuferin im
Namen des Kaufhauses durch Übergabe einer schnell
auf einen Kassenzettel geschriebenen Kündigung. Die
zuvor noch recht redegewandte Verkäuferin ist nun
doch zu verblüfft, dem noch etwas zu entgegnen und
steckt die Kündigung ein. Nach Ablauf von vier Wochen
berichtetet sie hiervon ihrem Personalchef, der ihr
erklärt, dass sie sich dann ja „ihre Papiere abholen
könne“.
- Da Vertretung ohne Vertretungsmacht vorliegt und die
Verkäuferin nicht moniert, kann eine Genehmigung
gem. §§ 180, 177 BGB erteilt werden. Die
Genehmigung bedarf allerdings weder gem. §§ 167 II,
182 II BGB der Form des zu genehmigenden
Rechtsgeschäfts, ist also nicht an die Voraussetzungen
von § 623 BGB gebunden, noch muss sie gegenüber
dem Erklärungsempfänger erteilt werden. Gem. §§ 180
S.2, 177 Abs. 1 BGB kann sie auch gegenüber dem
vollmachtlosen Vertreter abgegeben werden. Dabei
genügt schlüssiges bzw. konkludentes Verhalten.
- Der für den Arbeitnehmer entscheidende
Beginn der Klagefrist könnte also formfrei
etwa durch bloßes Nicken oder andere Gesten
des Arbeitgebers gegenüber dem Erklärenden
Vertreter ohne Vertretungsmacht in Gang
gesetzt werden.
- Auch dieser Fall ist durch das Urteil des BAG
vom 26.3.2009 geklärt, die Klagefrist beginnt
erst mit Zugang der Kündigungsgenehmigung
des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer.
Fristsetzung zur Genehmigung
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- Gem. § 177 Abs. 2 BGB kann der
Arbeitnehmer nämlich seinen
Vertragsarbeitgeber auffordern, die
Kündigungserklärung zu genehmigen:
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- Genehmigt daraufhin der Vertragsarbeitgeber
innerhalb von 2 Wochen, muss der
Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 4
KSchG Klage erheben. Die Frist zur
Klageerhebung beginnt mit Zugang der
Genehmigungserklärung.
- Teilt der Arbeitgeber innerhalb der 2 Wochen
Frist mit, er müsse nicht genehmigen, weil
Vollmacht bestand, hätte der Arbeitnehmer
noch eine Woche zur Klageerhebung. Der
Arbeitnehmer ist dann aber zumindest vor
dem Risiko, den Prozess zu verlieren und die
Kosten zu tragen, gefeit.
- Sollte der Arbeitgeber nicht innerhalb der 2
Wochenfrist reagieren, muss der
Arbeitnehmer selbstverständlich ebenfalls
klagen, und zwar auch auf die Gefahr hin, dass
er unterliegt, wenn sich nämlich nachträglich
herausstellt, die Kündigungserklärung ist nicht
zurechenbar, die Vollmacht hat gefehlt.
- Beanstandung in entsprechender Anwendung
der §§ 180, 178 BGB
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- Der Arbeitnehmer kann aber auch in
entsprechender Anwendung der §§ 178, 180
BGB eine Genehmigung verweigern und wie
folgt reagieren:
Vertreter ohne vorgelegte
Vollmachtsurkunde
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- Der Vertreter ohne Vollmacht hat in
Abgrenzung zum Vertreter ohne
Vertretungsmacht Vollmacht, er hat die
Vollmachtsurkunde aber entgegen seiner
Verpflichtung aus § 174 S. 1 BGB nicht im
Original vorgelegt, sich also nicht
ausgewiesen.
- Nach herrschender Meinung greift in diesen
Fällen § 4 KSchG, d.h. der Gekündigte muss
innerhalb von 3 Wochen Klage erheben.
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- Außerdem kann der Gekündigte die
Kündigungserklärung gem. § 174 BGB
zurückweisen, sofern er nicht Kenntnis von
der Vollmacht hatte oder haben könnte (§ 174
S. 2 BGB).
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- Die wirksam zurückgewiesene Kündigung ist
folglich nicht mehr heil- oder rettbar, sondern
es Bedarf der Neuvornahme mit allen daraus
resultierenden Konsequenzen; der
Arbeitgeber muss die Betriebsratsanhörung
neu durchführen, Fristen wie die des § 626 II
BGB laufen weiter, Kündigungstermine
verschieben sich,
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- Eine Zurückweisung kommt gem. § 174 S. 2
BGB aber zunächst nur dann in Betracht, wenn
der Gekündigte keine Kenntnis von der in
dieser Konstellation ja tatsächlich
bestehenden Vollmacht hatte.
- Dafür ist nach der gängigen Rechtsprechung allerdings
ausreichend, dass der Vertreter eine Stellung bekleidet, mit
der üblicherweise eine Vollmacht verbunden ist, die auch
das konkrete Rechtsgeschäft umfasst:
- Leiter einer Personalabteilung oder Niederlassungsleiter.
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- Bei gesetzlicher Vollmacht
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- Beruht die Vertretungsmacht auf gesetzlicher
Grundlage, ist § 174 BGB jedenfalls direkt
unanwendbar. Das ist z.B. der Fall bei
Organvertretern, deren Befugnisse auf dem
GmbHG oder dem AktG beruhen.
- Gem. § 35 Abs. 2 GmbHG vertreten mehrere
Geschäftsführer die GmbH gemeinschaftlich. Von diesem
Grundsatz der Gesamtvertretung kann durch Satzung
abgewichen werden. Es genügt dafür eine Ermächtigung in
der Satzung zur abweichenden Regelung und ein daraufhin
ergehender Gesellschafterbeschluss. Zulässig ist eine
Einzel- bzw. Alleinvertretungsmacht oder auch
verschiedene Modifizierungen auch gemeinsam mit einem
Prokuristen.
- Werden Befugnisse abweichend vom Gesetz vergeben,
kann in entsprechender Anwendung des § 174 BGB
zurückgewiesen werden.
- Wird die Kündigung durch einen Prokuristen
des Arbeitgebers ausgesprochen und ist die
Prokura im Handelsregister eingetragen und
bekannt gemacht worden, so bedarf es nicht
der Vorlage einer Vollmachtsurkunde.
- Die in § 174 S. 1 BGB dem Adressaten zugebilligte
Zurückweisung des Rechtsgeschäfts hat dieselbe
Rechtsnatur wie die Zurückweisung gem. § 111
BGB. Sie muss demnach durch
empfangsbedürftige Willenserklärung erfolgen,
die sowohl gegenüber dem als Vollmachtgeber
Benannten als auch gegenüber dem Handelnden
abgegeben werden kann.
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- Die Zurückweisung muss wegen fehlender
Vollmachtsurkunde erfolgen (§ 174 S. 1 BGB);
es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich
Vollmacht besteht oder nicht; die
Zurückweisung der Kündigung mangels
Vollmachtsvorlage führt in beiden Fällen zur
Unwirksamkeit der Kündigung.
- Die Zurückweisung nach § 174 BGB muss
unverzüglich (§ 121 BGB) erfolgen, wegen der
Unsicherheiten sollten der Arbeitnehmer oder
sein Vertreter innerhalb 1 Woche handeln.
Erfolgt die Zurückweisung durch einen
Vertreter, bedarf diese
rechtsgeschäftsähnliche Handlung ihrerseits
analog § 174 BGB der Vorlage einer
Vollmachtsurkunde, sonst kann der
Kündigende die Zurückweisung zurückweisen.
- Rechtsfolge der Zurückweisung ist unabhängig
vom Bestehen der Vollmacht die
Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, nicht nur
schwebende Unwirksamkeit. Eine Heilung
oder Genehmigung nach § 177 scheidet aus,
es ist eine Neuvornahme erforderlich.
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- Freistellung
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- Mit Ausspruch der Arbeitgeberkündigung wird
der Arbeitnehmer häufig bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist freigestellt.
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- Beschäftigung
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- Da die vertragsgemäße Beschäftigung Hauptpflicht des
Arbeitgebers (oder zumindest „wesentliche
Nebenpflicht) gem. der §§ 611, 613, 242 BGB i.V. mit
dem Persönlichkeitsrecht ist, kommt eine einseitige
Freistellung ohne vertragliche Vereinbarung nicht oder
nur in den mit einer fristlosen Kündigung
vergleichbaren Fällen in Betracht.
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- Beschäftigungsanspruch
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- Mit Beginn des Arbeitsverhältnisses hat der
Arbeitnehmer während des bestehenden
Arbeitsverhältnisses einen
Beschäftigungsanspruch. Daran ändert sich
grundsätzlich auch mit Ausspruch der Kündigung
während des Laufs der Kündigungsfrist nichts.
- Einseitige Freistellungen gegen den Willen des
Arbeitnehmers kommen in der Praxis im
Vorfeld von Diebstahlskündigungen oder
ähnlichen strafrechtsrelevanten Vorgängen in
Betracht, beispielsweise um den
Arbeitnehmer während der notwendigen Zeit
der Betriebsratsanhörung nicht zu
beschäftigen.
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- Die Freistellungserklärung des Arbeitgebers ist
also ein Angebot zum Abschluss einer
Freistellungsvereinbarung ist, deren Inhalt
durch Auslegung (§ 133 BGB § 157 BGB) zu
ermitteln ist. Dieses Angebot wird in der Praxis
regelmäßig vom Arbeitnehmer über § 151
BGB angenommen, also dadurch, dass der
Arbeitnehmer nicht mehr zur Arbeit erscheint
bzw. von dieser fernbleibt.
- In Arbeitsverträgen findet sich deswegen die
vorweggenommene Freistellungsvereinbarung
für den Fall einer Kündigung während des
Laufs der Kündigungsfrist. Eine solche
einseitige Freistellung ist aber allenfalls aus
sachlichem Grund zulässig .
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- Widerrufliche Freistellung ohne zusätzliche
Erklärungen
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- Erklärt sich der Arbeitgeber nicht, ob er
widerruflich oder unwiderruflich freistellt,
handelt es sich um eine nur widerrufliche
Freistellung.
- Beispiel: „Ich stelle Sie hiermit von der
Erbringung der Arbeitsleistung frei“ oder:
„Ich stelle Sie hiermit widerruflich von der
Erbringung der Arbeitsleistung frei“.
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- Hinsichtlich des anderweiten Verdienstes
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Die widerrufliche Freistellung führt zu den
Rechtsfolgen des § 615 S. 1 BGB und damit
auch des § 615 S. 2 BGB.
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- Böswilliges Unterlassen hingegen scheidet
wohl aus, weil ja der Arbeitnehmer jederzeit
mit dem Widderruf der Freistellung rechnen
muss.
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- Hinsichtlich des Wettbewerbsverbots
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- Das vertragliche Wettbewerbsverbot aus § 60
HGB bleibt während der unwiderruflichen
Freistellung bestehen.
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- In Bezug auf Urlaub
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- Da die Erklärung keine Aussage zum Urlaub
enthält, ist sie auch nicht geeignet, Urlaub zu
erteilen oder abzugelten.
- Freistellung mit Erklärung zum Urlaub
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- „Gemäß Punkt 8 III Ihres Arbeitsvertrags vom
10. 10. 2002 stellen wir Sie ab sofort bis auf
Widerruf unter Fortzahlung der Bezüge und
unter Anrechnung Ihres Resturlaubsanspruchs
und dem Guthaben auf dem Gleitzeit‑
/Freizeitkonto von jeglicher Arbeit frei”.
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- Das BAG vertritt die Auffassung, dass mit
dieser widerruflichen Freistellung der
Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden konnte.
Der Urlaub ist nach dieser Erklärung nämlich
nicht als eigenständiger Teil, sondern nur als
Annex zur Freistellung erteilt, d.h. er steht
und fällt mit der widerruflichen Freistellung.
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- Nicht unwiderrufliche Widerrufliche Freistellung und
eigenständiger Urlaub
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- Die folgende Erklärung lag dem Urteil des BAG vom
14.03.2006 zugrunde.
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- „Bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses
werden Sie unter Fortzahlung der Bezüge und unter
Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche sowie
noch nicht abgegoltener Zeitguthaben von der
Arbeitsleistung freigestellt”.
- Das BAG sieht hierin eine wirksame Urlaubserteilung,
obwohl die Formulierung „unwiderruflich“ nicht verwendet
wurde, denn hat der Arbeitgeber die Leistungszeit
bestimmt, in der der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers
i.S. von § 362 Absatz I BGB erfüllt werden soll, und sie dem
Arbeitnehmer auch mitgeteilt, hat er als Schuldner des
Urlaubsanspruchs die für die Erfüllung dieses Anspruchs
erforderliche Leistungshandlung i.S. von § 7 Absatz I BUrlG
vorgenommen. An den Inhalt dieser Erklärung ist er
gebunden. Diese Bindung muss nicht durch eine
gesonderte Erklärung der Unwiderruflichkeit
deklaratorisch wiederholt werden.
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- Zum gleichen Ergebnis kommt das BAG vom 6.
9. 2006 lag folgende Freistellungserklärung zu
Grunde:
- Des Weiteren stelle ich Sie mit dem Ablauf
des 15. 1. 2004 von der weiteren Arbeit frei.
Bitte melden Sie sich sofort zum 16. 1. 2004
bei dem für Ihren Wohnsitz zuständigen
Arbeitsamt arbeitslos. Sie sind dann ab dem
16. 1. 2004 berechtigt, Arbeitslosengeld zu
beziehen. Nicht genommenen Urlaub
nehmen Sie bitte im Rahmen der Freistellung.
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- Das BAG zieht hieraus die Schlussfolgerung, dass der Arbeitgeber
den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers dadurch erfüllen (kann),
dass er dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, die konkrete Lage
des Urlaubs innerhalb eines bestimmten Zeitraums selbst zu
bestimmen.
- Wenn der Arbeitgeber die genaue zeitliche Lage des Urlaubs und
die Zahl der Urlaubstage nicht festlegt, kann der Arbeitnehmer
daraus regelmäßig entnehmen, dass ihm der Arbeitgeber entweder
die gesamte Zeit der Kündigungsfrist als Urlaub gewährt, oder dass
der Arbeitgeber es ihm überlässt, zumindest die zeitliche Lage der
ihm zustehenden Urlaubstage innerhalb des vorbehaltlos
gewährten Freistellungszeitraums zu bestimmen.
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- Ausdrücklich widerruflich ausgesprochene
Freistellung und Urlaub
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- Auch eine widerrufliche Freistellung kann mit
der Urlaubsanrechnung „kombiniert“ werden,
sobald der Arbeitgeber deutlich genug erklärt,
dass die Freistellung zwar widerruflich, der
Urlaub aber unwiderruflich ist.
- Die Erklärung
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- „Hiermit erteile ich Ihnen für die Zeit vom 01.01.2011
bis zum 10.02.20011 ihren Urlaub, für die restliche
Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist werden sie
widerruflich freigestellt“
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- ist also kein Widerspruch, sondern eine schlüssige
Erklärung.
- Problematisch bleiben letztlich die Fälle der
ausdrücklich erklärten widerruflichen
Freistellung unter Erteilung von
(unwiderruflichen Urlaub). Die Erklärung
•
- hiermit stelle ich sie widerruflich von der
Arbeitspflicht frei und erteile Ihnen bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist Urlaub.
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- ist ein Widerspruch in sich:
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- Vorsorgliche Urlaubsgewährung
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- Der Arbeitgeber kann den Urlaub auch vorsorglich für den Fall
gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder
außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Die
vorsorgliche Urlaubsgewährung liegt im wohlverstandenen
Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von
Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu
verhindern. Der Arbeitgeber erfüllt hingegen den sich aus einem
Arbeitszeitkonto ergebenden Freizeitausgleichsanspruch
regelmäßig durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht,
Arbeitsleistungen zu erbringen. Diese kann auch widerruflich
erfolgen.
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- Unwiderrufliche Freistellung
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- Die unwiderrufliche Freistellung macht wie
gesehen in Kombination mit dem Urlaub keine
Probleme. Urlaub ist unwiderruflich, die
Freistellung auch. Die unwiderrufliche
Freistellung hat allerdings bezüglich des § 615
BGB und hinsichtlich des Wettbewerbsverbots
andere Konsequenzen.
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- Erlassvertrag nach § 615 S. 1 BGB
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- Der Arbeitgeber bleibt in der Freistellungsphase zur Zahlung der vereinbarten
Vergütung verpflichtet (§ 611 Absatz I BGB). Nach § 615 S. 2 BGB ist der Wert
desjenigen, was der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs aus einer
anderweitigen Verwendung seiner Dienste erwirbt, auf die vom Arbeitgeber nach
§ 615 S. 1 BGB i.V. mit § 611 BGB geschuldete Vergütung anzurechnen.
- § 615 BGB ist abdingbar. Durch die unwiderrufliche Freistellung kann die
Beschäftigungspflicht aus § 615 S. 1 BGB vertraglich abbedungen werden. Dies hat
Konsequenzen für die Anrechnungspflicht aus § 615 S. 2 BGB. Die
Anrechnungspflicht des § 615 S. 2 BGB setzt nämlich notwendig Annahmeverzug
aus S. 1 voraus. Ist der aber abbedungen, gibt es auch keine Anrechnung, der
Arbeitgeber kann mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten.
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- Angebot ohne Anrechnungsbestimmung
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- Erklärt der Arbeitgeber im Rahmen seiner
Freistellungserklärung, „zugleich werden Sie ab sofort
unwiderruflich (unter Aufrechnung auf Urlaubsansprüche)
von der Arbeit freigestellt, ist das das Angebot zum
Abschluss eines Erlassvertrags. Bleibt der Arbeitnehmer
nun der Arbeit fern, kommt der Erlassvertrag zustande
(Annahme durch § 151 BGB). Ein in der Freistellungsphase
erzielter Zwischenverdienst ist nicht anzurechnen.
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- Angebot mit Anrechnungsbestimmung
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- Ein Erlassvertrag gem. § 615 S. 2 BGB scheidet
allerdings aus, wenn die Freistellungserklärung des
Arbeitgebers die Anrechnung anderweiten Verdienstes
vorsieht. Dann kann nur ein Freistellungsvertrag ohne
Erlassnach § 615 S. 2 BGB zustande kommen. Das BAG
hatte mit Urteil vom 6.9.2006 folgende Erklärung zu
bewerten, die keinen Erlass beinhaltete:
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- „Sollten Sie vor Ablauf der Kündigungsfrist
ein neues Arbeitsverhältnis eingehen
können, darf ich Sie bitten, unter Angabe des
Eintrittsdatums bei dem neuen Arbeitgeber
und ihrer vertraglichen Bezüge eine
Mitteilung an mich zu machen“
- Soll durch die Freistellung Urlaub gewährt werden, ist ein
während des Urlaubs anderweitig erzielter Erwerb auf das
vom Arbeitgeber geschuldete Arbeitsentgelt nicht
anzurechnen. Die Pflichten des Arbeitgebers nach §§ 1, 3
BUrlG zur Urlaubsgewährung und dementsprechend zur
Fortzahlung der Vergütung während des Urlaubs stehen
nicht unter der Einschränkung, dass der Arbeitnehmer
während des Urlaubs nicht erwerbstätig ist. Auch wenn der
Arbeitnehmer entgegen seiner Pflicht nach § 8 BUrlG
während seines Urlaubs erwerbstätig wird, entfällt dadurch
weder sein Urlaubsanspruch noch die Grundlage für seinen
Entgeltanspruch.
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- Anderweitige Beschäftigung und Wettbewerb
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- Ein Arbeitnehmer ist während eines Arbeitsverhältnisses
nicht gehindert, für einen anderen Arbeitgeber tätig zu
sein. Er kann vielmehr im Rahmen der AZO so viele
Tätigkeiten ausüben, wie er möchte. Das folgt aus seinen
Grundrechten gem. Art. 12 I GG bzw. 2 I GG. Deswegen darf
er aber nicht schrankenlos tätig werden, sondern es
müssen die berechtigten Interessen des Arbeitgebers am
Unterbleiben einer Konkurrenztätigkeit gewahrt bleiben.
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- BAG vom 6.9.2006
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- Das BAG hatte am 6.9.2006 folgende Erklärung zu
beurteilen:
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- „Sollten Sie vor Ablauf der Kündigungsfrist ein neues
Arbeitsverhältnis eingehen können, darf ich Sie bitten,
unter Angabe des Eintrittsdatums bei dem neuen
Arbeitgeber und ihrer vertraglichen Bezüge eine
Mitteilung an mich zu machen, da dies für die Ermittlung
Ihrer Masseschuldansprüche bedeutsam ist“.
•
- Der 5. Senat führt aus, bei einer unwiderruflichen
Freistellung unter dem Vorbehalt der
Anrechnung etwaigen anderweitigen
Verdienstes kann der Arbeitnehmer gem. § 157
BGB in der Regel davon ausgehen, in der
Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht
mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60
HGB) gebunden zu sein.
- Bietet der Arbeitgeber hingegen einen Erlassvertrag an, sieht er
also von der Anrechnung anderweiten Verdienstes ab, verbleibt es
beim vertraglichen Wettbewerbsverbot:
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- Ist die Freistellungserklärung des Arbeitgebers dahingehend
auszulegen, dass abweichend von § BGB § 615 S. 2 BGB eine
Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht erfolgen soll, kann der
Arbeitnehmer redlicherweise nicht ohne ausdrückliche Erklärung
des Arbeitgebers annehmen, der Arbeitgeber habe auf die
Einhaltung des vertraglichen Wettbewerbsverbots verzichtet. Denn
wenn der Arbeitgeber einen weiteren Verdienst nicht anrechnen
will, kann er regelmäßig erwarten, der Arbeitnehmer erziele diesen
Verdienst nicht durch Wettbewerbstätigkeit.
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- BAG vom 25.4.1991
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- Problematisch für die Praxis ist aber weiterhin ein Urteil des BAG
vom 25.4.1991. Nach Ansicht des BAG ist der Arbeitnehmer sogar
noch nach Ablauf der Kündigungsfrist an das vertragliche
Wettbewerbsverbot gebunden, wenn er Kündigungsschutzklage
gegen die Kündigung erhebt, und zwar so lange, bis der Rechtsstreit
abschließend entschieden ist. Verstößt er gegen das
Wettbewerbsverbot, kommt eine (weitere) fristlose Kündigung in
Betracht. Vor diesem Hintergrund kann auch die Arbeitsagentur den
Arbeitnehmer nicht verpflichten, eine wettbewerbswidrige Tätigkeit
aufzunehmen.
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- Praxistipp
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- Der Arbeitnehmervertreter sollte das Problem nach
Möglichkeit offen und frühzeitig mit dem Ziel ansprechen,
dass der Arbeitgeber den Mandanten vom vertraglichen
Wettbewerbsverbot befreit. Hieran hat auch der
Arbeitgeber wegen der Anrechnung anderweiten
Verdienstes ein Interesse. In Betracht kommt dies
beispielsweise in der (gescheiterten) Güteverhandlung, wo
eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers zu
Protokoll erklärt werden kann. Ein entsprechendes
Schreiben kann folgenden Inhalt haben:
- Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch
•
- Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist besteht ein aus dem Persönlichkeitsrecht
resultierender Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Unter
einem Weiterbeschäftigungsanspruch versteht man das Recht des
Arbeitnehmers, in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt zu werden,
dessen Bestand vom Arbeitgeber bestritten wird. Der
Weiterbeschäftigungsanspruch setzt also für gewöhnlich nach
Ablauf der Kündigungsfrist ein und kann in den Instanzen ganz
unterschiedlich ausfallen.
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- Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Urteil 1.
Instanz
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- Nach Ablauf der Kündigungsfrist überwiegt nach
der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG
vom 27.2.1985 das Interesse des Arbeitgebers an
der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers.
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- Ausnahmen: wenn sich die Unwirksamkeit bereits aus dem
unstreitigen Sachverhalt ohne Beurteilungsspielraum
jedem Kundigen aufdrängt, d.h. die Unwirksamkeit ohne
jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher oder tatsächlicher
Hinsicht offen erkennbar ist. Das wird angenommen, wenn
die Kündigung ohne Beteiligung des Betriebsrats
ausgesprochen ist (§ 102 I 3) oder gegen die §§ 85 ff. SGB
IX, 9 MuSchG, 103 BetrVG verstößt oder wegen
Gewerkschaftszugehörigkeit erfolgt und dies eindeutig
erkennbar ist.
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- Urteil 1. Instanz
•
- Wird die Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht
zugesprochen, so überwiegen regelmäßig die
Interessen des Arbeitnehmers an der
Weiterbeschäftigung; er ist bis zum Urteil des
Landesarbeitsgerichts wieder im Betrieb zu
beschäftigen, sofern wiederum keine besonderen
Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse
des Arbeitgebers begründen.
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•
- Diese besonderen Gründe könnten nach der
Rechtsprechung des BAG schon in einem Auflösungsantrag
des Arbeitgebers bestehen. Durch einen zulässigen
Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG soll
nach der Auffassung des 8. Senats eine Ungewissheit über
den Ausgang des Kündigungsprozesses begründet werden
und ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der
Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die
Dauer des Kündigungsprozesses i.S. der Entscheidung des
Großen Senats des BAG vom 27. 2. 1985 bestehen. Das gilt
auch dann, wenn der Arbeitgeber den (zulässigen)
Auflösungsantrag erst in der Berufung stellt.
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- Wird die Kündigungsschutzklage vom
Arbeitsgericht abgewiesen, so überwiegt
hingegen auch ohne Auflösungsantrag das
Interesse des Arbeitgebers an der
Nichtbeschäftigung; der Arbeitnehmer ist
weiterhin nicht im Betrieb zu beschäftigen.
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- Urteil 2. Instanz
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- Spricht das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des
Arbeitnehmers die Kündigungsschutzklage zu, so ist der
Arbeitnehmer im Betrieb wieder zu beschäftigen.
Weist das LAG in Übereinstimmung mit dem
Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab, so bleibt
der Arbeitnehmer von der Weiterbeschäftigung im
Betrieb ausgeschlossen. Weist es die Klage in
Abweichung vom Arbeitsgericht ab, so hat der
Arbeitnehmer den Betrieb wieder zu verlassen.
- Vergütungsfolgen
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- Obsiegt der Arbeitnehmer in seinem
Kündigungsschutzprozess, ist der Arbeitgeber
gem. §§ 611 I 615 S. 1 BGB zur Entgeltzahlung
verpflichtet, ohne dass es eines Angebots des
Arbeitnehmers bedurfte.
•
•
- Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
während des Prozesses beschäftigt und nur
ein niedrigeres Entgelt gezahlt, ist der
Unterschiedsbetrag nachzuzahlen, wenn der
Arbeitnehmer obsiegt.
•
- Verliert der Arbeitnehmer allerdings in 2. oder 3.
Instanz (nach zunächst zugesprochenem
Weiterbeschäftigungsanspruch 1. oder 2. Instanz),
hängen seine Vergütungsansprüche von der
Handhabung des Weiterbeschäftigungsanspruchs ab.
Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch führt
weder zur Fortsetzung des ursprünglichen
Arbeitsverhältnisses noch zu einen faktischen
Arbeitsverhältnis, sondern richtet sich nach den
Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung. Dies
hat folgende Konsequenzen.
•
- Hat der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit
nicht gearbeitet und auch keine Vereinbarung
mit seinem Arbeitgeber getroffen, hat er auch
keinen Vergütungsanspruch. Das Obsiegen im
Kündigungsschutzprozess 1. Oder 2. Instanz
hätte dann also nichts gebracht.
•
- Vereinbaren die Parteien ausdrücklich die Weiterbeschäftigung auf
Grundlage des ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruchs, führt dies
bei der Rückabwicklung zu den Grundsätzen des faktischen
Arbeitsverhältnisses mit der Folge, dass auch im Krankheitsfalle Lohn
geschuldet wird. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf das Entgelt
ungeachtet des Ausgangs des Rechtsstreits auf Grundlage der
Vereinbarung, die auflösend bedingt bis zur Rechtskräftigen Abweisung
des Kündigungsschutzprozesses geschlossen wurde. Eine solche
Vereinbarung wird aber nur dann angenommen, wenn sie ausdrücklich
getroffen wurde. Zahlt der Arbeitgeber hingegen lediglich den Lohn, ohne
den Arbeitnehmer aber zu beschäftigen, wird keine konkludente
Vereinbarung abgeschlossen. Verliert der Arbeitnehmer den
Kündigungsschutzprozess, ohne tatsächlich gearbeitet zu haben, muss er
jetzt alles wieder nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zurückzahlen.
•
- Erfolgt die tatsächliche Beschäftigung zur
Abwendung der Zwangsvollstreckung, finden
ebenfalls die §§ 812 BGB Anwendung. Nur kann
der Arbeitnehmer jetzt den Lohn behalten, weil
er tatsächlich gearbeitet hat. Die Arbeitsleistung
kann vom Arbeitgeber nicht mehr herausgegeben
werden, er muss nach § 818 Abs. 2 BGB den
objektiven Wert der Arbeitsleistung ersetzen.
- Im Ergebnis heißt das für den Arbeitnehmer, der
irgendwann im Verfahren einen allgemeinen
Weiterbeschäftigungsanspruch zugesprochen
bekam, aus vergütungsrechtlicher Sicht, dass er
entweder eine Vereinbarung mit dem
Arbeitgeber trifft oder die Beschäftigung
vollstreckt, wozu er freilich nicht verpflichtet ist.
•
•
- Weiterbeschäftigungsantrag
•
- Der Antrag
•
- „Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen
Bedingungen als Angestellter über den Ablauf der
Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen”.
•
- ist nach dem Beschluss des BAG vom 15. 4. 2009nicht zu
beanstanden.
- Einstweilige Verfügung
•
•
- Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
•
- Im ungekündigten Arbeitsverhältnis und bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist besteht ein
Beschäftigungsanspruch und damit auch die
Möglichkeit, diesen im Wege der einstweiligen
Verfügung durchzusetzen.
•
•
- Praktisch relevant sind arbeitsvertragliche Regelungen
zur Freistellung während der Kündigungsfrist und vor
allem die Urlaubserteilung. Der Arbeitnehmer wird sich
nicht mit dem Argument wehren können, er wolle
lieber Urlaubsabgeltung nach Ablauf der
Kündigungsfrist als Urlaub während der
Freistellungsphase. Hat er aber schon vor der
Kündigung Urlaub außerhalb der Kündigungsfrist
erhalten, wird dies nicht mehr rückabwickelbar sein.
•
•
- Ob ein Verfügungsgrund erforderlich, ist umstritten.
Sieht man den Beschäftigungsanspruch mit dem BAG
als Grundrechtsposition, ist allein der Zeitablauf der
Verfügungsgrund; die Beschäftigung am Tage X kann
nicht nachgeholt werden. Ist man aber mit anderen
LAGs der Ansicht, es brauche dennoch einen
Verfügungsgrund, muss dieser vorgetragen werden. In
Betracht kommt das Interesse, seine beruflichen
Chancen zu erhalten.
•
•
- Nach Ablauf der Kündigungsfrist (Weiterbeschäftigungsanspruch)
•
- Mit einem obsiegenden Urteil 1. Instanz hat der Arbeitnehmer
einen Beschäftigungsanspruch aufgrund der „Richtigkeitsgewähr
des erstinstanzlichen Urteils“, allerdings auch die Möglichkeit eines
Titels. Er hätte mit dem Kündigungsschutzantrag einen
uneigentlichen Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung stellen können
und auch stellen müssen, so dass er einen vollstreckbaren Titel hat
oder zumindest hätte haben können. Aus diesem Grund wird der
Verfügungsgrund von der herrschenden Ansicht verneint, eine
einstweilige Verfügung scheidet aus.
•
•
- Weiterbeschäftigungsantrag des § 102 Abs. 5 BetrVG
•
- Der betriebsverfassungsrechtliche
Weiterbeschäftigungsanspruch und demzufolge auch
die hieraus resultierende Vergütungspflicht sind anders
als der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nicht
vom Ausgang des Prozesses abhängig. Selbst wenn die
Kündigungsschutzklage rechtskräftig in allen 3
Instanzen abgewiesen wird, bleibt es beim
Annahmeverzug aus § 102 Abs. 5 BetrVG.
•
•
- Voraussetzungen des § 102 V BetrVG
•
- Die Anspruchsvoraussetzungen für den
Weiterbeschäftigungsanspruch sind in § 102
Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 normiert.
- Ordentliche Kündigung
•
- Der Weiterbeschäftigungsanspruch setzt
zunächst eine ordentliche Kündigung voraus.
Eine außerordentliche Kündigung führt nicht zu
einem Weiterbeschäftigungsanspruch, und zwar
auch nicht die verbundene Kündigung.
•
•
- Bei der Änderungskündigung nach § 2 KSchG kommt es
darauf an. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot
ab, ohne sein Vorbehaltsrecht nach § 2 KSchG geltend zu
machen, entsteht die gleiche Rechtslage wie bei der
ordentlichen Kündigung. Bei Vorliegen der weiteren
Voraussetzungen besteht ein
Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 V BetrVG. Nimmt
der Arbeitnehmer hingegen das Änderungsangebot nur
unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der
Änderung an, so besteht nach h.M. kein Anspruch auf
vorläufige Weiterbeschäftigung zu unveränderten
Arbeitsbedingungen.
•
•
- Fristgemäßer Widerspruch
•
- § 102 V BetrVG setzt weiter voraus, dass der
Betriebsrat der ordentlichen Kündigung frist– und
ordnungsgemäß widersprochen hat. Nach § 102 III
i.V.m. II S. 1 BetrVG muss der Widerspruch binnen
einer Woche beim Arbeitgeber erhoben werden. Der
Fristenlauf beginnt mit dem Zugang der Erklärung des
Arbeitgebers über seine Kündigungsabsicht bei einem
empfangsberechtigten Betriebsratsmitglied.
•
•
- Beschluss nach § 33 BetrVG
•
- Formell Ordnungsgemäß ist nur der Widerspruch, der
nach Beschlussfassung (§ 33 BetrVG) schriftlich und
begründet erhoben wird. Das bedeutet also, dass der
nicht ordnungsgemäß zustande gekommene und damit
nichtige Beschluss die Tatbestandsvoraussetzungen des
Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht erfüllt, so dass
der Anspruch nicht besteht. Nichtige
Betriebsratsbeschlüsse begründen keinen
Vertrauensschutz für den Arbeitnehmer.
- Der Betriebsrat muss seine
Widerspruchsgründe durch Angaben von
konkreten Tatsachen erläutern, der
vorgetragene Sachverhalt muss einen der
Gründe des Abs. 3 als möglich erscheinen
lassen. Nicht erforderlich ist, dass die
Tatsachen schlüssig einen Widerspruchsgrund
ergeben.
- Widerspruchsgründe
•
- Der Betriebsrat kann sich nun auf folgende
Widerspruchsgründe berufen, wobei es sich
um eine abschließende Aufzählung handelt.
•
•
- Fehlerhafte soziale Auswahl (§ 102 Abs. 3 Nr. 1)
•
- Dieser – nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht
kommende Widerspruchsgrund – erfordert vom Betriebsrat die
Darlegung, dass die vom Arbeitgeber getroffene soziale Auswahl
fehlerhaft ist, weil soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht
ausreichend berücksichtigt wurden oder aber zu Unrecht
Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbezogen worden sind.
Der Betriebsrat kann den Widerspruch auch darauf stützen, dass die
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen freien
Arbeitsplatz möglich sei und der Arbeitgeber bei der Auswahl der
Arbeitnehmer, die um den freien Arbeitsplatz konkurrieren, die
sozialen Belange nicht ausreichend berücksichtigt habe. Beruht die
soziale Auswahl auf einer Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG und
hält sich der Arbeitgeber an die zulässigerweise vereinbarten
Kriterien, kann der Betriebsrat nicht mehr widersprechen.
- Verstoß gegen Auswahlrichtlinie (Abs. 3 Nr. 2)
•
- Der Betriebsrat kann weiterhin widersprechen, wenn die
Kündigung gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG
verstößt. Er muss dabei die Richtlinie bezeichnen und die
Tatsachen angeben, aus denen sich der Verstoß gegen die
Auswahlrichtlinie ergibt.
•
•
•
•
- Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen
Arbeitsplatz (Abs. 3 Nr. 3)
•
- Der Widerspruch kann darauf gestützt werden, dass der
Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben
Betrieb oder in einem anderen Betrieb des gleichen
Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann.
- Der Widerspruchsgrund kommt nicht nur bei
betriebsbedingten Kündigungen in Betracht, sondern auch
bei Verhaltens und bedingten Kündigungen, sofern die
Gründe für die Kündigung auf dem neuen Arbeitsplatz
entfallen.
- Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach
Umschulung oder Fortbildung (Abs. 3 Nr. 4)
•
- Voraussetzung für diesen Widerspruchsgrund ist,
dass durch die Umschulung oder
Fortbildungsmaßnahme der Kündigungsgrund
entfällt. Der Arbeitnehmer muss damit
einverstanden und die Umschulungs- oder
Fortbildungsmaßnahme für ihn zumutbar sein.
•
•
- Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen mit
Einverständnis des Arbeitnehmers (Abs. 3 Nr. 5)
•
- Diese letzte Widerspruchsvariante setzt voraus, dass der Arbeitnehmer
(gegenüber dem Betriebsrat) sein Einverständnis damit erklärt, unter
geänderten (schlechteren) Vertragsbedingungen zu arbeiten. Diese
Einverständniserklärung kann – genauso wie bei der Änderungskündigung
– unter dem Vorbehalt erklärt werden, dass eine Änderung der
Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist.
- Spricht der Arbeitgeber darauf hin statt einer Beendigungskündigung eine
Änderungskündigung aus, hat sich der Widerspruchsgrund „erledigt“ und
der Arbeitnehmer kann eine Änderungsschutzklage erheben. Belässt es
der Arbeitgeber bei der Beendigungskündigung, kann der Arbeitnehmer
Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen auf Grundlage dieser
Alternative verlangen.
- Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers
•
- Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 V
BetrVG setzt weiter voraus, dass der Arbeitnehmer
nach dem KSchG Klage auf Feststellung erhoben hat,
dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht
aufgelöst ist. Aufgrund der Erweiterung des
Anwendungsbereichs des § 4 KSchG reicht auch eine
Klage vor Ablauf der Wartefrist oder im
betriebsratsfähigen Kleinbetrieb
- Nimmt der Arbeitnehmer seine
Kündigungsschutzklage zurück oder stellt er
im Prozess nach § 9 KSchG den Antrag, das
Arbeitsverhältnis aufzulösen, so entfällt ab
diesem Zeitpunkt sein
Weiterbeschäftigungsanspruch.
•
•
- Verlangen des Arbeitnehmers
•
- Letzte Tatbestandsvoraussetzung des § 102 V
BetrVG ist das Verlangen des Arbeitnehmers,
weiterbeschäftigt zu werden. .
•
- Hinweis: Das tatbestandliche Verlangen der
Weiterbeschäftigung hat nichts mit der späteren
Umsetzung des Anspruchs, also der gerichtlichen
Durchsetzung der Weiterbeschäftigung zu tun. Der
Arbeitnehmer ist zwar an sein
Weiterbeschäftigungsverlangen gebunden, er ist aber frei
darin, den nächsten Schritt zu gehen und die
Weiterbeschäftigung auch tatsächlich durchzusetzen.
Macht er die Weiterbeschäftigung nicht gerichtlich geltend
(2. Stufe), behält er gleichwohl seinen Vergütungsanspruch.
Verlangt er aber erst gar nicht die Weiterbeschäftigung (1.
Stufe), entsteht der Anspruch überhaupt nicht.
•
- Der 2. Senat des BAG hat erkannt, dass das
Verlangen auch dann noch rechtzeitig erfolgt
ist, wenn es am ersten Arbeitstag nach Ablauf
der Kündigungsfrist geltend gemacht wird.
•
•
- Rechtsfolgen der Weiterbeschäftigung
•
- Nach herrschender Ansicht handelt es sich bei der vorläufigen
Weiterbeschäftigung nach § 102 V BetrVG um die Fortsetzung des
alten, durch Arbeitsvertrag begründeten Arbeitsverhältnisses,
auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der
Kündigungsschutzklage ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit der
ausgesprochenen Kündigung. Der Weiterbeschäftigungsanspruch
des § 102 Abs. 5 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz führt mithin zu
einer faktischen Verlängerung der Kündigungsfrist bis zum Ende des
Kündigungsschutzprozesses, selbst wenn die Kündigung wirksam ist.
Dem Arbeitnehmer stehen diejenigen Rechte zu, die ihm in einem
ungekündigten Arbeitsverhältnis zugestanden haben.
•
- Darlegungs- und Beweislast
•
- Der Arbeitnehmer kann entweder die
Weiterbeschäftigung verlangen oder sich darauf zu
beschränken, seine Vergütungsansprüche geltend zu
machen. Er ist darlegungs- und beweisbelastet für das
Bestehen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 5
BetrVG. Anders als im Anhörungsverfahren nach § 102
Abs. 5 gilt die Sphären-Theorie hier nicht.
•
•
- Vergütungsfolgen
•
- Die Vergütungsfolgen hängen nicht davon ab,
ob Weiterbeschäftigung tatsächlich erfolgt ist,
aber davon, dass sie zumindest geltend
gemacht wurde.
•
- Kein Weiterbeschäftigungsverlangen
•
- Verlangt der Arbeitnehmer trotz Vorliegens der Voraussetzungen
des § 102 V BetrVG keine vorläufige Weiterbeschäftigung (etwa
weil er die Möglichkeit überhaupt oder die Frist übersehen hat),
kann er für die Prozessdauer gleichwohl Entgeltfortzahlung nach §
615 BGB verlangen, wenn er im Kündigungsschutzprozess obsiegt.
Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage setzt der
Arbeitnehmer den Arbeitgeber in Annahmeverzug gem. § 615 BGB,
der auch dann bestehen bleibt, wenn er keine Weiterbeschäftigung
nach § 102 V BetrVG verlangt.
•
•
- Weiterbeschäftigungsverlangen
•
- Verlangt der Arbeitnehmer aber die Weiterbeschäftigung und lehnt
der Arbeitgeber ab, dann steht dem Arbeitnehmer (unter den
Voraussetzungen des § 102 V BetrVG der Anspruch auf
Entgeltfortzahlung nach §§ 611, 615 BGB unabhängig vom Ausgang
des Kündigungsrechtsstreits für die Prozessdauer, also auch dann
zu, wenn er in allen Instanzen (!) unterliegt. Das gilt unabhängig
davon, ob der Arbeitnehmer gearbeitet hat oder nicht. Denn wenn
alle Voraussetzungen des § 102 V BetrVG vorliegen, endet das
Arbeitsverhältnis erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsrechtsstreits, so dass sich der Arbeitgeber bis dahin im
Annahmeverzug befindet.
•
- Die Durchsetzung der tatsächlichen
Weiterbeschäftigung durch den Arbeitnehmer
•
- Die tatsächliche Weiterbeschäftigung aus § 102
BetrVG kann im Wege der einstweiligen
Verfügung durchgesetzt werden. Der
Arbeitnehmer muss die von ihm darzulegenden
Umstände, das sind die Voraussetzungen des §
102 V 1 BetrVG, glaubhaft machen.
- Umstritten ist, ob neben dem
Verfügungsanspruch auch ein
Verfügungsgrund zur
Dringlichkeitsbegründung darzulegen ist. Ein
Teil der Landesarbeitsgerichte verneint das,
ein anderer Teil verlangt einen
Verfügungsgrund.
•
- Problematisch sind Fälle, in denen der Arbeitnehmer zunächst
während des Laufs der Kündigungsfrist freigestellt war, seine
Beschäftigung in dieser Zeit nicht im Wege der einstweiligen
Verfügung durchgesetzt hat und nach Ablauf der Kündigungsfrist
auf Grundlage von § 102 Abs. 5 BetrVG eine einstweilige Verfügung
beantragt. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat einen solchen
Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, nach Monaten der
Freistellung fehle die Eilbedürftigkeit. Macht der Arbeitnehmer den
Anspruch hingegen zu früh, also weit vor Ablauf der Kündigungsfrist
geltend, kann ihm das Rechtsschutzinteresse (noch) fehlen und die
Rechtskraft der abweisenden Entscheidung einem neuen Verfahren
entgegenstehen.
•
•
- Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers
•
- Der Arbeitgeber kann in die Offensive gehen und den
Annahmeverzug dadurch beenden, dass er dem
Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung aus § 102
BetrVG bis zur Rechtskraft des
Kündigungsschutzprozesses anbietet und hofft, dass
der Arbeitnehmer ablehnt. Mit dem Verlangen der
Weiterbeschäftigung wird nämlich nicht nur der
Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung,
sondern auch seine Verpflichtung hierzu begründet.
- Der Arbeitgeber kann ferner das
Arbeitsverhältnis (nicht den
Weiterbeschäftigungsanspruch) kündigen. Es
handelt sich um eine erneute Kündigung unter
Beachtung der neuen Kündigungsfristen.
•
•
- Aktive Geltendmachung durch den
Arbeitnehmer
•
- Macht der Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung
oder Verzugslohn aktiv im Prozess geltend,
kann sich der Arbeitgeber hiergegen
selbstverständlich zunächst durch bestreiten
der Voraussetzungen verteidigen.
•
•
- Tatbestandsvoraussetzungen
•
- Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die
gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen konkret
vorzutragen. Anders als beim
Anhörungsverfahren des § 102 BetrVG greift die
Sphärentheorie hier also nicht.
•
•
- Auf Befreiung von der Weiterbeschäftigung
•
- Will der Arbeitgeber sich auf einen
Befreiungsgrund des § 102 V 2 BetrVG
berufen, muss er ein gesondertes eigenes
einstweiliges Verfügungsverfahren
beantragen (§ 102 V S. 2 Ziff. 1 – 3 BetrVG).
- Gem. Ziff. 1
•
Gemäß Ziffer 1 ist der Arbeitgeber von der
Weiterbeschäftigungspflicht zu entbinden, wenn
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet. Unterliegt der
Arbeitnehmer in erster Instanz mit seinem
Kündigungsschutzprozess, so spricht einiges für
fehlende Erfolgsaussichten. Zumindest obliegt es
dann dem Arbeitnehmer, seine Erfolgsaussichten
darzustellen.
- Gem. Ziff. 2
- Sehr schwierig ist es, die unzumutbare wirtschaftliche
Belastung des § 102 Abs. 5 Satz 2 Ziff. 2 BetrVG
darzustellen. Die bloße Verpflichtung zur Weiterzahlung des
Arbeitsentgelts genügt für sich genommen nämlich nicht,
dem Arbeitgeber muss vielmehr ein Liquiditätsverlust
drohen oder nachweisbare Auswirkungen für die
Wettbewerbsfähigkeit müssen bestehen. Teilweise wird
sogar eine Existenzgefährdung des Arbeitgebers für
notwendig gehalten.
•
•
- Gem. Ziff. 3
- Nicht weniger problematisch ist der dritte
Entbindungsgrund, nämlich das Vorliegen eines
offensichtlich unbegründeten Widerspruchs des
Betriebsrats. Auch insoweit gilt ein strenger
Maßstab. Nur dann, wenn sich seine
Grundlosigkeit bei unbefangener Beurteilung
geradezu aufdrängt, greift diese
Entbindungstatbestand.
•
•
- Passives Verhalten des Arbeitnehmers
•
- Weit problematischer ist die Situation, wenn der
Arbeitnehmer zwar die Weiterbeschäftigung
verlangt, aber den Weiterbeschäftigungsanspruch
nicht durchsetzt, sondern die gesamte
Prozessdauer arbeits- und beschäftigungslos ist.
Ob der Arbeitgeber in dieser Konstellation vor
rechtskräftigem Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens Rechtsmittel hat, ist
in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten.
•
•
- Gegen die Anspruchsvoraussetzungen des §
102 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 1 BetrVG
•
- Negative Feststellungsklage § 256 ZPO
- Es spricht zunächst nichts gegen ein
Hauptsacheverfahren auf Feststellung, dass die
Anspruchsvoraussetzungen für den
Weiterbeschäftigungsanspruch nicht gegeben sind. Das
Rechtsschutzbedürfnis für eine negative
Feststellungsklage gem. § 256 ZPO folgt bereits aus
dem Verlangen der Weiterbeschäftigung. Praktisch
jedoch dauert ein Hauptsacheverfahren u.U. genauso
lange wie der Kündigungsschutzprozess und führt allein
deswegen nicht zur gewünschten Rechtssicherheit.
- Einstweilige Verfügung auf negative Feststellung
- Ob der Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung (negativ)
feststellen lassen kann, dass eine Weiterbeschäftigungspflicht nicht
besteht, ist hingegen sehr umstritten. Nach verbreiteter Meinung sind
feststellende einstweilige Verfügungen unzulässig. Begründet wird dies
mit der Funktion der einstweiligen Verfügung. Diese habe
Sicherungscharakter oder diene der einstweiligen Durchsetzung eines
Anspruchs. Feststellende Verfügungen seien aber weder zur Sicherung der
Zwangsvollstreckung noch zur vorläufigen Durchsetzung von Ansprüchen
noch zur verbindlichen Klärung der Rechtslage geeignet. Andere Autoren
wiederum halten es für geboten, dass sich der Arbeitgeber im Interesse
der Rechtssicherheit über die Frage seiner Weiterbeschäftigungspflicht
mittels einstweiliger Verfügung Klarheit verschaffen kann. Erwogen wird
dies als Hilfsantrag im Rahmen einer einstweiligen Entbindungsverfügung.
•
- Praxistipp:
•
- Angesichts der ungeklärten Rechtslage ist dem
Arbeitgebervertreter wiederum vor dem
Hintergrund der gebotenen anwaltlichen
Vorsicht anzuraten, einen entsprechenden
Antrag zu stellen.
- Entbindungsverfügung
- Die Entbindungsverfügung betrifft nicht den
Bestand des Anspruchs aus § 102 Abs. 3
BetrVG, sondern sie dient der Befreiung
hiervon aus besonderen, in Abs. 5 Satz 2 Ziff.
1-3 genannten Gründen.
•
- Das heftig diskutierte Problem ist, ob der
Arbeitgeber in jeder Lage des
Kündigungsschutzverfahrens eine einstweilige
Verfügung beantragen kann oder ob er
vielmehr abwarten muss, bis der
Arbeitnehmer seinerseits auf Beschäftigung
im Wege der einstweiligen Verfügung klagt.
•
•
- Entbindung nur exnunc
- Dahinter verbirgt sich das Problem, dass erst mit Erlass der
Entbindungsverfügung die Lohnfortzahlungsverpflichtung
auf Grundlage von § 102 Abs. 5 BetrVG entfällt. Die
Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht ist eine
rechtsgestaltende Entscheidung des Arbeitsgerichts. Es
handelt sich um ein Gestaltungsurteil, da der Arbeitgeber
eine gerichtliche Entscheidung benötigt. Der
Vergütungsanspruch entfällt nicht rückwirkend sondern
erst nach Vorliegen des Gestaltungsurteils.
•
•
- Meinungsstand
- In Rechtsprechung und Literatur werden ganz
unterschiedliche Meinungen vertreten. Ein Teil der Literatur
und mit ihm ein Teil der Rechtsprechung schränken das
Rechtsschutzbedürfnis für den Entbindungsantrag stark ein.
Eine einstweilige Verfügung dürfe nicht auf Vorrat
beantragt werden und mit ihr könne auch nicht im
Hauptantrag das Ziel der Feststellung verfolgt werden, dass
eine Weiterbeschäftigungspflicht nicht besteht.. Ein
Rechtsschutzbedürfnis für den Entbindungsantrag besteht
nach dieser Ansicht erst dann, wenn eine gerichtliche
Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs
durch den Arbeitnehmer erfolgt ist.
- Nach anderer Ansicht wiederum ist
Rechtsschutzinteresse stets dann zu bejahen,
wenn der Arbeitnehmer seine
Weiterbeschäftigung nach Abs. 5 S. 1 verlangt
hat. Diese Ansicht schränkt die Möglichkeiten
des Arbeitgebers allerdings „andersherum“
ein. Der Arbeitgeber dürfe mit seinem Antrag
nicht allzu lange warten.
- Eine weitere Gruppe vertritt die Ansicht, dass der
Antrag keiner Frist unterliegt und deswegen zu
jedem Zeitpunkt bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzprozesses gestellt
werden kann. Umgekehrt sei auch eine bereits
erhobene Kündigungsschutzklage des
Arbeitnehmers für eine einstweilige Verfügung
erforderlich.
- Das Verfahren
- Das zuständige Verfahren ist das Urteilsverfahren,
da es sich bei dem Entbindungsantrag um einen
individualrechtlichen Anspruch zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer und nicht um eine
Angelegenheit aus dem
Betriebsverfassungsgesetz (§ 2 Absatz I Nr. 4
ArbGG) handelt. Der Antrag des Arbeitgebers
könnte lauten
•
•
- Muster Antrag auf Weiterbeschäftigung
•
•
- Es wird beantragt,
•
- den Antragsteller von der Verpflichtung zur
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers … als
Staplerfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens, Arbeitgericht …, Az …, zu
entbinden.
•
•
- Vollstreckung
•
- Die Vollstreckung des Anspruchs erfolgt gem.
§ 888 I ZPO durch Verhängung von
Zwangsgeld und Zwangshaft. Das Zwangsgeld
ist nicht für jeden Tag der Nichtbeschäftigung,
sondern einheitlich festzusetzen.
•
•