Betriebsverfassungsrecht in der anwaltlichen Beratungspraxis
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1. Teil
Verhältnis zu den Gewerkschaften
Unterschiede
Betriebsrat
Der Betriebsrat ist gewählter Sprecher
der gesamten Belegschaft und kann im
Konfliktfall nur die Einigungsstelle oder
das Arbeitsgericht einschalten, jedoch
keinen Arbeitskampf führen. Das folgt
aus § 74 BetrVG:
Gewerkschaft
Eine Gewerkschaft ist danach eine auf freiwilliger Basis errichtete privatrechtliche Vereinigung von Arbeitnehmern, die als satzungsgemäße Aufgabe den Zweck der Wahrnehmung und Förderung jedenfalls auch
der wirtschaftlichen Interessen ihrer
Mitglieder verfolgt, die gegnerfrei, in ihrer Willensbildung strukturell unabhängig von Einflüssen Dritter und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert ist, und Tariffähigkeit, das heißt die rechtliche Fähigkeit besitzt, die
Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder
tarifvertraglich mit normativer Wirkung zu regeln (BAG, Beschluß vom 19. 9. 2006 – 1 ABR 53/05 NZA 2007, 518)
Gewerkschaftsrechte nach dem
Betriebsverfassungsgesetz
Gemäß §§ 17, 16 BetrVG können die Gewerkschaften Einfluss auf die Bildung betriebsverfassungsrechtlicher Organe nehmen (Kreationsrecht).
Gemäß §§ 14 Abs. 3, 17 Abs. 3, 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 BetrVG bestehen umfassende Rechte bei den BR-Wahlen (von der Einberufung der Betriebsversammlung bis hin zur Anfechtung der Wahl).
Gemäß § 3 BetrVG können durch Tarifvertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen Betriebe zusammengefasst werden.
Servicefunktionen
Bezugspunkte im Kündigungsschutzgesetz
§ 3 KSchG
Wenig praktische Bedeutung
§ 1 Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 KSchG, § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG
Erfasst sind Kündigungen, die gegen
– eine Auswahlrichtlinie des § 95 BetrVG (§ 76 BPersVG)
verstoßen (§ 1 Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 a) und 2 a) KSchG) oder
– denen der Betriebsrat (oder der Personalrat) nach § 102 Abs.
2 BetrVG (oder § 79 BPersVG) wegen anderweitiger
Beschäftigungsmöglichkeiten widersprochen hat (§ 1 Abs. 2 S.
2 Ziff. 1 b) bzw. 2b).
Eingeschränkte Funktion
§ 1 Abs. 2 S. 2 KSchG erleichtert lediglich die Darlegungslast für den
Arbeitnehmer, in dem er sich die Begründung des Betriebsrats im Prozess zu
eigen machen kann.
Interessenausgleich und Sozialplan
Interessenausgleich
Der Interessenausgleich ist nicht erzwingbar (§ 112 Abs. 4
BetrVG). Er regelt nämlich das Ob, Wie und Wann der
Maßnahme bzw. Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG, also
die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung.
Sozialplan
Anders als der Interessenausgleich ist der Sozialplan „als
Betriebsvereinbarung besonderer Art“ erzwingbar, der
Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG findet gem. § 112 Abs. 1 S.
4 BetrVG keine Anwendung und der Sozialplan kann auch noch
nach der durchgeführten Betriebsänderung im Nachhinein die
Rechte schon ausgeschiedener Mitarbeiter regeln.
Aus Arbeitgebersicht
Interessenausgleich
Der Arbeitgeber muss den Interessenausgleich also „nur“
mit ernsthaftem Willen verhandeln, ein Anspruch auf
Abschluss besteht nicht, er kann nicht in der
Einigungsstelle erzwungen werden. Der Arbeitgeber muss
die Verhandlungen aufnehmen (Initiativlast), der
Betriebsrat muss sich auf die Verhandlungen einlassen.
Wie lange die Verhandlungen dauern „müssen“, ist nicht
festgelegt; der Arbeitgeber möchte schnell verhandeln,
der Betriebsrat mitunter verzögern. Die Verhandlungen
müssen „voll ausgeschöpft“ werden.
Einigungsstelle anrufen
- Beim Scheitern der Verhandlungen muss der
Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen. Ein
einvernehmlicher Verzicht auf die Anrufung
der Einigungsstelle wegen Aussichtslosigkeit
einer Einigung ist nicht zulässig.
Individualrechtliche Konsequenz
Verhandelt der Arbeitgeber überhaupt keinen Interessenausgleich
oder bricht er die Verhandlungen vorzeitig ab oder unterlässt er das
Anrufen der Einigungsstelle, hat das individualrechtlich folgende
Konsequenzen:
– die ausgesprochene Maßnahme (Kündigung) ist nicht unwirksam,
d.h. die Theorie der materiellen Wirksamkeitsvoraussetzung gilt
nicht und es gibt auch keine anderen Unwirksamkeitsgründe (wie
beispielsweise § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG).
– Der Arbeitnehmer hat „nur“ einen Nachteilsausgleichsanspruch
aus § 113 Abs. 3 BetrVG.
– Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber vom Interessenausgleich
abweicht (§ 113 Abs. 1 u. 2 BetrVG).
Kollektivrechtliche Konsequenz
Der Betriebsrat kann den Unterrichtungsanspruch durch
Leistungsantrag im Beschlussverfahren durchsetzen, was aber
regelmäßig zu lange dauert, zumal die Zwangsvollstreckung im
Beschlussverfahren gem. § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG nur aus
rechtskräftigen Beschlüssen erfolgt
Einstweilige Verfügung
- Unterrichtungsanspruch
- Unterlassungsanspruch
Ob der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch hat und ob er diesen gar im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann, ist ein „arbeitsrechtlicher Dauerbrenner“ (siehe zuletzt Gruber NZA 2011, 1011 und Willemsen AnwbL. 1/2012, 23) und kontrovers diskutiert, zumal bislang „klärende Worte“ des BAG fehlen.
Erfüllungsanspruch
Das BAG lehnt (zwingend) einen Erfüllungsanspruch ab (BAG,
Beschluss vom 28.08.1991 – 7 ABR 72/90 NZA 1992, 41:
„Der Betriebsrat kann nicht im Wege der einstweiligen Verfügung
die Einhaltung eines Interessenausgleichs erzwingen“.
Sozialplan
Rahmensozialplan
Der Sozialplan kann als Rahmensozialplan abstrakt für künftige
Betriebsänderungen aufgestellt werden, was beim Interessenausgleich
nicht möglich ist (Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger Teil 2 B Rn. 34
auch zum prozessorientierter Interessenausgleich sein, sog. PIA und
Fitting §§ 112, 112a Rn. 10: nur die konkret geplante Betriebsänderung
kann Gegenstand des Interessenausgleichs sein).
Reiner Personalabbau
Die Sozialplanpflicht wird ausnahmsweise bei einem reinen Personalabbau gemäß §§ 111 S. 3 Ziff. 1, 112 a BetrVG eingeschränkt.
Die Einschränkung setzt zunächst voraus, dass nicht mehr als die in § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 – 4 BetrVG genannten Arbeitnehmer entlassen werden.
Weiterhin ist aber erforderlich, dass es sich um einen reinen Personalabbau handelt, also nicht noch eine andere Form der Betriebsänderung in Betracht kommt. Dann greift die Sperrwirkung nicht.
Problematisch beim reinen Personalabbau ist die Schnittstelle zur
Betriebseinschränkung durch reinen Personalabbau in § 111 Nr. 1 – 4
BetrVG. Hier gilt nicht § 112a BetrVG sondern § 17 KSchG, der geringere
Zahlenwerte enthält. In Fällen des reinen Personalabbaus kann also durchaus
eine Betriebsänderung vorliegen, die aber nicht sozialplanpflichtig ist.
Beispiel
In einem Betrieb mit 120 Mitarbeitern sollen 15 Mitarbeiter entlassen
werden.
Das ist nach § 17 KSchG anzeigepflichtig (mehr als 10 % der Arbeitnehmer),
aber nicht nach § 112a BetrVG sozialplanpflichtig (weder 20 % noch
mindestens 37 Arbeitnehmer).
Lösung
In diesem Fall muss ein Interessenausgleich, aber kein Sozialplan
verhandelt werden. Wird der Interessenausgleich „übersehen“,
ist der Vorteil der fehlenden Sozialplanpflicht wegen des
Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG dahin.
Weigerung des Arbeitgebers
Verweigert der Arbeitgeber den Abschluss eines Sozialplans, obwohl er dazu
verpflichtet ist, kann der Betriebsrat gemäß § 98 ArbGG die Einsetzung einer
Einigungsstelle zum Zwecke des Verhandelns eines Sozialplans beantragen.
Konsequenzen für die Praxis?
Im Ergebnis werden in der Praxis die rechtlichen „Feinheiten“
des § 111 BetrVG gar nicht weiter geprüft, sondern freiwillige
Interessenausgleiche und Sozialpläne abgeschlossen.
Aus Arbeitnehmersicht
Namensliste,
auch Henkersliste oder Todesliste genannt
§ 1 Abs. 5 KSchG
Voraussetzungen
Standort?
Interessenausgleich
Voraussetzungen
Grundlegende Voraussetzung ist das Vorliegen einer
Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG.
Ein freiwilliger Interessenausgleich reicht für die
Privilegierung der Namensliste nicht!
Der Arbeitgeber muss also substantiiert vortragen, d.h.
darlegen und beweisen, dass Grundlage des
Interessenausgleichs eine Betriebsänderung im Sinne von §
111 BetrVG ist.
Formelle Voraussetzungen
Der Interessenausgleich ist gemäß § 112 Abs. 1 BetrVG schriftlich
niederzulegen und von Arbeitgeber und Betriebsrat zu
unterschreiben.
Ist die Namensliste nicht im Interessenausgleich, sondern als
Anlage hierzu enthalten, müssen beide schon vor
Unterschriftsleistung miteinander verbunden gewesen sein und
dürfen nicht erst später zusammengeheftet werden.
Zustandekommen
Der Interessenausgleich ist nach hM keine Betriebsvereinbarung, sondern
eine Kollektivvereinbarung eigener Art; das ist die Konsequenz daraus bzw.
der Grund dafür, dass der Betriebsrat nicht auf Erfüllung bestehen kann
(Naturalobligation). Er unterliegt zwingend dem Schriftformerfordernis als
Wirksamkeitsvoraussetzung.
Sein Zustandekommen erfordert eine Einigung der Betriebsparteien gem. §§
145 ff. BGB .
Ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss
Die Willensbildung auf Seiten des Betriebsrats erfolgt durch
Beschluss (§ 26 Abs. 2 S. 1 BetrVG).
Der Vorsitzende vertritt den Betriebsrat nur im Rahmen der
gefassten Beschlüsse. Er hat lediglich die vom Betriebsrat in
Ausübung seiner Pflichten und Befugnisse gefassten
Beschlüsse auszuführen. Nur insoweit kann er bindende
Erklärungen abgeben.
Überschreitet der Vorsitzende seine Vertretungsbefugnis,
indem er ohne Beschlussfassung eine Erklärung abgibt, ist
diese für den Betriebsrat nicht bindend und unwirksam.
Entsprechendes gilt, wenn ein Beschluss nicht
ordnungsgemäß zustande gekommen ist.
Genehmigungsfähigkeit des Handelns
des Vorsitzenden?
– Ein Beschluss über die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers erst nach einer
Schulungsteilnahme des Betriebsratsmitglieds (§ 37 Abs. 2 BetrVG) heilt nicht,
es entsteht also keine Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG
begründet.
– Die Bestellung und die Honorarzusage eines Einigungsstellenbeisitzers kann
durch rückwirkend genehmigenden Beschluss herbeigeführt werden.
– Bis zum Abschluss erster Instanz kann ein genehmigender Beschluss für die
Mandatierung des Prozessbevollmächtigten zur Einleitung eines Verfahrens
mit Rückwirkung gefasst werden kann.
– Eine ohne (wirksamen) Betriebsratsbeschluss abgeschlossene
Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 2 BetrVG) kann durch ordnungsgemäßen
Genehmigungsbeschluss rückwirkend wirksam werden. Im
Einigungsstellenverfahren behilft man sich in Zweifelsfällen aber mit einem
„einvernehmlichen Spruch“.
– Auch der Interessenausgleich mit Namensliste kann demzufolge mit
rückwirkender Kraft genehmigt werden.
Vertrauensschutz
Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn der Beschluss nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes „wirksam“ ist, was aber nur ausnahmsweise bei gesetztem Anschein in Betracht kommt.
Im Rahmen des § 102 BetrVG greift die Sphärentheorie, wenn der Arbeitgeber die fristen abwartet.
Bei § 103 BetrVG dagegen gilt die Zustimmung als verweigert, wenn der Betriebsrat sie nicht innerhalb von 3 Tagen ausdrücklich erklärt.
Personelle Mitbestimmung
§§ 99 – 105 BetrVG
§ 99 BetrVG
Die Mitbestimmung in § 99 BetrVG unterscheidet sich von der des § 87
BetrVG dadurch, dass der Betriebsrat seine Zustimmung nur beim
Vorliegen bestimmter, abschließend genannter Gründe verweigern
darf. Es handelt sich mithin um eine gebundene Mitbestimmung. Ihre
Eigenart liegt darin, dass im Streitfall nicht die Einigungsstelle nach
»billigem Ermessen« (§ 76 Abs. 5) entscheidet, sondern das
Arbeitsgericht die Berechtigung der Zustimmungsverweigerung
überprüft (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
Geregelte Sachverhalte
§ 99 BetrVG regelt Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und
Versetzungen. Die Aufzählung ist abschließend.
Fristen und Begründung
Gemäß § 99 Abs. 3 Satz eins BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung
binnen einer Woche unter Angabe von Gründen schriftlich verweigern. Lässt
er die Frist verstreichen oder erklärt keine wirksame
Zustimmungsverweigerung, so gilt die Zustimmung als erteilt, § 99 Abs. 3 Satz
2 BetrVG. Der Betriebsrat genügt seiner Begründungspflicht schon dann,
wenn es als möglich erscheint, dass mit der von ihm gegebenen Begründung
einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend
gemacht wird. Nur eine Zustimmung, die offensichtlich auf keinen der
gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist unbeachtlich.
Rechtsstreitigkeiten
2. Möglichkeiten im Beschlussverfahren:
– Ersetzung der Betriebsratszustimmung gemäß § 99 Abs. 4
BetrVG
– Streitfragen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines
Mitbestimmungsrechts
Antrag
bei Klärung des Mitbestimmungsrechts
Es wird festgestellt, dass dem Betriebsrat bei dem Einsatz von
Arbeitnehmern der Firma … im Betrieb des Arbeitgebers kein/ein
Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht.
Antrag des Arbeitgebers
bei Zustimmungsverweigerung
1. Möglichkeit im Falle §§ 99 Abs. 3 S. 2 , 100 BetrVG
(Zustimmung gilt als erteilt, weil Frist versäumt):
§ 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG
Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur
Einstellung/Versetzung/Eingruppierung/Umgruppierung des
Mitarbeiters Name als erteilt gilt.
§ 99 Abs. 4 BetrVG
Die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur
Einstellung/Versetzung/Eingruppierung/Umgruppierung des
Mitarbeiters Name wird ersetzt.
Kombination mit vorläufiger Maßnahme
§§ 99, 100 BetrVG
- Die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur
Einstellung/Versetzung/Eingruppierung/Umgruppierung des Mitarbeiters
Name wird ersetzt.
- Es wird festgestellt, dass die vorläufige Einstellung/Versetzung des
Mitarbeiters Name aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Frist bei der vorläufigen Maßnahme
§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG
Der Arbeitgeber muss innerhalb von nur drei Tagen nach
Zustimmungsverweigerung (§ 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) den
Antrag stellen und ihnen mit der Ersetzung der Zustimmung
verbinden.
Nur wenn der Betriebsrat nicht fristgerecht und nicht
formgerecht verweigert hat, kann ein Antrag nach § 99 Abs. 4
unterbleiben.
Einstweilige Verfügung
Eine einstweilige Verfügung zur Ersetzung der Zustimmung kann der
Arbeitgeber nicht beantragen. Dies folgt aus § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der
dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, die Maßnahme als vorläufige
personelle Maßnahme durchzuführen.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich über die
Durchführung informiert. Die vorläufige personelle Maßnahme muss aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich sein.
Die Anträge des Betriebsrats aus §
101 BetrVG
Gem. § 101 BetrVG
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, die Einstellung/Versetzung
des Arbeitnehmers A in der Abteilung A/in die Abteilung A
aufzuheben.
Unterlassungsanspruch?
Das BAG hat durch Beschluss vom 23. 6. 2009 – 1 ABR 23/08
einen Unterlassungsanspruch abgelehnt:
„Die Entscheidung des Gesetzgebers für den
Aufhebungsanspruch nach § 101 S. 1 BetrVG schließt einen
allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur
Verhinderung betriebsverfassungswidrig durchgeführter
personeller Einzelmaßnahmen aus“.
Rechtsfolgen bei rechtskräftiger Verweigerung einer
Einstellungszustimmung
– Arbeitsvertrag ist wirksam;
– keine Beschäftigungserlaubnis
– aber: Entgeltanspruch
– Arbeitgeber kann kündigen
– Bei Kenntnis des Arbeitnehmers sogar fristlos
Versetzung
Eine Versetzung ohne Zustimmung des Betriebsrats oder ohne
Ersetzung der Zustimmung gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ist dem
Arbeitnehmer gegenüber unwirksam. Der Arbeitnehmer ist
nicht verpflichtet, an dem betriebsverfassungswidrig
zugewiesenen Arbeitsplatz zu arbeiten. Die Weigerung hierzu
stellt keine vertragswidrige Arbeitsverweigerung dar und lässt
den Entgeltanspruch gemäß §§ 614, 615 BGB nicht entfallen.
Eine ordnungsgemäß als vorläufige Maßnahme nach § 100
BetrVG durchgeführte Versetzung ist dem Arbeitnehmer
gegenüber dagegen wirksam, bis sie möglicherweise gemäß §
100 Abs. 3 endet.
Änderungskündigungen
Zwickmühle bei
wirksamer Änderungskündigung
Der Arbeitnehmer kann bei fehlender Zustimmung des
Betriebsrats trotz wirksamer Änderungskündigung die Arbeit zu
den geänderten Bedingungen zu verweigern. Selbst durch die
rechtskräftige Abweisung eines Antrags auf Ersetzung der vom
Betriebsrat verweigerten Zustimmung wird die Ausführung der
mit der Änderungskündigung beabsichtigten Vertragsänderung
nicht dauernd unmöglich i. S. von § 275 Abs. 1 BGB.
Der Arbeitgeber kann nach Ansicht des BAG den Betriebsrat
gegebenenfalls mehrmals hintereinander um Zustimmung zur
Versetzung desselben Arbeitnehmers auf denselben (neuen)
Arbeitsplatz ersuchen.
Anhörung nach § 102 BetrVG
– Unverzichtbares Recht
– Fehlerhafte Anhörung hat Unwirksamkeit der Kündigung zur
Folge (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG)
Sphären(theorie)
Arbeitgeber
– Leitet Verfahren ein
– Informiert über:
– Kündigungsabsicht,
– die Person des Arbeitnehmers,
– die Art der Kündigung,
– die Kündigungsfrist,
– den Kündigungstermin,
– Konkreten Kündigungssachverhalt
– Nach den Grundsätzen der
subjektiven Determination
Betriebsrat
– Lädt zu einer
Betriebsratssitzung laden (§
29 BetrVG),
– Berät dort über die
Kündigung
– Fasst einen Beschluss
fassen.
Schweigen des Betriebsrats
Schweigt der Betriebsrat, d.h. äußert er sich nicht, muss der
Arbeitgeber in jedem Fall die Äußerungsfristen abwarten.
Kommt es zu einer abschließenden Stellungnahme vor Ablauf
der Fristen, kann mit Zugang gekündigt werden. Allerdings
können in einer solchen Situation durchaus Missverständnisse
auftreten.
Sphärentheorie
Fehler bei der Beschlussfassung oder bei der Zustimmung gehen
also nicht zu Lasten des Arbeitgebers und wirken sich damit auch
nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers aus, selbst wenn der
Arbeitgeber die Mängel kennt, sofern er die Äußerungsfristen
abgewartet hat.
Darlegungs- und Beweislast im
Prozess
Im Prozess vor dem Arbeitsgericht muss zunächst der Arbeitnehmer darlegen,
dass überhaupt ein Betriebsrat besteht und der gekündigte Arbeitnehmer
diesem Betrieb angehört.
Steht die Existenz eines Betriebsrats fest, genügt zunächst das Bestreiten
einer ordnungsgemäßen Anhörung mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO.
Jetzt muss der Arbeitgeber konkret darlegen (und natürlich beweisen), wie er
das Anhörungsverfahren eingeleitet und durchgeführt hat. Ist das gelungen,
muss nun wieder der Arbeitnehmer konkrete Beanstandungen vornehmen.
Dabei genügt es nach Auffassung des BAG, wenn der Arbeitnehmer einzelne
Tatsachen (oder das gesamte Vorbringen) konkret mit Nichtwissen bestreitet,
sofern er die Tatsachen genau bezeichnet und auch erklärt, welche
Gegebenheiten sich seiner eigenen Wahrnehmung entzogen haben.
Ungewöhnliche Verläufe wie die Behauptung, der Betriebsrat sei bedroht
worden, muss der Arbeitnehmer beweisen
Verfahren gem. § 103 BetrVG
§ 15 KSchG
§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG
beachten
Besonderheiten
– Das betroffene Betriebsratsmitglied darf nicht mitberaten
oder mitstimmen.
– Hat der Betriebsrat nur ein Mitglied, muss sogleich ein Antrag
beim Arbeitsgericht nach § 103 Abs. 2 BetrVG gestellt werden.
– Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung nicht innerhalb von
drei Tagen oder gibt er innerhalb von drei Tagen keine
Erklärung ab, gilt die Zustimmung als verweigert.
-Der Arbeitgeber darf erst kündigen, wenn das
Zustimmungsersetzungsverfahren rechtskräftig
abgeschlossen ist.
-Ersetzt das Arbeitsgericht die Zustimmung, so muss der
Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach formeller
Rechtskraft des Beschlusses kündigen, sonst verliert der
Beschluss seine Wirkung.
-Was in der Praxis in diesem Zusammenhang häufig
übersehen wird, dass in dem Beschlussverfahren nach §
103 Abs. 2 BetrVG auch hilfsweise ein
Ausschließungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG gestellt
werden kann.
Soziale Mitbestimmung § 87 BetrVG
Kernbereich der Mitbestimmung
Grundsätze
Die Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG sind
– Erzwingbar
– Unverzichtbar
– Abschließend geregelt
Instrument der Mitbestimmung
– Betriebsvereinbarung
– Regelungsabrede
– Einigungsstelle
– Initiativrecht des Betriebsrats
§ 77 Abs. 3 BetrVG
Regelungssperre
Sperrgebiet
§ 77 Abs. 3 Satz 1 ist eine Kompetenznorm. Es kommt für die
Anwendbarkeit nicht auf die Tarifgebundenheit des
Arbeitgebers und erst recht nicht des Arbeitnehmers an. Die
Sperrwirkung greift schon überall dort, wo der Betrieb unter
den räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des
Tarifvertrags fällt, der eine die Sperrwirkung auslösende
Bestimmung enthält.
Auch kein Günstigkeitsprinzip
Soweit § 77 Abs. 3 BetrVG greift, gilt nicht einmal das Günstigkeitsprinzip des
§ 4 Abs. 3 TVG; auch für den Arbeitnehmer günstigere als die
tarifvertraglichen Bestimmungen sind zum Schutz der Koalitionsfreiheit
ausgeschlossen!
Aber nach der Rspr. des BAG :
Regelungsabrede möglich
Umstritten in der Literatur
Jedoch: Unterlassungsanspruch der
Gewerkschaft bei den Bündnissen für Arbeit
BAG NZA 1999, 897
Verhältnis zu § 87 Abs. 1 BetrVG
?
Theorienstreit
BAG wendet Vorrangstheorie und nicht die Zwei-Schranken‑
Theorie an, d.h. § 77 Abs. 3 BetrVG greift nicht.
Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 BetrVG greift nur, wenn tatsächlich
auch ein Tarifvertrag existiert. Lediglich üblicherweise tariflich
geregelte Arbeitsbedingungen können somit im Rahmen der
Mitbestimmungsangelegenheiten gemäß § 87 Abs. 1 die
betriebsverfassungsrechtliche Regelungskompetenz
grundsätzlich nicht verdrängen.
Freiwillige Betriebsvereinbarungen
Freiwillige Betriebsvereinbarungen oder ein Interessenausgleich gem. § 112
Abs. 1 Satz 1 in Form einer freiwilligen Betriebsvereinbarung unterliegen der
Regelungssperre nach Abs. 3, da § 88 im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 keine im
Vergleich zu Abs. 3 speziellere Regelung enthält.
Wirkung der Betriebsvereinbarungen
Die Normen der Betriebsvereinbarungen gelten nach Abs. 4 Satz
1 ebenso wie Tarifnormen (§ 4 Abs. 1 TVG) unmittelbar und
zwingend zugunsten der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer
des Betriebs. Sie sind unabdingbar, d. h., sie können nicht
zuungunsten der Arbeitnehmer durch Einzelabmachungen
geändert werden.
Günstigkeitsprinzip
Es gilt das Günstigkeitsprinzip, d.h. für Arbeitnehmer günstigere
Bestimmungen sind selbstverständlich zulässig
Durchsetzung der Mitbestimmungsrechte in
der Einigungsstelle
Die Einigungsstelle ist weder ein Gericht noch eine
Verwaltungsbehörde, sondern ein Organ der Betriebsverfassung,
das von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam gebildet wird.
– § 37 Abs. 6 und 7 Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für
BR-Mitglieder;
– § 38 Abs. 2 Freistellung von BR-Mitgliedern;
– § 39 Abs. 1 Zeit und Ort der Sprechstunden des BR;
– § 47 Abs. 6 Herabsetzung der Zahl der GBR-Mitglieder;
– § 55 Abs. 4 Herabsetzung der Zahl der KBR-Mitglieder;
– § 65 Abs. 1Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für JAV;
– § 69 Zeit und Ort der Sprechstunden der JAV;
– § 72 Abs. 6 Herabsetzung der Zahl der Gesamt-Jugend- und
Auszubildendenvertretung;
– § 85 Abs. 2 Berechtigung der Beschwerde eines AN;
– § 87 Abs. 2 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten;
– § 91 Maßnahmen bei Änderungen von Arbeitsablauf und
Arbeitsumgebung;
– § 94 Abs. 1 und 2 Personalfragebogen, persönliche Angaben in
Arbeitsverträgen und Aufstellung allgemeiner
Beurteilungsgrundsätze;
– § 95 Abs. 1 und 2 Ausführung von Auswahlrichtlinien und deren
Inhalt;
– § 97 Abs. 2 Einführung von Maßnahmen betrieblicher
Berufsbildung, Tätigkeits- und Anforderungsänderungen;
– § 98 Abs. 4 Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen;
– § 109 Auskunfterteilung in wirtschaftlichen Angelegenheiten;
– § 112 Abs. 4 Aufstellung eines Sozialplans;
– § 116 Abs. 3 Nrn. 2, 4 und 8 Fragen, die den See-BR betreffen.
Kosten
Die Kosten des Verfahrens trägt gem. § 76a BetrVG der
Arbeitgeber.
Gerichtliche Auseinandersetzungen
Beschleunigtes Verfahren gem. § 98 ArbGG.
Deswegen keine einstweilige Verfügung möglich.
Anträge
- einen Vorsitzenden für eine Einigungsstelle mit dem
Regelungsgegenstand … zu bestellen.
- für diese Einigungsstelle die Anzahl der Beisitzer, die von
Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, festzusetzen.
Ergebnis der Einigungsstelle
Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle Thema
vom Datum unwirksam ist, alternativ:
Es wird festgestellt, dass Paragraph bzw. Nummer des Spruchs
der Einigungsstelle Thema vom Datum unwirksam ist.
Durchführung von
Betriebsvereinbarungen
Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf
einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt gemäß § 77 Abs. 1 BetrVG
der Arbeitgeber durch, es sei denn, das im Einzelfall etwas anderes vereinbart
ist.
Abgrenzung kollektivrechtlicher und individualrechtlicher Ansprüche
Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet zwischen den Fällen, in
denen durch die Betriebsvereinbarung normativ Ansprüche der
Arbeitnehmer begründet werden, und dem Anspruch des
Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung.
Darauf, dass auch die normativ begründeten Ansprüche der
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erfüllt werden, hat der
Betriebsrat keinen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. 9. 2009
- Der Betriebsrat kann gem. § 77 Absatz I BetrVG vom Arbeitgeber
verlangen, dass eine Betriebsvereinbarung abredegemäß durchgeführt
wird. Dieser Durchführungsanspruch erstreckt sich nicht nur auf die
Wirksamkeit und die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, sondern
auch auf deren Auslegung.
- Indessen können Ansprüche der Arbeitnehmer, die in Normen einer
Betriebsvereinbarung ihre Grundlage haben, nicht im
Beschlussverfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber durchgesetzt
werden. Aus dem Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer
Betriebsvereinbarung nach § 77 Absatz I BetrVG folgt nicht die
Befugnis, vom Arbeitgeber aus eigenem Recht die Erfüllung von
Ansprüchen der Arbeitnehmer aus dieser Betriebsvereinbarung zu
verlangen
Unterlassungsanspruch
BAG vom 3.5.1994 (1 ABR 24/93 NZA
1995, 40)
Der Betriebsrat ist nicht auf den Durchführungsanspruch
angewiesen, er hat neben dem Anspruch des § 23 Abs. 3
BetrVG auch einen allgemeinen Unterlassungsanspruch.
Das wird zwar noch kritisiert, aber seit der Rechtsprechung
des :
„Dem Betriebsrat steht bei Verletzung seiner
Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf
Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu.
Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des
Arbeitgebers i.S. des § 23 III BetrVG voraus. Insoweit gibt
der Senat seine entgegenstehende Rechtsprechung auf“.
Einstweilige Verfügung
Der Betriebsrat kann den Unterlassungsanspruch ggf. durch
Erlass einer einstweiligen Verfügung durchsetzen.
Problem
?
Das ist deswegen besonders problematisch, weil es sich bei der
Unterlassungsverfügung regelmäßig um eine
Befriedigungsverfügung handelt, die entgegen dem vorläufigen
Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes die Angelegenheit
endgültig klärt. Deswegen werden hohe Anforderungen an
Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund gestellt.
Wächteramt des § 80 BetrVG
Dieses so genannte „Wächteramt“ gewährt dem Betriebsrat
wieder ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht noch einen
Anspruch auf unterlassen der beanstandenden Maßnahme, er
steht „auf verlorenem Posten“, hat die „Rolle des Schutzmannes
in einer Operette, seine Waffe ist eine Schreckschusspistole“.
Ordnungsgeld
Ein über 10.000 € hinausgehendes Ordnungsgeld ist wegen § 23 Abs. 3
BetrVG nicht möglich.
Formulierung der Anträge
- Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen,
Überstunden ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des
Betriebsrats anzuordnen oder zu dulden, soweit nicht ein Notfall
vorliegt, es sich um leitende Angestellte handelt, keine kollektive
Maßnahme vorliegt oder es um arbeitskampfbezogene
Überstunden geht.
- Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung
aus Ziff. 1 wird der Antragsgegnerin pro Tag und pro betroffenem
Arbeitnehmer ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft.
Informationsrechte der Betriebsratsmitglieder
Die Informationsrechte des Betriebsrats sind z. B. in den §§ 80, 81, 85 III, 89 IV, V, 90, 92, 99, 100 II, 102 I, 105, 106, 108 V, 111 BetrVG geregelt.
Außerhalb des BetrVG sind zu beachten:
– § 17 KSchG (Massenentlassungen),
– § 5 EBRG (Anzahl und Verteilung der Arbeitnehmer im Konzern),
– §§ 7 III, 20 TzBfG (Teilzeitbeschäftigung, befristete Arbeitsverhältnisse) und
– §§ 5 III, 126 III, 194 II UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung).
– § 183 IV SGB III verpflichtet den Arbeitgeber, einen Beschluss des
Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels
Masse insb. dem Betriebsrat unverzüglich bekanntzugeben.
– § 9 II ASiG legt den Betriebsärzten und den Fachkräften für Arbeitssicherheit auf,
den Betriebsrat über wichtige Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der
Unfallverhütung zu unterrichten.
– § 6 I ArbSchG gibt einen Informationsanspruch