Geschäftsführer und Arbeitsrecht
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BAG: Beschluss vom 26.10.2012 – 10
AZB 60/12
- Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass das Mitglied eines
Vertretungsorgans einer juristischen Person keinen Rechtsstreit vor den Gerichten für
Arbeitssachen führt, solange es dessen Mitglied ist. Nach der Abberufung als
Organmitglied sind die Arbeitsgerichte für die Entscheidung über Ansprüche aus
einem Arbeitsverhältnis des ehemaligen Organmitglieds zuständig. (Orientierungssatz
des Gerichts)
- Macht ein abberufenes Organmitglied im Rahmen einer Kündigungsschutzklage
den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses geltend, so liegt ein sog. sic-non-Fall vor.
Die bloße Rechtsansicht der Klagepartei genügt dann, um den Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten zu eröffnen. Nach der Beendigung der Organstellung und damit nach
dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Gerichte für
Arbeitssachen berufen, über die Frage, ob das zwischen den Parteien bestehende
Rechtsverhältnis tatsächlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und durch eine
ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet wurde, zu entscheiden.
(Orientierungssatz des Gerichts)
Zuständigkeit der
Arbeitsgerichtsbarkeit
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die
Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und
Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen
oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer
Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt
§ 5 ArbGG.
Während der Organstellung
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten jedoch in Betrieben
einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit
Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes,
Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als
Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der
juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen
sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem
Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach
dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen
nicht berufen.
Während der Organstellung
Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende
Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde
liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als
Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der
juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker
interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb
materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines
Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen (BAG 29.
Mai 2012 – 10 AZB 3/12 – Rn. 11 mwN; 23. August 2011 – 10 AZB 51/10 – Rn. 12 mwN,
AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46; 15. März 2011 – 10 AZB 32/10 –
Rn. 11 mwN, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44). An der
Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, wenn zwischen den
Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 6.
Mai 1999 – 5 AZB 22/98 – zu II 3 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG
1979 § 5 Nr. 33) und der Geschäftsführer geltend macht, er sei wegen seiner
eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen (BAG 14. Juni 2006
– 5 AZR 592/05 – Rn. 16, BAGE 118, 278).
Während der Organstellung
Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen,
dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der
juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im
„Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn
die der Organstellung zugrunde liegende Beziehung als
Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 20. August 2003
– 5 AZB 79/02 – zu B I 3 der Gründe, BAGE 107, 165). Für
Ansprüche der Klagepartei aus dem der
Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrag sind
deshalb die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres
zuständig (vgl. BAG 20. Mai 1998 – 5 AZB 3/98 – zu II 1 der
Gründe, NZA 1998, 1247).
Nach der Organstellung
Dabei ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters nicht allein dadurch, dass der Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis nicht zum Arbeitsverhältnis (BAG 25. Juni 1997 – 5 AZB 41/96 – zu II 1 b aa der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 37; 21. Februar 1994 – 2 AZB 28/93 – zu II 3 b bb der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 28).
Nach der Organstellung
Anders kann es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit
nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis
betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Insoweit greift
die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (BAG 23. August 2011
– 10 AZB 51/10 – Rn. 13 mwN, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG
1979 § 5 Nr. 46; 15. März 2011 – 10 AZB 32/10 – Rn. 11 mwN, AP
ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44). Dies ist
beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der
Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer
habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis – wieder – in ein
Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG 6. Mai 1999 – 5 AZB 22/98 – zu II
3 c der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr.
33).
Nach der Organstellung
Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. bspw. BAG 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Juni 2008 – 2 AZR 754/06 – Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Juli 2007 – 6 AZR 774/06 – Rn. 10, BAGE 123, 294). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt (vgl. BAG 15. März 2011 – 10 AZB 32/10 – Rn. 12, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, aaO). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche (BAG 29. Mai 2012 – 10 AZB 3/12 – Rn. 13; 23. August 2011 – 10 AZB 51/10 – Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46).
Arbeitnehmerstatus
Nationales Recht
Während die hM und der BGH in ständiger Rechtsprechung (Staudinger/Richardi
Vorbem § 611 Rz 236 mwN; BGH 9. 2. 78, DB 78, 878; 25. 1. 81, ZIP 81, 367) die
Arbeitnehmereigenschaft eines GmbH-Geschäftsführers grundsätzlich verneinen,
steht das BAG auf dem Standpunkt, dass beim GmbH-Geschäftsführer jedenfalls die
Möglichkeit besteht, dass dieser als Arbeitnehmer einzustufen sei (BAG 15. 4. 82, ZIP
83, 607; 13. 5. 92, ZIP 92, 1496; 6. 5. 99 – 5 AZB 22/98, NZA 99, 839; 26. 5. 99 – 5 AZR
664/98, NZA 99, 987).
Letztlich ist auf den nach der konkreten Vertragsgestaltung gegebenen Grad der für
den Arbeitnehmerstatus maßgeblichen persönlichen Abhängigkeit des
Geschäftsführers abzustellen, für die auch beim Geschäftsführer als wichtigstes
Element eine Weisungsabhängigkeit hinsichtlich der Konkretisierung der Arbeitspflicht
zu fordern ist (BAG 26. 5. 99 – 5 AZR 664/98, NZA 99, 987). Diese Differenzierung
stimmt nicht vollständig mit der europarechtlichen Abgrenzung des ArbNBegriffs
überein, der zudem je nach Rechtsquelle differiert (vgl EuGH 11. 11. 10 – C-232/09
Danosa, NZA 11, 143; Fischer NJW 11, 2329).
BAG, Urteil vom 26. 5. 1999 – 5 AZR 664/98
Das Anstellungsverhältnis einer (stellvertretenden) GmbH-Geschäftsführerin kann im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis sein.
Ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, hängt nicht vom Umfang der Vertretungsbefugnis der (stellvertretenden) Geschäftsführerin im Innenverhältnis nach § 37 Absatz I GmbHG ab, sondern richtet sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung vom freien Dienstverhältnis.
Zur Verbrauchereigenschaft
BAG, Urteil vom 19. 5. 2010 – 5 AZR 253/09 (LAG Hessen Urteil 11. 9. 2008 14/6 Sa 665/08)
NZA 2010, 939
Weder der Abschluss des Anstellungsvertrags noch die Geschäftsführung
einer GmbH stellt eine gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit dar. Die
Geschäftsführung einer GmbH ist keine selbständige, sondern eine
angestellte berufliche Tätigkeit. Maßgeblich für die Einordnung einer
beruflichen Tätigkeit als selbstständig ist neben der weitgehenden Freiheit
von Weisungen, dass die Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung
und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird, so dass das
wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit unmittelbar selbst getragen wird.
Der Geschäftsführer einer GmbH übt aber seine Tätigkeit im Namen und auf
Rechnung der Gesellschaft aus. Überdies unterliegt er im Innenverhältnis den
Weisungen der Gesellschafter. Wenn demgemäß die Geschäftsführung einer
GmbH keine selbstständige Tätigkeit i. S. des § 13 BGB darstellt, so gilt dies
erst recht für den Abschluss des Anstellungsvertrags, jedenfalls dann, wenn –
wie hier – der Geschäftsführer nicht zugleich als Gesellschafter über
zumindest eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die
Gesellschaft ausüben kann.
Europäisches Recht
EuGH (2. Kammer), Urteil vom 11. 11. 2010 – C-232/09 Dita Danosa/LKB Lizzings SIA, NZA 2011,
143
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im
Wesentlichen wissen, ob ein Mitglied der Unternehmensleitung
einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen
erbringt, als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG
anzusehen ist.
EU-einheitliche Auslegung
Nach ständiger Rechtsprechung kann der Begriff des
Arbeitnehmers im Sinne dieser Richtlinie nicht je nach
nationalem Recht unterschiedlich ausgelegt werden; er ist
anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das
Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der
Betroffenen kennzeichnen.
Wesentliches Merkmal
Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine
Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung
Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Kriterien
Für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts ist
es ohne Bedeutung, dass das Beschäftigungsverhältnis nach
nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis ist. Sofern eine
Person die vorstehend angeführten Voraussetzungen erfüllt, ist
die Art der Rechtsbeziehung zwischen ihr und der anderen Partei
des Arbeitsverhältnisses ohne Bedeutung für die Anwendung der
Richtlinie 92/85/EWG.
Auch die formale Einstufung als Selbständiger nach
innerstaatlichem Recht schließt nicht aus, dass eine Person als
Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG einzustufen ist,
wenn ihre Selbständigkeit nur fiktiv ist und damit ein
Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Richtlinie verschleiert.
Sachverhalt
Wie sich aus den vor dem EuGH abgegebenen Erklärungen ergibt, hat
Frau Danosa im vorliegenden Fall unstreitig Leistungen gegenüber LKB
regelmäßig und gegen Entgelt erbracht und dabei die Aufgaben
ausgeführt, die ihr in ihrer Eigenschaft als einzige Geschäftsführerin
nach der Satzung dieser Gesellschaft und der Geschäftsordnung der
Unternehmensleitung zugewiesen waren. Entgegen dem Vorbringen
dieser Gesellschaft kommt es insoweit nicht darauf an, dass die Kl. des
Ausgangsverfahrens selbst mit der Erstellung dieser Geschäftsordnung
betraut war. Die abgegebenen Erklärungen gehen dagegen in der Frage
auseinander, ob zwischen Frau Danosa und LKB das
Unterordnungsverhältnis oder gar der Grad an Unterordnung, wie
nach der Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich des
Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des Unionsrechts im Allgemeinen und
im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG im Besonderen erforderlich,
bestand.
Argumente der Gegner: Vertrauen
LKB sowie die lettische und die griechische Regierung machen geltend,
das nach der Rechtsprechung des EuGH erforderliche
Unterordnungsverhältnis sei im Fall von Mitgliedern der
Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft nicht gegeben. LKB und
die lettische Regierung bringen vor, ein Mitglied der
Unternehmensleitung wie die Kl. des Ausgangsverfahrens erfülle seine
Verpflichtungen im Allgemeinen auf der Grundlage eines
Geschäftsbesorgungsvertrags eigenständig und ohne Weisungen zu
empfangen. Sie betonen, dass die Beziehung zwischen den
Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft und/oder gegebenenfalls
dem Aufsichtsrat auf der einen Seite und den Mitgliedern der
Unternehmensleitung auf der anderen Seite auf Vertrauen aufbauen
müsse, so dass es möglich sein müsse, das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien zu beenden, wenn dieses Vertrauen nicht mehr
bestehe.
Würdigung des Gerichts
Die Frage, ob ein Unterordnungsverhältnis im Sinne der oben
angeführten Definition des Arbeitnehmerbegriffs vorliegt, ist in jedem
Einzelfall nach Maßgabe aller Gesichtspunkte und aller Umstände zu
beantworten, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten
kennzeichnen.
Die Eigenschaft als Mitglied der Unternehmensleitung einer
Kapitalgesellschaft kann nicht als solche ausschließen, dass sich die Kl.
des Ausgangsverfahrens in einem Unterordnungsverhältnis gegenüber
der betreffenden Gesellschaft befand. Zu prüfen sind nämlich die
Bedingungen, unter denen das Mitglied der Unternehmensleitung
bestellt wurde, die Art der ihm übertragenen Aufgaben, der Rahmen,
in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, der Umfang der Befugnisse
des Betroffenen und die Kontrolle, der es innerhalb der Gesellschaft
unterliegt, sowie die Umstände, unter denen es abberufen werden
kann.
Ergebnis
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 77–84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zeigt die Prüfung dieser Kriterien im Fall des Ausgangsverfahrens vor allem, dass Frau Danosa zur einzigen Geschäftsführerin von LKB für die bestimmte Dauer von drei Jahren bestellt war, dass sie damit betraut war, das Gesellschaftsvermögen zu verwalten sowie die Gesellschaft zu leiten und zu vertreten, und dass sie in diese integriert war. Auf Nachfrage des EuGH in der mündlichen Verhandlung hat sich nicht feststellen lassen, von wem oder von welchem Organ sie bestellt wurde. Ferner musste Frau Danosa, selbst wenn sie über einen Ermessensspielraum bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügte, gegenüber dem Aufsichtsrat Rechenschaft über ihre Geschäftsführung ablegen und mit diesem zusammenarbeiten. Schließlich geht aus den dem EuGH vorliegenden Akten hervor, dass nach lettischem Recht ein Mitglied der Unternehmensleitung durch Gesellschafterbeschluss von seinem Amt abberufen werden kann, gegebenenfalls nachdem der Aufsichtsrat das Ruhen des Amtes beschlossen hat. Der Abberufungsbeschluss gegenüber Frau Danosa wurde somit von einem Organ erlassen, das von ihr jedenfalls nicht kontrolliert wurde und das jederzeit gegen ihren Willen entscheiden konnte. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Mitglieder eines Leitungsorgans einer Gesellschaft, wie es das Kollegium der Geschäftsführer ist, in Anbetracht ihrer spezifischen Aufgaben und des Rahmens sowie der Art und Weise der Ausübung dieser Aufgaben nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fallen, wie er oben definiert ist, doch erfüllt ein Mitglied der Unternehmensleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen, um als Arbeitnehmer im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH zu gelten.
Antwort auf die Frage
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass für die
Zwecke der Richtlinie 92/85/EWG die Arbeitnehmereigenschaft
eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft,
das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert
ist, zu bejahen ist, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit
nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs
dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit
ein Entgelt erhält. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die
Tatsachenprüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der
Frage bedarf, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der
Fall ist.
Erste Konsequenzen in der nationalen
Rechtsprechung des BGH!
BGH, Urt. v. 23. 4. 2012 − II ZR 163/10 (OLG Köln), NJW 2012, 2346
Auf den Geschäftsführer einer GmbH, dessen Bestellung und Anstellung infolge einer Befristung abläuft und der sich erneut um das Amt des Geschäftsführers bewirbt, sind gem. § 6 Absatz IIIAGG die Vorschriften des Abschnitts 2 des AGG und § 22 AGG entsprechend anwendbar.
Entscheidet ein Gremium über die Bestellung und Anstellung eines Bewerbers als Geschäftsführer, reicht es für die Vermutungswirkung des § 22AGG aus, dass der Vorsitzende des Gremiums die Gründe, aus denen die Entscheidung getroffen worden ist, unwidersprochen öffentlich wiedergibt und sich daraus Indizien ergeben, die eine Benachteiligung i. S. des § 7 Absatz I AGG vermuten lassen.
Macht der Kläger einen Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens nach § 15 Absatz IAGG geltend, obliegt ihm grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Benachteiligung für die Ablehnung seiner Bewerbung ursächlich geworden ist. Ihm kommt aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine Einstellung bei regelgerechtem Vorgehen besteht.
Zur Arbeitnehmereigenschaft
Das AGG ist schon nach § 6 Absatz III AGG auf den Kläger
anwendbar. Danach gelten die Vorschriften des zweiten
Abschnitts des Gesetzes für Geschäftsführer entsprechend,
soweit es unter anderem die Bedingungen für den Zugang zur
Erwerbstätigkeit betrifft. Damit kann offen bleiben, ob ein
Fremdgeschäftsführer, der nicht an der GmbH beteiligt ist – wie
hier der Kl. –, im Wege der Auslegung des § 6 Absatz I AGG als
Beschäftigter, insbesondere als Arbeitnehmer im Sinne dieser
Vorschrift, angesehen werden kann (vgl. EuGH, ABlEU Nr. C 13 v.
15. 1. 2011 NZA 2011, 143).
Sozialversicherung
BEBE-SpVSozVersTr Besprechungsergebnis/Beitragseinzug vom 23.11.2000
3. Versicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern
einer GmbH und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH
Abgrenzung
Die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine in
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) beschäftigte Person
zugleich Gesellschafter der GmbH ist. Mitarbeitende Gesellschafter einer
GmbH können durchaus in einem abhängigen und damit
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt bei
mitarbeitenden Gesellschaftern – und das gilt auch für Gesellschafter‑
Geschäftsführer – ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH
allerdings nur dann vor, wenn die Gesellschafter
– funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhaben,
– für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten und
– keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft
ihres Anteils am Stammkapital geltend machen können.
Stammkapital
Sofern ein Gesellschafter-Geschäftsführer über mindestens 50 v. H. des
Stammkapitals verfügt oder aufgrund besonderer Vereinbarung im
Gesellschaftsvertrag die Beschlüsse der anderen Gesellschafter verhindern
kann (Sperrminorität), hat er grundsätzlich einen entscheidenden Einfluss auf
die Geschicke der GmbH. Er kann insbesondere Beschlüsse verhindern, die
sein Dienstverhältnis benachteiligen würden, so dass in diesen Fällen ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis von vornherein ausscheidet. In allen
anderen Fällen ist jeweils individuell zu prüfen, ob ein abhängiges und damit
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Für diese
Prüfung hatten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in der
Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 6./7.
November 1986 eine Entscheidungshilfe und eine Rechtsprechungsübersicht
herausgegeben (vgl. Punkt 1 der Niederschrift1 ). Die Entscheidungshilfe
sowie die Rechtsprechungsübersicht sind aufgrund der zwischenzeitlich
ergangenen weiteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts überarbeitet
worden und liegen in aktueller Fassung als Anlage bei.
Hinweispflicht
Nach Auffassung der Besprechungsteilnehmer sollten die
Einzugsstellen in ihren Beitragsbescheiden darauf hinweisen,
dass sich ihre versicherungsrechtliche Entscheidung nur auf die
im Zeitpunkt der Beurteilung maßgebenden tatsächlichen
Verhältnisse in der GmbH bezieht und eine Änderung in diesen
Verhältnissen (z.B. Änderung der Kapitalbeteiligung) zu einer
anderen versicherungsrechtlichen Beurteilung führen kann. Die
GmbH sollte daher in den Bescheiden aufgefordert werden, der
Einzugsstelle jede Änderung in den Gesellschaftsverhältnissen
umgehend mitzuteilen, damit die Einzugsstelle
erforderlichenfalls die versicherungsrechtliche Beurteilung
überprüfen kann.
Regelfall bei Fremdgeschäftsführern
Im Übrigen weisen die Besprechungsteilnehmer darauf hin, dass bei Geschäftsführern, die nicht am Stammkapital der GmbH beteiligt sind (so genannte Fremdgeschäftsführer), nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt (vgl. Urteile vom 22.8.1973 – 12 RK 24/72 -, USK 73122, und vom 24.6.1982 – 12 RK 45/80 -, USK 82160). In seinem Urteil vom 22. August 1973 (a.a.O.) hat sich das Bundessozialgericht ausführlich mit der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fremdgeschäftsführern auseinandergesetzt und ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt. Insbesondere hat es dargelegt, dass allein aus der weisungsfreien Ausführung einer fremdbestimmten Arbeit nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden kann, da der Fremdgeschäftsführer ansonsten in einer nicht von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebs eingegliedert ist und auch nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrags und der Gesellschafterbeschlüsse handeln darf, so dass er – selbst bei Belassung großer Freiheiten – der Überwachung durch die Gesellschafter unterliegt (vgl. § 46 Nr. 6 GmbHG). Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafter von ihrer Überwachungsbefugnis regelmäßig keinen Gebrauch machen. Die Weisungsgebundenheit des Fremdgeschäftsführers verfeinert sich dabei – wie bei Diensten höherer Art üblich – zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (vgl. auch Urteile des Bundessozialgerichts vom 29.3.1962 – 3 RK 74/57 , BSG Bd. 16 S. 289, und vom 29.8.1963 – 3 RK 86/59 -, BSG Bd. 20 S. 6). Dem steht nicht entgegen, dass Fremdgeschäftsführer – gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern – Funktionen eines Arbeitgebers wahrnehmen, denn auch wer selbst Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits – als leitender Angestellter – bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.12.1960 – 3 RK 2/56 -, BSG Bd. 13 S. 196); im Übrigen fehlt ihm das die selbständige Tätigkeit kennzeichnende Unternehmerrisiko. In seinem Urteil vom 24. Juni 1982 (a.a.O.) zu einem Gesellschafter-Geschäftsführer hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidungsbegründung hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fremdgeschäftsführern noch einmal bestätigt, dass diese grundsätzlich abhängig beschäftigt sind.
Ausnahme
Nur ausnahmsweise können bei Geschäftsführern, die am Stammkapital der GmbH
nicht beteiligt sind, die Verhältnisse so liegen, dass ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis zu verneinen ist. So können in Fällen einer Familien-GmbH
oder in Gesellschaften, in denen familienhafte Bindungen zu Mehrheitsgesellschaftern
bestehen, die Verhältnisse durchaus dafür sprechen, dass für einen Geschäftsführer
ohne Kapitalbeteiligung kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wie dies
auch von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestätigt wurde. Bei der
Mitarbeit in einer Familien-GmbH kann hiernach die Geschäftsführertätigkeit mehr
durch familienhafte Rücksichtnahmen und ein gleichberechtigtes Nebeneinander als
durch einen für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischen
Interessengegensatz gekennzeichnet sein. Die familiäre Verbundenheit kann hierbei
ein Gefühl erhöhter Verantwortung füreinander schaffen und einen Einklang der
Interessen bewirken (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.12.1987 – 7 RAr 25/86
-, USK 87170). Insoweit kann es an der für eine Beschäftigung unabdingbaren
Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit fehlen, so dass der Geschäftsführer
nicht für ein fremdes, sondern im „eigenen“ Unternehmen weisungsfrei und somit
selbständig tätig wird (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.2.1993 – 7 RAr
48/92 -, USK 9347).
„Verschiedene Verträge“
1. Vom Arbeitnehmer zum
Geschäftsführer (und zurück?)
Rechtsprechung BAG
BAG, Urteil vom 19. 7. 2007 – 6 AZR 774/06
Bisheriger Grundsatz:
Durch den Geschäftsführerdienstvertrag werden die vertraglichen Beziehungen der
Parteien zueinander auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage entfällt.
Mit dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags und der damit einhergehenden
Bestellung zum Geschäftsführer werden für den Beschäftigten bereits von Gesetzes
wegen zahlreiche neue Rechte und Pflichten aus dem GmbHG begründet. Einem
Arbeitnehmer muss deshalb klar sein, dass mit dem Abschluss eines
Geschäftsführerdienstvertrags und der Bestellung zum Geschäftsführer sein
Arbeitsverhältnis endet.
BAG ( 10. Senat ), Beschluss vom 23.08.2011 – 10 AZB 51/10
AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69
- Eine wirksame Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses durch
den Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags setzt die Einhaltung
der gesetzlichen Schriftform (§ 623 BGB) voraus, indem zumindest der
Geschäftsführer-Dienstvertrag schriftlich geschlossen wird.
- 2. Heben die Parteien ihr Arbeitsverhältnis nicht wirksam auf, so bleibt
für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Stellung
als Geschäftsführer der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen
gegeben. Dies gilt dann auch für Ansprüche aus der Zeit der
Geschäftsführertätigkeit.
BAG, Beschl. v. 15. 3. 2011 − 10 AZB 32/10 NZA 2011, 874
- Für eine Klage eines Geschäftsführers einer GmbH gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrags ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben.
- Eine wirksame Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss eines Geschäftsführer–Dienstvertrags setzt die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform (§ 623 BGB) voraus, indem zumindest der Geschäftsführer–Dienstvertrag schriftlich geschlossen wird.
- 3. Heben die Parteien ihr Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich schriftlich auf und schließen sie lediglich einen mündlichen Geschäftsführer–Dienstvertrag, so bleibt bei einem Streit über die Beendigung des weiterhin bestehenden Arbeitsverhältnisses der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.
Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung: Zu 1: Fortführung der bisherigen Rspr., BAG, NZA 1999, NZA Jahr 1999 Seite 839 = NJW 1999, NJW Jahr 1999 Seite 3069 = AP ArbGG 1979 § 5 Nr. AP ARBGG1979 § 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33; BAGE 107, BAGE Band 107 Seite 165 = NZA 2003, NZA Jahr 2003 Seite 1108 = NJW 2003, NJW Jahr 2003 Seite 3290; zu 2: Fortführung der bisherigen Rspr., BAGE 123, BAGE Band 123 Seite 294 = NZA 2007, NZA Jahr 2007 Seite 1095 = NJW 2007, NJW Jahr 2007 Seite 3228; BAG, NZA 2009, NZA Jahr 2009 Seite 669 = NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 2078 = AP ArbGG 1979 § 5 Nr. AP ARBGG1979 § 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43.
Wieder BAG: Beschluss vom 26.10.2012 – 10 AZB 60/12
Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. bspw. BAG 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Juni 2008 – 2 AZR 754/06 – Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Juli 2007 – 6 AZR 774/06 – Rn. 10, BAGE 123, 294). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt (vgl. BAG 15. März 2011 – 10 AZB 32/10 – Rn. 12, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, aaO). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche (BAG 29. Mai 2012 – 10 AZB 3/12 – Rn. 13; 23. August 2011 – 10 AZB 51/10 – Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46).
Küttner 19. Aufl. 2012
Wenn der ArbN mit seinem ArbGeb einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag
abschließt, wird nach Auffassung des BAG vermutet, dass das bis dahin bestehende
Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführerdienstverhältnisses einvernehmlich
beendet wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart
worden ist (BAG 19. 7. 07 – 6 AZR 774/06, NZA 07, 1095; BAG 3. 2. 09 – 5 AZB 100/08,
NZA 09, 669). Keine konkludente Vertragsauflösung kommt dagegen in Betracht, wenn
entweder Vertragspartner von (früherem) Arbeitsvertrag und (späteren)
Geschäftsführeranstellungsvertrag auseinanderfallen (= Geschäftsführertätigkeit in
anderem Konzernunternehmen) oder der Geschäftsführerbestellung ein mündlicher
Vertrag zugrunde liegt (LAG Brem 2. 3. 06 – 3 Ta 9/06, NZA-RR 06, 321; LAG Nds 7. 3.
07 – 17 Ta 618/06, NZA-RR 07, 522). Allerdings spricht auch im letztgenannten Fall viel
dafür, dass sich mit der Bestellung zum Geschäftsführer die Rechtsnatur des
Vertragsverhältnisses in ein freies Dienstverhältnis wandelt (dazu Stagat DB 10, 2801;
vgl auch Rz 18). Für die Praxis ist im Hinblick auf die verbleibende Rechtsunsicherheit
dringend zu empfehlen, im Zusammenhang mit der Bestellung zum Geschäftsführer
eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung darüber zu treffen, ob das ursprüngliche
Arbeitsverhältnis beendet sein soll.
Abberufung
Dabei ändert sich der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines
Organvertreters nicht allein dadurch, dass der Organvertreter abberufen wird.
Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis nicht zum
Arbeitsverhältnis (BAG Beschluss 26.10.2012).
Weiterarbeit nach der Abberufung
BGH, Urteil vom 11. 10. 2010 – II ZR 266/08, NZG 2011, 112
Der Geschäftsführer einer GmbH hat nach Widerruf seiner Bestellung bei
fortbestehendem Anstellungsverhältnis grundsätzlich keinen Anspruch auf
Weiterbeschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden
Funktion. Etwas anderes kann gelten, wenn sich dem Anstellungsvertrag eine
dahingehende Vereinbarung entnehmen lässt.
Der Senat hat sich in früheren Entscheidungen bereits damit befasst, ob der aus seiner Organstellung Abberufene gehalten sein kann, eine andere angemessene Beschäftigung unterhalb der Organstellung bei der Gesellschaft auszuüben. Die hiervon zu unterscheidende Frage, ob der abberufene Geschäftsführer aus dem fortbestehenden Anstellungsverhältnis einen Anspruch auf Tätigkeit und Beschäftigung in der Gesellschaft hat, konnte der Senat in seiner Entscheidung vom 12. 11. 1952 offenlassen. Teilweise wird ein solcher Anspruch in der Literatur bejaht, dem im Rahmen einer Interessenabwägung von der Gesellschaft entgegengehalten werden könne, die Gesellschaft habe im Einzelfall ein schützenswertes Interesse an einer Nichtbeschäftigung.
Einen Anspruch des Geschäftsführers auf Beschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion lehnt der Senat indes grundsätzlich ab.
Ausgangspunkt dafür ist die Auslegung des Anstellungsvertrags. Dieser kann zwar im Fall der Abberufung des Geschäftsführers aus der Organstellung einen Anspruch auf Beschäftigung in einer ähnlichen Position als leitender Angestellter vorsehen. Der Anstellungsvertrag hat aber regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der Organebene ist typischerweise nicht vereinbart. Sie stellt ein aliud zu der Geschäftsführertätigkeit dar und kann deshalb aus dem Anstellungsvertrag nicht hergeleitet werden.
Dies entspricht auch der typischen Interessenlage der Beteiligten Der abberufene Geschäftsführer hat kein existenzielles Interesse an einer Weiterbeschäftigung, weil er auf Grund des fortbestehenden Anstellungsvertrags i.V. mit § 615 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts hat. Er hat nur insoweit ein Interesse an einer Weiterbeschäftigung, als die Nichtbeschäftigung von ihm als Ansehensverlust oder Minderung der Lebensfreude empfunden wird. Die Gesellschaft dagegen hat ein Interesse daran, im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit die Leitungspositionen in ihrem Unternehmen mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen. Zwischen dem abberufenen Geschäftsführer und der Gesellschaft besteht aber im Regelfall kein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis mehr. Bei einer Abwägung dieser Interessen überwiegt regelmäßig das Interesse der Gesellschaft.
Geschäftsführer arbeitet nach der
Abberufung „einfach“ weiter wie
vor seiner Zeit als Geschäftsführer?
BAG ( 10. Senat ), Beschluss vom
23.08.2011 – 10 AZB 51/10
… Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte mit der
Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe
sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis – wieder – in ein
Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG 6. 5. 1999 – BAG 06.05.1999
Aktenzeichen 5 AZB 22/98 – [II 3 c der Gründe], AP ArbGG 1979 § 5 Nr. AP
ARBGG1979 § 46).
Geschäftsführer aufgrund
arbeitsvertraglicher Verpflichtung
Drittanstellung
In Konzernen ist es üblich, dass der Geschäftsführer einer Konzerngesellschaft Arbeitnehmer einer anderen Konzerngesellschaft ist. Der Geschäftsführer-Dienstvertrag muss nicht notwendigerweise mit der Gesellschaft geschlossen werden, zu der die Organschaft besteht oder begründet werden soll. Es ist vielmehr zulässig und allgemein anerkannt, dass die Organschaft auf einem schuldrechtlichen Vertrag beruht, der mit einem Dritten geschlossen ist (BAG 20.10.1995 – 5 AZB 5/95, NZA 1996, 200; MAH-ArbR/Grobys § 77 Rn 21). Das Anstellungsverhältnis mit einem Dritten lässt aber die Rechtswirkungen des Bestellverhältnisses unberührt. Die aus dem Bestellverhältnis heraus resultierenden gesetzlichen und satzungsmäßigen Rechte und Pflichten treten daher ohne Rücksicht auf den Inhalt des Anstellungsvertrages ein. Die Organbeziehung hat daher Vorrang vor den vertraglichen Regelungen mit der anstellenden Gesellschaft (Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl. 2011, § 13 Rn 27).
Drittanstellungsvertragsvarianten
Instruktiv Kelber in Grobys | Panzer, StichwortKommentar Arbeitsrecht 1. Auflage, 4. Edition 2012, Nr. 90 Geschäftsführer Rn 21-26
1. Variante
In der ersten Fallvariante wird eine bei einer Konzernmutter mittels Arbeitsvertrages
angestellte Führungskraft zum Geschäftsführer einer Konzerntochter-GmbH bestellt,
ohne dass sich an dem Arbeitsvertrag etwas darüber Hinausgehendes ändert.
Tätigkeiten erbringt er sowohl als Arbeitnehmer für die Konzernmutter als auch als
Geschäftsführer für die Tochter. Es kommt insb. nicht auf den jeweiligen Umfang der
Tätigkeiten für die jeweiligen Gesellschaften an. Die unveränderte Vergütung erfolgt
ausschließlich von der Konzernmutter. Hier ist der Arbeitsvertrag allein die Grundlage
für die Geschäftsführerbestellung des Arbeitnehmers, durch die weisungsabhängige
Tätigkeit auf Grundlage des Arbeitsvertrages bei der Konzernmutter ist die
Führungskraft abhängig beschäftigt und das Vertragsverhältnis (weiterhin) als
Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.
Wird dieser Vertrag gekündigt, so hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutz und die
Arbeitsgerichte sind zuständig (BAG 20.10.1995 – 5 AZB 5/95, NZA 1996, 200; OLG
Schleswig 2.1.2003 – 5 U 44/02, GmbHR 2003, 1130). Insb. sperrt die
Bereichsausnahme des § 14 Abs. 1 KSchG hier nicht den materiellen
Kündigungsschutz, da es im Rahmen des § 14 Abs. 1 KSchG darauf ankommt, dass der
Gekündigte zum Organ der kündigenden Gesellschaft berufen ist (BAG 15.4.1982 – 2
AZR 1101/79, NJW 1983, 2405; APS/Biebl § 14 KSchG Rn 9).
2. Variante
Stellt in dieser Fallvariante die Führungskraft die Tätigkeit für die Konzernmutter ein und ist ausschließlich für die Konzerntochter als Geschäftsführer tätig, so wird die Rechtslage schwierig. Ändern die Vertragsparteien den Inhalt des Vertrages nicht oder ändern sie den Inhalt des Vertrages nur in Bezug auf einige materielle Arbeitsbedingungen, wie Zahlung einer höheren Vergütung durch die Arbeitgeberin (Konzernmutter), reicht dies für die Statusänderung des Vertrages wohl nicht aus. Wird keine klare Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien getroffen, dass sich der Inhalt des Vertrages auf der Leistungsseite auf die Geschäftsführertätigkeit zukünftig beschränkt, sondern „entwickelt“ sich die Sachlage lediglich in diese Richtung, dann wird man erhebliche Schwierigkeiten haben, einen Statuswechsel vom Arbeitnehmer zum Dienstnehmer zu begründen. Denn der Beschäftigungsanspruch der Führungskraft aus dem Arbeitsverhältnis (arbeitsvertragliche Beschäftigung bei der Konzernmutter) kann ohne klare vertragliche Absprache weiterhin und jederzeit geltend gemacht werden. Heben die Parteien den „alten“ Arbeitsvertrag in diesem Zusammenhang aber auf und begründen einen neuen Vertrag, nach dessen Inhalt nur noch eine Geschäftsführertätigkeit in Tochterunternehmen geschuldet ist, oder verändern die Vertragsparteien unter Beibehaltung des Vertrages jedenfalls den Inhalt klar in diesem Sinne, wird es zum Statuswechsel kommen (MAHArbR/Grobys § 77 Rn 26).
3. Variante
Wird der Geschäftsführer der Konzerntochter, ohne jemals für die
Konzernmutter selbst gearbeitet zu haben, von Anfang an mit einem
Vertrag angestellt, ausschließlich um in der/den Tochtergesellschaft/en
Geschäftsführertätigkeiten zu erbringen, ändert dieser Vertragsinhalt die
Rechtslage entscheidend. Solange die Organfunktion die einzige vom
Geschäftsführer geschuldete und ausgeübte Tätigkeit ist, kann der
Umstand, dass eine Drittanstellung vorliegt, den Status des
Vertragsverhältnisses nicht beeinflussen. Es liegt also regelmäßig ein freier
Dienstvertrag vor (MAH-ArbR/Grobys § 77 Rn 21; Reufels in:
VertragsgestaltungArbR § 2 Rn 25).
GmbH & Co. KG
Für die in der Praxis bedeutende GmbH & Co. KG hat das BAG (BAG 20.8.2003
– 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108) eine umstrittene Frage geklärt. Der bei der
KG angestellte Beschäftigte, der bei der Komplementär-GmbH zum
Geschäftsführer berufen ist, steht in einem Drittanstellungsverhältnis.
Ungeachtet der Möglichkeit, dass dieses Anstellungsverhältnis als
Arbeitsverhältnis aufgrund starker Weisungsabhängigkeit gedeutet werden
kann, steht dem durch die KG gekündigten Beschäftigten der Rechtsweg zu
den Arbeitsgerichten nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG aber nach einer Kündigung
seines Anstellungsvertrages nicht offen, weil er durch die Bestellung zum
Geschäftsführer der Komplementär-GmbH derart „im Arbeitgeberlager“
stehe, dass eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht
vorliegen könne. Der Beschäftigte ist durch die Bestellung zum
Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch „gesetzlicher Vertreter der
KG“. Es ist aber nach wie vor umstritten, ob sich diese Entscheidung auch auf
die Bereichsausnahme des § 14 Abs. 1 KSchG übertragen lässt, mit der Folge,
dass der von der KG gekündigte Geschäftsführer der Komplementär-GmbH
keinen Kündigungsschutz für sich beanspruchen kann (zum Streitstand
ASP/Biebl § 14 KSchG Rn 10; s. näher Rn 97 ).
„Doppelter Geschäftsführer“
Ein Drittanstellungsverhältnis kann schließlich auch vorliegen, wenn aufgrund
eines Geschäftsführer-Dienstvertrages ein Geschäftsführer zur Übernahme einer
weiteren Geschäftsführung einer anderen GmbH verpflichtet wird. Da sich bei
einer solchen Fallkonstellation regelmäßig das Anstellungsverhältnis zu der
Vertragsgesellschaft nicht als Arbeitsverhältnis deuten lässt, ergeben sich durch
die weitere Verpflichtung, auf der gleichen Grundlage auch noch die Organschaft
anderer Gesellschaften zu übernehmen, keine arbeitsrechtlichen
Berührungspunkte.
Anwendbares Arbeitsrecht
Instruktiv Kania in Küttner,
Personalbuch, 19. Auflage 2012,
Geschäftsführer Rn. 21-33
Maß der wirtschaftlichen Abhängigkeit
Nicht anwendbar sind arbeitsrechtliche Gesetze, soweit diese ausdrücklich
Organmitglieder juristischer Personen von ihrem Geltungsbereich ausnehmen (§§ 5
Abs 2 Nr. 1 BetrVG; 14 Abs 1 Ziff 1 KSchG; 5 Abs 1 Satz 3 ArbGG). Im Übrigen ist auch
mit der Verneinung des ArbNStatus eines Geschäftsführers noch keine Aussage
darüber getroffen, ob nicht einzelne arbeitsrechtliche Normen und Grundsätze für den
Geschäftsführer entsprechend herangezogen werden können. Letztlich entscheidend
für die entsprechende Anwendung ist, ob ein Geschäftsführer auch bei Fehlen der für
die Einordnung als Arbeitsverhältnis maßgeblichen persönlichen Abhängigkeit in
einem mit einem Arbeitnehmer vergleichbaren Maß wirtschaftlich abhängig ist.
Entsprechend herangezogen werden können dann die arbeitsrechtlichen Normen und
Grundsätze, welche dem Ausgleich dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit dienen
(Lutter/Hommelhoff GmbHG § 6 Anhang Rz 3; Fleck in FS Hilger/Stumpf, S 197, 226;
Henssler RdA 92, 289, 295). Soweit deutsches Arbeitsrecht der Umsetzung von EU‑
Recht dient, kann sich zusätzlich eine unmittelbare Normanwendung im Wege
europarechtskonformer Auslegung ergeben (Fischer NJW 11, 2329).
EU-Recht beachten!
Neue Entwicklungen zeichnen sich durch die Entscheidung des EuGH
vom 11.11.2010 ab (EuGH 11.11.2010 – C-232/09, NZA 2011, 143
„Danosa“; hierzu Oberthür NZA 2011, 253 ff; Baeck/Winzer NZG 2011,
101; Hirte NJW 2011, 656, 658). Der EuGH hält die Abberufung einer
schwangeren Geschäftsführerin für eine schwangerschaftsbedingte
Diskriminierung. Konsequent weitergedacht könnte dies über eine
„richtlinienkonforme Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs“ zukünftig
zu einer nicht unerheblichen Ausweitung der Anwendbarkeit von
Arbeitnehmerschutzvorschriften führen. Die weitere Entwicklung
bleibt hier abzuwarten.
Anwendbarkeit des AGB-Rechts
Ausgangspunkt bei der Gestaltung von Geschäftsführer-Dienstverträgen ist die im
Schuldrecht geltende Vertragsfreiheit. Diese wird allgemein durch die Vorschriften der
§§ 305 ff BGB eingeschränkt, denn auch Geschäftsführer-Dienstverträge können als
Formularverträge iSd Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu werten sein. Es besteht
daher weitgehend Einigkeit, dass die §§ 305 ff BGB auf den Geschäftsführer‑
Dienstvertrag Anwendung finden. Ungeklärt war bislang allein die Frage, ob der
Fremdgeschäftsführer als Unternehmer iSd § 14 BGB oder als Verbraucher iSd § 13
BGB anzusehen ist. Gegenüber einem Unternehmer findet das Recht der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen nur eingeschränkt Anwendung (§ 310 Abs. 1 BGB), gegenüber
einem Verbraucher gilt hingegen der erweiterte Anwendungsbereich (§ 310 Abs. 3
BGB). Das BAG hat diese Frage nunmehr (BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010,
939) dahin gehend entschieden, dass zumindest der Fremdgeschäftsführer
„Verbraucher“ iSd § 13 BGB ist, denn weder der Abschluss des Anstellungsvertrages
noch die Geschäftsführung einer GmbH seien gewerbliche oder selbstständige
Tätigkeit.
BAG NZA 2010, 939
„Der Kl. hat bei Abschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher i. S. von § BGB §
13 BGB gehandelt. Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein
Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer
selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Weder der Abschluss des Anstellungsvertrags noch die Geschäftsführung einer GmbH
stellt eine gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit dar. Die Geschäftsführung einer
GmbH ist keine selbständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit.
Maßgeblich für die Einordnung einer beruflichen Tätigkeit als selbstständig ist neben
der weitgehenden Freiheit von Weisungen, dass die Tätigkeit im eigenen Namen, auf
eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird, so dass das
wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit unmittelbar selbst getragen wird. Der
Geschäftsführer einer GmbH übt aber seine Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der
Gesellschaft aus. Überdies unterliegt er im Innenverhältnis den Weisungen der
Gesellschafter. Wenn demgemäß die Geschäftsführung einer GmbH keine
selbstständige Tätigkeit i. S. des § 13 BGB darstellt, so gilt dies erst recht für den
Abschluss des Anstellungsvertrags, jedenfalls dann, wenn – wie hier – der
Geschäftsführer nicht zugleich als Gesellschafter über zumindest eine Sperrminorität
verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann.
Altersversorgung
Gem. § 17 Abs. 2 BetrVG sind dessen §§ 1–16 auf
arbeitnehmerähnliche Geschäftsführer anzuwenden. Die Abgrenzung
des geschützten Personenkreises ist daran zu orientieren, ob der
Begünstigte von Seiten der Gesellschaft auf die Ausgestaltung der
Ruhegehaltszusage maßgeblichen Einfluss nehmen konnte. Dies
können idR Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer,
welche lediglich über eine Minderheitsbeteiligung verfügen (BGH 28.
4. 80, BGHZ 77, 94, 100 ff), nicht.
Arbeitszeit
Während gem § 1 Abs 2 Nr 2 AZO die „im Handelsregister
eingetragenen Vertreter“ ausdrücklich von der Anwendung des
Gesetzes ausgenommen waren, fehlt eine solche Bestimmung in § 18
ArbZG. Gleichwohl kommt eine (entsprechende) Anwendung des
ArbZG auf Geschäftsführer nicht in Betracht, zumal das Gesetz selbst
leitende Angestellte ausdrücklich aus seinem Anwendungsbereich
ausnimmt (vgl § 18 Abs 1 Nr 1 ArbZG).
Beschäftigungsanspruch
Ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung besteht für Geschäftsführer grds nicht; er verträgt sich nicht mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Bestellung gem. § 38 Abs. 1 GmbHG. Dem Geschäftsführer bleibt nur der Anspruch auf Annahmeverzugslohn gem. § 615 BGB sowie das Recht zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags. Ein Anspruch auf Schadenersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB besteht nicht (BGH 28. 10. 02 – II ZR 146/02, GmbHR 03, 100). Ein weitergehender Anspruch auf Beschäftigung in anderer leitender Position setzt eine entsprechende vertragliche Regelung voraus (BGH 11. 10. 10 – II ZR 266/08, BB 10, 2577). Daraus folgt umgekehrt, dass ein abberufener Geschäftsführer grundsätzlich auch nicht verpflichtet ist, zur Aufrechterhaltung seines Vergütungsanspruchs Positionen unterhalb der Geschäftsführerebene anzunehmen (vgl. Kothe-Heggemann/Schelp GmbHR 11, 75).
Betriebliche Übung
Ansprüche aus betrieblicher Übung bestehen im Regelfall nicht, da das
gesellschaftsrechtliche Treueverhältnis zwischen einer GmbH und ihrem
Geschäftsführer nicht mit der arbeitsrechtlichen Treuebeziehung zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vergleichbar ist (Nebendahl NZA 92, 289,
293).
Betriebsrisikolehre
Die Betriebsrisikolehre (§ 615 Satz 3 BGB) ist grds. für Geschäftsführer
einschlägig (BGH 11. 7. 53, NJW 53, 1465). Der Besonderheit der
Geschäftsführertätigkeit ist aber insofern Rechnung zu tragen, als die
Betriebsrisikolehre nicht angewandt werden darf, wenn die
eingetretene Betriebsstörung dem Verantwortungsbereich des
Geschäftsführers zuzurechnen ist.
Betriebsübergang und
Gesamtrechtsnachfolge
Bei einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang geht das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers nicht gem. § 613 a BGB auf den Betriebserwerber über, falls nicht der Geschäftsführer ausnahmsweise als Arbeitnehmer einzustufen ist. § 613 a BGB gilt nur für ArbN und ist auch nicht entsprechend auf Geschäftsführer anwendbar (BAG 13. 2. 03 – 8 AZR 654/01, NZA 03, 552). Die Stellung der vertretungsberechtigten Organmitglieder ist derart vom Vertrauen der sie bestellenden Personen anhängig, dass es nicht angeht, das gesamte Dienstverhältnis kraft Gesetzes auf einen anderen Dienstherrn übergehen zu lassen (OLG Celle 15. 6. 77, DB 77, 1840).
Anders ist es dagegen bei der gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge. Hier geht grds das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers beim Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger über (BAG 21. 9. 94, NJW 95, 675 mwN für den Fall der Verschmelzung zweier GmbHs). Allerdings führt die gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge regelmäßig gleichzeitig zum Erlöschen der Organstellung des bisherigen Geschäftsführers.
Dieser Umstand hat jedoch nach Auffassung des BAG (21. 2. 94, NJW 95, 675, 676; vgl auch OLG Bbg 29. 2. 96, NZA-RR 96, 406) keine Auswirkungen auf den Inhalt des Anstellungsverhältnisses; insbesondere wandele sich dies nicht automatisch in ein Arbeitsverhältnis. Konsequenz ist, dass in dem Fall, dass die in dem Anstellungsvertrag vereinbarten Tätigkeiten derart mit der Bestellung zum Geschäftsführer verknüpft sind, dass diese Tätigkeiten nach Wegfall der Organstellung nicht ausgeübt werden können, die Beschäftigungspflicht des (ehemaligen) Geschäftsführers entfällt. Dieser hat ein Recht zur außerordentlichen Kündigung. Der Rechtsnachfolger bleibt zur Vergütungszahlung gem § 615 BGB verpflichtet. Der Zahlungsanspruch gem. § 615 BGB entfällt jedoch gem. § 615 Satz 2 BGB, wenn der Rechtsnachfolger dem (ehemaligen) Geschäftsführer eine zumutbare andere leitende Tätigkeit anbietet und der Geschäftsführer dieses Angebot ausschlägt. Ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, kann eine außerordentliche Kündigung durch den Rechtsnachfolger nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn eine Vereinbarung über eine anderweitige Beschäftigung scheitert und die Verpflichtung zur Vergütungszahlung im Hinblick auf die Restlaufzeit des Vertrages langfristig bestehen bliebe.
Gleichbehandlungsgrundsatz
Dieser ist prinzipiell anwendbar für Geschäftsführer, welche nicht oder nicht
nennenswert an der GmbH beteiligt sind (BGH 14. 5. 90, GmbHR 90, 389).
Gleichbehandlung kann regelmäßig nur mit anderen Geschäftsführern
verlangt werden. Eine Gleichbehandlung mit leitenden Angestellten kann nur
dann verlangt werden, wenn der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers und
die Arbeitsverträge der leitenden Angestellten ausnahmsweise gleichartig
gestaltet sind. Bereits der Umstand, dass Geschäftsführer in deutlich
stärkerem Maße über Tantiemen am Unternehmenserfolg beteiligt sind, kann
diese Vergleichbarkeit zerstören (Henssler RdA 92, 289, 300).
Kündigungsfrist
Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers richtet sich nicht nach § 621 Nr. 3 BGB, sondern nach § 622 Absatz 1 BGB (BGH 26. 3. 84, BGHZ 91, 217; LAG Köln 18. 11. 98 – 2 Sa 1063/98, NZA-RR 99, 300; aA Hümmerich NJW 95, 1177 ff). Dies gilt nach Auffassung des BGH auch für den maßgeblich an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer, da auch dieser in Bezug auf die Kündigungsfrist einem ArbN vergleichbar schutzwürdig ist (BGH 26. 3. 84, BGHZ 91, 217, 220). Für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer stellt sich diese Frage im Regelfall nicht, da dessen Anstellungsvertrag grds nicht gegen seinen Willen gekündigt werden kann. Anders ist es dagegen, wenn die Kündigung einem anderen Organ – etwa einem Beirat – übertragen ist, auf das der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer keinen entscheidenden Einfluss nehmen kann; dann gilt für ihn ebenfalls § 622 Abs 1 BGB (Lutter/Hommelhoff GmbHG Anh § 6 Rz 53).
Bei abhängigen Geschäftsführern verlängert sich die Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 2 BGB abhängig von der Beschäftigungsdauer (LAG Köln 18. 11. 98 – 2 Sa 1063/98, NZA-RR 99, 300). Keine Anwendung findet § 622 Abs. 2 BGB auf Gesellschafter-Geschäftsführer, welche zur Hälfte oder mehr an der Gesellschaft beteiligt sind (BGH 9. 3. 87, ZIP 87, 707, 708 zu § 2 AngKSchG).
Sonderkündigungsschutz
Die Anwendbarkeit von Normen des Sonderkündigungsschutzes (MuSchG,
SGB IX) ist grds zu verneinen (BGH 9. 2. 78, DB 78, 878; Buchner/Becker
MuSchG § 1 Rz 96).
Urlaub
Geschäftsführer haben keinen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (vgl § 2
BUrlG), wohl aber nach hM Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Vertragsende
(Neumann/Fenski BUrlG § 2 Rz 34 f).
Zeugnis
§ 630 BGB findet auf Geschäftsführer entsprechende Anwendung (KG Bln 6. 11. 78, BB
79, 988). Die im Arbeitsrecht für ArbN entwickelten Grundsätze über die Erteilung von
Zeugnissen gelten auch hier, allerdings mit den Einschränkungen, die sich aus der
herausgehobenen Stellung eines Geschäftsführers ergeben.
Außerordentliche Kündigung
Ähnlich wie bei der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers gibt es auch hier außerordentliche Kündigungsgründe „an sich“, bei deren Vorliegen aber alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen (Reufels in: VertragsgestaltungArbR § 2 Rn 392 zu einem umfangreichen Überblick über die Fallgruppen). In Betracht kommen zunächst alle Fälle, in denen strafrechtlich relevante Vorwürfe im Raume stehen (Handgreiflichkeiten und Bedrohung von Gesellschaftern, Verstoß gegen Vermögensbetreuungspflichten, Diebstahl, Beleidigungen etc.). Darüber hinaus sind alle groben Verletzungen gegen vertragliche Pflichten (zB Verstoß gegen Wettbewerbsverbote, Verrat von Geschäftsgeheimnissen, eigenmächtiger Urlaubsantritt) oder gesetzliche Pflichten (zB Verstoß gegen Weisungen der Gesellschafter, Insolvenzverschleppung, Unterlassen des Einschreitens bei Pflichtverletzungen eines Mitgeschäftsführers, sorgfaltswidriger Abschluss von Risikogeschäften, Eingriffe in die Ressortzuständigkeit eines Mitgeschäftsführers) kündigungsrelevant (umfassend auch Lohr NZG 2001, 826). Im Vergleich zu den Fallgruppen bei Arbeitnehmern kommen auch „eigene“ Fallgruppen infrage, die beim Arbeitnehmer nicht einschlägig sein können. So kann als Fallgruppe des wichtigen Grundes zB die „unberechtigte Amtsniederlegung“ infrage kommen (OLG 4.2.2004 – 9 U 203/03, NZG 2004, 475). Das „Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern“ (Reufels in: VertragsgestaltungArbR § 2 Rn 392 mwN), das „Unterlassen des Einschreitens bei Pflichtverletzungen des Mitgeschäftsführers“ (BGH 20.2.1995 – II ZR 9/94, NJW-RR 1995, 669), der „sorgfaltswidrige Abschluss von Risikogeschäften“ (OLG Sachsen-Anhalt 16.11.2004 – 9 U 206/01, GmbHR 2006, 757) oder der „Eingriff in die Ressortzuständigkeit eines Mitgeschäftsführers“ (LG Berlin 10.11.2003 – 95 O 139/02, GmbHR 2004, 741) kommt in Betracht.
Interessenabwägung
Liegt ein wichtiger Grund „an sich“ vor, müssen die
Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer
Interessenabwägung Berücksichtigung finden. Dabei
werden vor allem die Schwere der Pflichtverletzung und
die Folgen für die Gesellschaft, die Dauer der Tätigkeit des
Geschäftsführers für die Gesellschaft, der bisherige
Verlauf des Dienstverhältnisses, die sozialen Folgen der
Kündigung für den Geschäftsführer oder die Möglichkeit
der Fortführung des Dienstverhältnisses nach Abberufung
zu berücksichtigen sein (Lohr NZG 2001, 826, 832;
HKZ/Hansen D Rn 1031).
Vertraglicher vereinbarter
Kündigungsgrund?
Vereinbaren die Vertragsparteien Kündigungsgründe im
Dienstvertrag, dass bei Vorliegen bestimmter Sachverhalte die
Gesellschaft zur außerordentlichen Beendigung des
Dienstvertrages berechtigt sei, ist dies nach überwiegender
Auffassung grds. (im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis) zulässig,
soweit die Sachverhalte die Qualität des wichtigen Grundes
erreichen. Es entfällt in diesem Fall dann aber eine
Interessenabwägung im Einzelfall (Reufels in:
VertragsgestaltungArbR § 2 Rn 388; Reiserer BB 2002, 1199),
wobei ggf aber eine Kündigungsfrist zu wahren sein wird (BGH
29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683).
Vorstand
Kein Arbeitsrecht
Für das Anstellungsverhältnis verweist § 84 Abs. 3 S. 5 AktG auf die
allgemeinen Vorschriften des Dienstvertragsrechts, §§ 611 ff BGB, und
dessen Kündigungsvorschriften, nicht auf die des Arbeitsrechts. Das
Anstellungsverhältnis ist daher als Dienstvertrag zu werten. Selbst
wenn das Rechtsverhältnis von den Parteien ausnahmsweise als
Arbeitsverhältnis bezeichnet oder ausgestaltet ist, wären viele
arbeitsrechtliche Normen unanwendbar. So enthält § 14 Abs. 1 Nr. 1
KSchG insoweit eine negative Fiktion, das KSchG ist weitgehend auf
Vorstände nicht anwendbar (BGH 10.1.2000 – II ZR 251/98, NZA 2000,
376). Gleiches gilt aufgrund der Organstellung für die
Beteiligungstatbestände des BetrVG, dessen Anwendbarkeit nach § 5
Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ausgeschlossen ist, oder der
Personalvertretungsgesetze (BGH 10.1.2000 – II ZR 251/98, NZA 2000,
376 für einen Sparkassenvorstand).
Arbeitnehmerschutzgesetze
Da der Anstellungsvertrag des Vorstands kein Arbeitsverhältnis ist, finden
Arbeitnehmerschutzrechte weitgehend keine Anwendung (HKZ/Confurius C
Rn 1542 ff). So steht z.B. § 90 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 73 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX einer
Anwendung des Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte entgegen
(Kossens/von der Heide/Maaß § 73 SGB IX Rn 16). Die Abgrenzung des
Anwendungsbereichs der Mutterschutzrichtlinie hat durch die „Danosa“-
Entscheidung des EuGH (EuGH 11.11.2010 – C-232/09, NZA 2011, 143) neue
Brisanz erfahren. Hier hat der EuGH den Anwendungsbereich der
Mutterschutzrichtlinie auf eine Geschäftsführerin ausgedehnt. Ob dies wegen
der Weisungsfreiheit der Vorstandstätigkeit nach § 76 Abs. 1 AktG auf die
Aktiengesellschaft übertragbar ist, wird bezweifelt (Oberthür NZA 2011, 253,
254; Baeck/Winzer NZG 2011, 101). Dies ist noch restriktiver zu beurteilen als
für den GmbH-Geschäftsführer (Buchner/Becker § 1 MuSchG Rn 94;
Hümmerich NJW 1995, 1177, 1181).
Drittanstellung
Ganz überwiegend wird davon ausgegangen, dass der
Anstellungsvertrag des Vorstands auch mit einem Dritten, insb. mit
einer anderen Konzerngesellschaft, abgeschlossen werden kann.
Allerdings fehlt hier im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer für die
Aktiengesellschaft bislang höchstrichterliche Rechtsprechung, so dass
hier keine ausreichende Rechtssicherheit für Drittanstellungen
gegeben ist (daher krit. HKZ/Confurius C Rn 1549).
Ordentliche Kündigung durch die
Gesellschaft
Die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages ist im stets befristeten
Anstellungsvertrag nur bei entsprechender vertraglicher Regelung zulässig. Sie bedarf
keines Kündigungsgrundes, da das KSchG nicht gilt. Der Aufsichtsrat ist nicht nur für
die Abberufung als Organ, sondern auch für die Beendigung des Anstellungsvertrages
zuständig. Endet der Anstellungsvertrag (zB aufgrund einer Koppelungsklausel), auch
wenn kein wichtiger Grund iSv § 626 BGB vorliegt, ist § 622 BGB aufgrund der
vergleichbaren Interessenlage über seinen Wortlaut hinaus auch für Vorstände
anwendbar (MüKoAktG/Spindler § 84 AktG Rn 159).
Für mitbestimmte Gesellschaften nach den §§ 29, 31 MitbestG ist die Entscheidung
des Aufsichtsratsplenums bzgl. der Kündigung erst dann wirksam durchführbar, wenn
zuvor über den Widerruf der Bestellung nach § 31 MitbestG entschieden wurde. Die
Kündigung selbst unterliegt zwar nicht dem Verfahren nach § 31 Abs. 5 MitbestG,
jedoch ist vor dem Verfahren zur Kündigung nach § 29 MitbestG ein Verfahren gem.
§ 31 MitbestG zum Widerruf der Bestellung notwendig (MüKoAktG/Gach § 31
MitbestG Rn 25).
Außerordentliche Kündigung
Die Kündigung eines Dienstverhältnisses aus wichtigem
Grund ist gem. § 626 BGB stets möglich und unabdingbar
(BGH 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983). Trotz des
Verweises in § 84 Abs. 3 S. 5 AktG besteht keine Identität
mit dem Begriff des wichtigen Grundes zur Abberufung
nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG (HKZ/Breezmann D Rn 1159).
Der wichtige Grund nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG genügt
nicht stets den Anforderungen des § 626 BGB,
wohingegen ein die Kündigung des Anstellungsvertrages
rechtfertigender wichtiger Grund stets auch einen
wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung darstellt
(BGH 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 1989, 2983).
Abmahnung?
Unter Berücksichtigung der besonderen Stellung
des Vorstandsmitglieds ist eine Abmahnung
aufgrund der Arbeitgeberfunktion des Vorstands im
Innenverhältnis idR entbehrlich, da dieser auch
ohne Hinweis auf die Einhaltung seiner Pflichten
durch den Aufsichtsrat den Anforderungen an einen
ordentlichen Geschäftsmann zu entsprechen hat
(BGH 14.2.2000 , NZA 2000, 543; Oltmanns in: NK‑
AktienR AktG § 84 Rn 35). Satzung oder
Anstellungsvertrag kann allerdings eine vorherige
Anhörung oder Abmahnung vorsehen.
Abfindung
Die satzungs- oder vertragsmäßige Vereinbarung
von Abfindungen ist zwar zulässig, die Kopplung
mit einer wirksamen außerordentlichen
Kündigung kann jedoch als unzumutbare
Erschwerung der Vertragsbeendigung nach
§ 134 BGB nichtig sein (BGH 3.7.2000 – II ZR
282/98, NJW 2000, 2983).
Umdeutung
Eine unzulässige außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche
Kündigung umgedeutet werden, wenn diese vertraglich zulässig ist. Dies setzt
einen Aufsichtsratsbeschluss mit dem ggf durch Auslegung zu gewinnenden
Inhalt voraus, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin ordentlich kündigen zu
wollen.
§ 4 KSchG
Die Wahrung der Klagefrist
1. Die Erhebung der Klage bei einem ordentlichen Gericht
(KR-Friedrich, 10. Aufl. 2013, § 4 KSchG Rn. 186 f.)
Die Frist wird auch durch Klageeinreichung beim ordentlichen Gericht (AG, LG) gewahrt, wenn die Klage an das ArbG – auch erst nach Fristablauf – verwiesen wird (§ 48 ArbGG iVm § 17a Abs. 2, 4 GVG). Es ist zwar richtig, dass die Rechtswegvorschriften uneingeschränkt gelten (§§ 2, 48 ArbGG idF v. 26.6.1990 BGBl. I S. 1206) und damit die Abgrenzung zwischen den ordentlichen und den Arbeitsgerichten keine Frage der sachlichen Zuständigkeit mehr ist, sondern eine Frage des Rechtswegs (vgl. nur Zöller/Lückemann Vorbem. zu §§ 17-17b GVG Rn 10 mwN). Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben aber erhalten (§ 17b Abs. 1 S. 2 GVG), und zwar sowohl in prozessualer als auch in materieller Hinsicht (GK-ArbGG/Bader § 48 Rn 74a). Soweit durch die Klageerhebung eine Frist gewahrt wird, gilt die Wirkung der Rechtshängigkeit fort (Zöller/Lückemann § 17b GVG Rn 3), die im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit in §§ 261 Abs. 3, 262, 167 ZPO durch die Verweisung in § 46 Abs. 2 ArbGG geregelt ist (Grunsky § 46 Rn 46). Die Verweisung erhält insbes. die für die Klage vor dem Gericht, an das verwiesen wurde, etwa vorgeschriebene Wahrung der Klagefrist, wenn die Klage bei dem zunächst angerufenen Gericht rechtzeitig erhoben worden war (BGH 13.3.2006 – II ZB 26/04, BGHZ 166, 329 = NJW-RR 2006, 1113 mwN; Eyermann/Rennert VwGO, 12. Aufl., §§ 17 – 17b GVG Rn 42; BVerwG 20.1.1993 DVBl. 1993, 563 f.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 8. Aufl., § 87 Rn 6). Das gilt auch, soweit das materielle Recht (zB § 209 BGB) an die Rechtshängigkeit anknüpft (Zöller/Lückemann § 17b GVG Rn 3; Kissel/Mayer GVG, 4. Aufl., § 17 Rn 43). Das gilt dann auch für die Erhebung der Kündigungsschutzklage vor dem ordentlichen Gericht; sie wahrt die Dreiwochenfrist (Bader/BramKriebel § 4 Rn 51; LAG SA 23.2.1995 LAGE § 4 KSchG Nr. 26; LAG Köln 10.7.1998 LAGE § 4 KSchG Nr. 41; aA Lüke JuS 1996, 970: Eine Verweisung nach § 17a Abs. 2, 3 GVG reicht nur aus, wenn sie vor Fristablauf erfolgt).
Entsprechendes gilt für die formlose Abgabe der
Kündigungsschutzklage an das ArbG durch das Gericht des
unzulässigen Rechtsweges, wenn die Klage dort fristgerecht
eingereicht war und vom ArbG »demnächst« (§ 167 ZPO) zugestellt
wird (LAG SA 23.2.1995 LAGE § 4 KSchG Nr. 26a; krit. Opolony AR‑
Blattei SD 1020.3 Kündigungsschutz III Rn 121 f.; aA ArbG Hanau
30.5.1996 RzK I 10c Nr. 34, 75, das von Fristversäumung ausgeht, aber
die rechtzeitig beim Amtsgericht angebrachte, indes erst nach Ablauf
der Dreiwochenfrist beim ArbG aufgrund »Weiterleitung«
eingegangene Klage nachträglich zugelassen hat, weil der Kläger mit
einer rechtzeitigen Weitergabe habe rechnen können, dem folgend
Hess. LAG 1.10.1996 LAGE § 5 KSchG Nr. 82, konsequent, weil bei
unterstellter Fristversäumung lediglich Verschulden daran zu prüfen
ist, dazu KR-Friedrich § 5 Rdn 23 aE, aus den in Rdn 182 genannten
Gründen. Bedenken äußert Bader NZA 1997, 905, 906 Fn 20, der eine
förmliche Verweisung erwirkt wissen will).
2. Die Erhebung der Klage bei einem sonstigen Gericht
Wird die Kündigungsschutzklage innerhalb der Dreiwochenfrist beim
Sozialgericht oder beim VG eingereicht, so wird die Frist gewahrt,
wenn die Klage auf Antrag – auch erst nach Fristablauf – an das ArbGG
verwiesen wird (§ 173 VwGO iVm § 17a Abs. 2, 4 GVG; § 202 SGG iVm
§ 17a Abs. 2, 4 GVG).
Die Frist wird durch Anbringung einer Kündigungsschutzklage bei
einem kirchlichen Gericht – zB nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz
der Ev. Kirche in Deutschland – MVG.EKD – oder einer kirchlichen
Schlichtungsstelle für individualrechtliche Streitigkeiten – zB für das
Diakonische Werk in Kurhessen Waldeck e.V. (DW.KW) lt. Ordnung für
die Schlichtungsstelle v. 22.9.1966 – nicht gewahrt (KDZ-Zwanziger Rn
35 unter Hinweis auf LAG Hamm 24.1.1994 – 7 Sa 1941/93, EzA-SD
8/1994, 11 = KirchE 32, 10).