Betriebsbedingte Kündigung – sehr instruktiv
BAG: Betriebsbedingte Kündigung – Dauerhafter Rückgang des Arbeitsvolumens und Kurzarbeit, Urt. v. 23. 2. 2012 − 2 AZR 548/10 NZA 2012, 852 ff.
Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:
1. Es fehlt an einem betrieblichen Erfordernis zur wirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. des § 1 II KSchG, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen.
2. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist; das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, in dem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht.
3. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf.
4. Entfällt der Beschäftigungsbedarf für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer auf Grund weiterer, später eingetretener Umstände dauerhaft, kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung vorliegen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Möglichkeiten zur Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, die ihm die Regelungen zur Kurzarbeit bieten, in vollem Umfang ausgeschöpft hat.
Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung: Fortführung der Senatsrechtsprechung zu 1: BAG, NZA 2006, 1007 Os. = NJOZ 2006, 3089; zu 2: BAG, NZA 1997, 1289 = NJW 1998, 627; zu 3: BAG, NZA 1997, 1286 = NJW 1998, 627.
Hinweis des Senats: Parallelentscheidung zu BAG, Urt. v. 23. 2. 2012 – 2 AZR 482/11.
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Angesichts weiter rückläufiger Aufträge entschloss sich die Bekl. am 19. 5. 2009, zahlreiche Arbeitsplätze, darunter den des Klägers, ab 1. 10. 2009 wegfallen zu lassen. Mit seiner vorliegenden Klage hat sich der Kl. gegen die Kündigung gewandt und seine vorläufige Weiterbeschäftigung als Arbeiter in der Rohrzieherei begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die Entscheidung der Bekl. laufe auf einen bloßen Stellenabbau verbunden mit einer Neuverteilung der bisherigen Tätigkeiten hinaus. Einen dauerhaften Rückgang der Produktion und eine Reduzierung des Arbeitsvolumens habe die Bekl. nicht hinreichend dargelegt. Ein Vergleich der Auftrags- und Arbeitsstundenzahlen von Januar bis Mai 2009 mit den gleichen Monaten des Vorjahrs reiche hierfür nicht aus; nur ein längerer Betrachtungszeitraum könne die Basis für eine nachhaltige Prognose bilden. Zudem habe die Bekl. weder berücksichtigt, dass ab 1. 3. 2009 kurz gearbeitet worden sei, noch dass seit Oktober 2009 im Betrieb wieder samstags gearbeitet werde und Arbeitnehmer aus anderen Abteilungen in der Rohrzieherei zusätzlich eingesetzt würden. Im Übrigen belege der Umstand, dass im Jahr 2010 – unstreitig – 35 Leiharbeitnehmer beschäftigt worden seien, die Fehlerhaftigkeit der Prognose. Ebenso wenig habe die Bekl. dargelegt, wer welche seiner bisherigen Tätigkeiten in welchem Umfang ohne eine übermäßige dauerhafte Beanspruchung übernehmen könne. Im Übrigen sei die Sozialauswahl fehlerhaft. Statt seiner hätten andere Arbeitnehmer mit deutlich schlechteren Sozialdaten gekündigt werden müssen.
Das BAG führt aus:
[15]1. Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Auf der Grundlage der betrieblichen Dispositionen des Arbeitgebers müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten benötigt werden. Dieser Überhang muss auf Dauer zu erwarten sein. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern auf Grund einer – oftmals durch diese Entwicklungen veranlassten – Organisationsentscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung).
[16]a) Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall – dauerhaft – so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr besteht (BAGE 92, 71 = NZA 1999, 1098 = NJW 2000, 381 und BAGE 92, 79 = NZA 1999, 1157). Behauptet der Arbeitgeber, das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines solchen Auftragsrückgangs entfallen, kann das Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen. Dabei reicht ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen. Der Arbeitgeber muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine – kurzfristige – Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist (BAG, NZA 2006, 1007 Os. = NJOZ 2006, 3089 = AP AÜG § 9 Nr. 7 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 146 Rdnr. 18).
[17]b) Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass sich eine im Betrieb tatsächlich umgesetzte unternehmerische Organisationsentscheidung auf die Anzahl der verbliebenen Arbeitsplätze auswirkt. Eine unternehmerische Organisationsentscheidung kann etwa in der Bestimmung der Zahl der Belegschaftsmitglieder liegen, mit denen die im Betrieb anfallende Arbeitsmenge erledigt werden soll (vgl. BAGE 115, 92 = NZA 2006, 207 = NJW 2006, 315 m. w. Nachw.). Unternehmerische Entscheidungen sind von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (BAG, NZA 2011, 505 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 Rdnr. 13 = NJW 2011, 1534 Os.; BAG, NZA 2009, 312 = NJW 2009, 1766 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163 Rdnr. 24). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, NZA 2011, 505 Rdnr. 13 = NJW 2011, 1534 Os.; BAG, NZA 2009, 312 = NJW 2009, 1766 Rdnr. 24).
[18]c) Führen die außer- oder innerbetrieblichen Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs im Betrieb, so besteht kein dringendes betriebliches Erfordernis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Erschöpft sich die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so ist sie vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Nur so kann das Gericht prüfen, ob sie missbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG, NZA 2011, 505 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 Rdnr. 14 = NJW 2011, 1534 Os.; BAGE 92, 61 = NZA 1999, 1095 = NJW 2000, 378). Das wäre der Fall, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führte (Rost, Jahrbuch des ArbR, Bd. 39, S. 83) oder die zu Grunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG, NZA 2004, 343 Os. = NJOZ 2004, 1038 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Der Arbeitgeber muss deshalb konkret erläutern, in welchem Umfang und auf Grund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d. h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, erledigt werden können (BAG, NZA 2011, 505 Rdnr. 15 = NJW 2011, 1534 Os.; BAG, NZA 2008, 819 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158 Rdnr. 16).
[19]d) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet (vgl. BAG, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164; BAG, Urt. v. 13. 2. 2008 – 2 AZR 79/06, BeckRS 2009, 67930 Rdnrn. 21, 22; BAG, NZA 2011, 1143 = EzA BGB 2002 § 613 a Nr. 125 Rdnr. 27 = NJW 2011, 3323 Os.). Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen (BAGE 133, 240 = NZA 2010, 944 = NJW 2010, 3051 Rdnr. 18; BAGE 109, 40 = NZA 2004, 477; BAG, NZA 2002, 1205 = NJW 2002, 3795 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118 [zu II 2 a]). Dabei muss eine der entsprechenden Prognose zu Grunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers aber bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden.
[20]aa) Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist. Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein (BAG, NZA 2006, 1007 Os. = NJOZ 2006, 3089 = AP AÜG § 9 Nr. 7 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 146 Rdnr. 18). Dem muss der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags Rechnung tragen. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG, NZA 2006, 1007 Os. = NJOZ 2006, 3089 Rdnr. 17).
[21]bb) Für die Zukunftsprognose ist auch von Bedeutung, ob die Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einer vereinbarten oder prognostizierten Kurzarbeit erfolgt. Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber durch konkreten Sachvortrag entkräften (BAG, NZA 1997, 1289 = NJW 1998, 627 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 93). Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer auf Grund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen (BAG, NZA 1997, 1286 = NJW 1998, 627 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86).
[22]Da die betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entgegenstehen, dringend sein müssen, die Kündigung im Interesse des Betriebs also unvermeidbar sein muss, hat der Arbeitgeber zuvor alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die mit dem Ziel geschaffen worden sind und bestehen, durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit betriebsbedingte Kündigungen in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls zu vermeiden (BAG, NZA 2008, 848 Os. = NJOZ 2008, 2926 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 Rdnr. 16, zur Inanspruchnahme von Arbeitszeitkonten). Haben die Betriebsparteien durch die Einführung von Kurzarbeit den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf ein Niveau abgesenkt, dass den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gerade überflüssig macht, so kann ein dringendes betriebliches Kündigungserfordernis regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung voll ausgeschöpft hat und gleichwohl noch ein Beschäftigungsüberhang besteht (vgl. BAG, NZA 2008, 848 Os. = NJOZ 2008, 2926).
[23]2. Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze hält die Würdigung des LAG, die Bekl. habe für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist keine dringenden betrieblichen Erfordernisse i. S. des § 1 II KSchG dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Bei Ausspruch der Kündigung war die Prognose nicht gerechtfertigt, der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des Kl. sei zum 1. 3. 2010 auf Dauer entfallen. Das hat das LAG zutreffend erkannt. Einen revisionsrechtlich relevanten Fehler im Zusammenhang mit dieser Würdigung hat die Bekl. nicht aufgezeigt.
[24]a) Aus dem Vortrag der Bekl. lässt sich – auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Revisionsbegründung – nicht hinreichend konkret entnehmen, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung des Kl. vorgelegen hat. Ihr Entschluss, die Stelle eines „Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers“ zu streichen und dessen Tätigkeiten auf insgesamt sieben Mitarbeiter der Rohrzieherei zu verteilen, lag nahe an der Kündigungsentscheidung. Die Bekl. musste demnach die Möglichkeit, ihre Organisationsentscheidung tatsächlich umzusetzen, näher erläutern.
[25]b) Die Bekl. hat nicht dargetan, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher vom Kl. ausgeübten Tätigkeiten könnten von den verbliebenen Mitarbeitern ab dem 1. 3. 2010 im Rahmen ihrer normalen Verpflichtungen (mit-)übernommen werden. Sie hat zwar das vom Kl. und den fraglichen sieben Mitarbeitern zum Kündigungszeitpunkt zu erledigende Arbeitsvolumen dargestellt. Danach waren sie sämtlich nicht voll ausgelastet. Sie hat auch dargetan, dass durch die Neuorganisation und Umverteilung der Arbeit eine Übernahme der Tätigkeiten des Kl. durch die anderen Arbeitnehmer möglich erscheint. Soweit die Bekl. aber dafür auf den 1. 10. 2009 abstellt, hat sie den Zeitpunkt verkannt, zu welchem die dringenden betrieblichen Erfordernisse i. S. des § 1 II KSchG vorliegen müssen. Eine entsprechende Prognose war nicht für den 30. 9. 2009, sondern für den beabsichtigten Beendigungszeitpunkt, den 28. 2. 2010, zu erstellen. Die Bekl. konnte für ihre Prognose nicht auf einen beliebigen Zeitpunkt zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist abstellen. Maßgeblich ist vielmehr ausschließlich letzterer. Erst bei Ablauf der Kündigungsfrist, aber zugleich auch dann noch müssen dringende betriebliche Erfordernisse gegeben sein, die einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entgegenstehen. In den Fällen, in denen längere Kündigungsfristen zu beachten sind, kann der Prognosezeitpunkt nicht etwa vorgezogen werden. Bei der Kündigung länger beschäftigter Arbeitnehmer würden sonst unter Umständen geringere Anforderungen an eine Prognose und damit an den Kündigungsgrund gestellt als bei weniger lang beschäftigten Arbeitnehmern (vgl. BAG, NZA 2002, 1205 = NJW 2002, 3795 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118 [zu II 2 c]).
[26]c) Das LAG hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bekl. zur Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit eines nur geringen – und damit auf andere Arbeitnehmer aufteilbaren – Arbeitsvolumens des Kl. nicht hinreichend vorgetragen hat. Sie hat sich auf den pauschalen Vortrag beschränkt, das Volumen habe sich zum 30. 9. 2009 dauerhaft reduziert, Anhaltspunkte für eine Besserung habe sie zum Zeitpunkt der Kündigung nicht gehabt, auch seien keine Überstunden geleistet worden. Damit hat sie ihrer Darlegungslast nicht genügt. Bestimmte Tatsachen, aus denen zu schließen wäre, dass der mögliche Rückgang der Arbeitsmenge im Kündigungszeitpunkt als dauerhaft anzusehen war, hat sie auf diese Weise nicht behauptet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei diesem Rückgang nur um einen kurzzeitigen, nicht nachhaltigen Trend gehandelt hat. Aus dem Rückgang der Produktion in den ersten Monaten des Jahres 2009 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2008 lässt sich nicht hinreichend sicher folgern, diese Entwicklung werde sich auch im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzen. Hierzu hätte es eines stärker substanziierten, detaillierten Vortrags bedurft, dem beispielsweise die üblichen Auftragseingangszahlen und Bearbeitungsabläufe aus den Vorjahren zu entnehmen gewesen wären. So kann sich die Situation bei kurzfristig erfolgenden Auftragsabrufen anders darstellen als bei langfristigen und planbaren Auftragserteilungen.
[27]d) Zudem bleibt unklar, ob sich selbst bei Ausschöpfung der vereinbarten Optionen für Kurzarbeit das Arbeitsvolumen so verringert hat, dass ein dringendes Erfordernis für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kl. bestand. Immerhin erlaubte es die Betriebsvereinbarung Nr. 163 der Bekl., die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit der Mitarbeiter auf 14 Stunden abzusenken. Im Streitfall geht es deshalb nicht darum, ob der Arbeitgeber rechtlich gezwungen sein kann, vor dem Ausspruch der Kündigung die Einführung von Kurzarbeit zu betreiben. Hier besaß die Bekl. vielmehr bei Ausspruch der Kündigung bereits die Möglichkeit, die Arbeitszeit der Mitarbeiter rechtswirksam bis auf 14 Wochenstunden zu reduzieren. Von ihr hatte sie wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Gebrauch zu machen. Dass auch dann noch ein Arbeitskräfteüberhang bestanden hätte, hat sie nicht dargelegt. Auch hat sie nicht dargelegt, dass die fraglichen sieben Arbeitnehmer ausgehend von einem durch Kurzarbeit absenkbaren Arbeitszeitumfang überhaupt in der Lage gewesen wären, die verbliebenen Tätigkeiten des Kl. ohne Überschreitung dieses Zeitumfangs mitzuerledigen.
[28]e) Schließlich ist offen, ob im umgekehrten Fall – bei Aufhebung der Kurzarbeit – die fraglichen sieben Mitarbeiter die Arbeiten des Kl. weiterhin ohne überobligationsmäßige Zusatzleistungen würden übernehmen können. Die Betriebsparteien gingen, wie die Betriebsvereinbarung Nr. 163 und ihre Ergänzungen zeigen, von einer vorübergehenden, 18-monatigen Reduzierung des Beschäftigungsbedarfs aus. Dies spricht dafür, dass sie erwarteten, das frühere oder zumindest ein deutlich höheres Arbeitsvolumen als in den ersten Monaten des Jahres 2009 würde in absehbarer Zeit wieder erreicht.
[29]II. Da die Kündigung vom 7. 7. 2009 das Arbeitsverhältnis des Kl. wegen Fehlens dringender betrieblicher Erfordernisse i. S. von § 1 II KSchG nicht rechtswirksam beendet hat, bedurfte es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Sozialauswahl fehlerhaft i. S. von § 1 III KSchG war.