Ein ganz heißes Eisen: Mehr Personal erzwingbar durch die Einigungsstelle?
Als ganz „heißes Eisen“ hat sich dabei ein Einigungsstellenspruch erwiesen, der gegen den Willen der Arbeitgeberin dem Betriebsrat in Gestalt einer „Mindestbesetzung“ mehr Personal zusprach. Das ArbG Kiel, 26.7.2017 – 7 BV 67c/16 hatte die Anfechtung des Einigungsstellenspruchs durch die Arbeitgeberin zurückgewiesen.
Die Vorgabe einer Mindestbesetzung mit Pflegepersonal sei eine Maßnahme, mit der einer Gesundheitsgefährdung der eigenen Arbeitnehmer durch Überlastung begegnet werden könne. Der damit verbundene Eingriff in die unternehmerische Freiheit (Art. 12 GG) habe ggf. zu Gunsten der Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 2 GG und aus Art. 31 der EU-Grundrechte-Charta, wonach jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen sowie auf eigene körperliche Unversehrtheit habe, zurückzutreten.
Das LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.4.2018, 6 TaBV 21/17 hingegen hat den Beschluss des ArbG Kiel aufgehoben und die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle über die Mindestbesetzung festgestellt. Der Spruch sei unwirksam, weil er in der Frage der Mindestbesetzung der Systematik des BetrVG zuwiderlaufe. Denn der Gesetzgeber habe – wie die Gesetzesbegründung zeige – dem Betriebsrat im Rahmen der Personalplanung des § 92 BetrVG bewusst (nur) Mitwirkungsrechte eingeräumt. Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Personalplanung und mithin bei der Frage der Personalstärke stehe dem Betriebsrat nicht zu. Das ist eigentlich auch Konsens, denn Personalplanung und Personalstärke sind freie unternehmerische Entscheidungen. So hat der Betriebsrat nach verbreiteter Ansicht denn auch schon kein Beratungsrecht, geschweige denn ein Mitbestimmungsrecht, bei der Personalbedarfsplanung, sondern ist vielmehr erst bei der Personalbestandsplanung und der Personaldeckungsplanung, also bei der Planung der Personalfreisetzung oder der Personalbeschaffung. Diese gesetzgeberische Wertung könne durch eine Einigungsstelle zum Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht durchbrochen werden. Auch erfasse das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei dem Aufbau einer Organisation zum Gesundheitsschutz nach § 3 Abs. 2 ArbSchG zwar den Aufbau einer Organisationsstruktur sowie deren Abläufe und damit auch die Zuweisung entsprechender Aufgaben an den Kreis der Führungskräfte. Diese mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen hätten sich aber an den betrieblichen Gegebenheiten zu orientieren, zu denen die von der Arbeitgeberin vorgegebene Zahl der Beschäftigten gehörten. Selbst bei Annahme einer konkreten Gefährdung hat die die Einigungsstelle also mit ihrem Spruch laut LAG die Grenzen dessen, was nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG erzwingbar sei, auch inhaltlich überschritten. Bei der Personalplanung des Arbeitgebers habe der Betriebsrat nicht erzwingbar mitzubestimmen. Er könne nach § 92 BetrVG allenfalls eine Unterrichtung und Beratung verlangen. Wie der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 ArbSchG verdeutlicht habe, sei die vom Arbeitgeber festgelegte Zahl der Beschäftigten bei Planung und Durchführung der Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG zu berücksichtigen. Der Überlastungsschutz müsse also durch andere Maßnahmen, etwa auf organisatorischer Ebene, gewährleistet werden.
Erledigt ist das Thema damit aber noch lange nicht, denn das LAG Schleswig Holstein hat die Revision zugelassen. Ob der “politischen Sprengkraft” der Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein für verschiedene Branchen wird das BAG also im Rahmen der Revision wohl die Gelegenheit erhalten, Stellung zu nehmen und sich mit den Argumenten des LAG Schleswig-Holsteins zu beschäftigen.
Allerdings ist m.E. wohl nicht damit zu rechnen, dass dem Betriebsrat über die erzwingbare Mitbestimmung Einflussnahmen auf die Personalstärke zugebilligt werden.