Besonderer Kündigungsschutz
A. Überblick über die Kündigungsschutzgesetze gem. § 4 KSchG
Seit der Neufassung des § 4 KSchG müssen (praktisch) alle (dem Arbeitgeber zurechenbaren) Kündigungsverstöße innerhalb von drei Wochen gerichtlich gerügt werden. Andere Unwirksamkeitsgründe iSd. § 4 S. 1KSchG sind insbesondere:
I. Die Tatbestände
- Verstoß gegen die guten Sitten § 138 BGB,
- Kündigung unter Verletzung des Maßregelungsverbotes (§ 612 a BGB),
- Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB),
- Kündigung unter Verstoß gegen ein allg. ges. Verbot (§ 134 BGB) bzw. gegen das Verbot in § 11 TzBfG, eine Kündigung wegen der Weigerung eines Wechsels von oder in Teilzeit auszusprechen,
- Zurückweisung wegen nicht vorgelegter Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB, sofern der Vertretungswille eindeutig ist,
Nichtbeachtung von
- § 9 MuSchG,
- § 18 BEEG,
- §§ 85, 91 SGB IX,
- § 2 ArbPlSchG,
- BergmannsversorgungsG,
- Nichtbeachtung von vertraglichem oder tarifvertraglichem Kündigungsschutz (BAG 8. 11. 2007 NZA 2008, 936),
- Unzulässigkeit der ordentlichen Kündigung während eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach § 15 III TzBfG, weil der befristete Vertrag weder die Möglichkeit vorsieht, dieses ordentlich zu kündigen noch die Anwendbarkeit eines TV vereinbart ist, der ein solches Kündigungsrecht enthält (BAG 22. 7. 2010 NZA 2010, 1142),
- Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a IV BGB; nicht anzuwenden ist die Frist auf die gerichtliche Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs gegenüber dem Betriebsübernehmer, der weiterhin allein der Verwirkung unterliegt (vgl. BAG 18. 12. 2003 NZA 2004, 791 und Krieger/Willemsen NZA 2011, 1128 ),
- fehlende bzw. nicht ordnungsgemäße Anhörung des BR oder PR, § 102 BetrVG, §§ 79, 108 BPersVG (BAG 9. 2. 2006 NZA 2006, 1207),
- Kündigung von in § 15 geschützten Personen: § 103 BetrVG, §§ 47, 108 BPersVG,
Verstoß gegen spezialgesetzliche Benachteiligungsverbote von Arbeitnehmern mit besonderen Aufgaben:
- betriebsverfassungsrechtliche Verbote der §§ 20, 78 BetrVG, (Wahl)
- Betriebliche Datenschutzbeauftragte (§ 4 f III 3 BDSG)
- Betriebsbeauftragte für Immissionsschutz (§ 58 BImSchG)
- Sicherheitsbeauftragte (§ 22 III SGB VII)
- Gleichstellungsbeauftragte (§§ 15, 18 V 3 BGleiG)
- Störfallbeauftragte (§§ 58d, 58 II BImSchG),
- Abfallbeauftragte (§ 55 KrW-/AbfllG),
- Gewässerschutzbeauftragte § 66 WHG, § 58 BImSchG
- Wehrdienstleistende, § 2 ArbPlSchG,
- Zivildienstleistende § 78 ZDG, § 2 ArbPlSchG,
- Kündigung unter Verstoß gegen einen vom Insolvenzgericht angeordneten Zustimmungsvorbehalt, wonach Verfügungen des Schuldners nur mit Zust. des vorl. InsV wirksam sind (BAG 10. 10. 2002 NZA 2003, 909),
- Rüge eines Fehlers nach §§ 17, 18 iVm. § 134 BGB bei unionsrechtskonformer Auslegung (dazu § 17 Rn. 36),
- Abgeordnete gem. Art. 48 II 2 GG, 2 III AbgG,
- Gemeindevertreter (Art 74 GG)
- Pflegende gem. PflegezeitG (§ 5 I PflegeZG)
II. § 242 BGB
§ 242 BGB entfaltet seine praktische Wirkung insbesondere im Kleinbetrieb und vor Ablauf der Wartezeit.
BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 21. 6. 2006 – 1 BvR 1659/04 NZA 2006, 913
1. Außerhalb des Geltungsbereichs des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG ist der Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt, wobei im Rahmen dieser Generalklauseln auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten ist.
2. Dies gilt nicht nur im Kleinbetrieb, sondern auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Wartezeit gem. § 1 I KSchG, das heißt in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses.
3. Auch bei Einstellungen im öffentlichen Dienst wird durch Art. 33 II GG das Recht des Arbeitgebers, während der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 I KSchG die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des neu eingestellten Arbeitnehmers zu überprüfen, nicht eingeschränkt. (Leitsätze der Redaktion)
BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470
„In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Zutreffend werden in der Literatur als Beispiele dafür Diskriminierungen i.S. von Art. 3 III GG genannt. Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme . Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Der objektive Gehalt der Grundrechte kann auch im Verfahrensrecht Bedeutung erlangen. Für die Wirksamkeit des gerichtlichen Kündigungsschutzes ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast von besonderer Bedeutung. Nach § 1 II 4 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gilt diese Regel nicht. Wie die Darlegungs- und Beweislast unter Beachtung verfassungsrechtlicher Positionen bei der Anwendung der Generalklauseln in §§ 138 oder 242 BGB zu beurteilen ist, läßt sich nicht allgemein festlegen. Für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bietet das Prozeßrecht aber geeignete Handhaben“.
Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen vertritt eine „Sondermeinung“ zur Anhörungspflicht vor Ausspruch von Kündigungen:
ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. 3. 2010 – 2 Ca 319/10, NZA 2010, 1178
„Nicht nur im Fall einer Verdachtskündigung besteht dem Arbeitnehmer gegenüber eine Anhörungspflicht, sondern auch für den Normalfall einer arbeitgeberseitigen Kündigung in betriebsratslosen Betrieben“.
„Eine Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Kündigung in betriebsratslosen Betrieben folgt auch aus dem ebenfalls aus § 242 BGB abzuleitenden, vertraglichen Gebot, bei Verfolgung seiner Interessen gegenüber der Gegenpartei fair zu verfahren (zur Fairness bei dem Abschluss von Aufhebungsverträgen: Reinecke, in: Festschr. f. Küttner, 2006, S. 327 [333] m. w. Nachw.). Indem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einer beabsichtigten Kündigung anhört, gibt er ihm Gelegenheit, seine Sicht zur beabsichtigten Kündigung vorzutragen und auf diese Weise auf die bevorstehende Kündigungsentscheidung (noch) Einfluss zu nehmen. Demgegenüber ist es als unfair anzusehen, den Arbeitnehmer mit einer Kündigungsentscheidung zu überraschen und ohne Gehör zu konfrontieren“ (siehe auch im Urteil vom 26. 6. 1998 – 3 Ca 3473/97, NZA-RR 1999, 137 und Däubler KDZ 8. Aufl. Einl. Rn. 551).
In der Literatur wird diese Ansicht nicht geteilt:
Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht 4. Auflage 2012, Rn 32-33:
„Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Unterliegt die Kündigung der Bindung an einen Kündigungsgrund (§ 1 KSchG oder § 626 BGB) und liegt objektiv ein Kündigungsgrund vor, so beendet die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis auch dann, wenn der Arbeitnehmer vorher nicht angehört worden ist (BAG 23. 3. 1972 AP BGB § 626 Nr. 63; BAG 10. 12. 1977 AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 9).
Ausnahmsweise kann die Nichtanhörung des Arbeitnehmers zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 BGB führen. So darf der Arbeitgeber nicht auf der Basis von Gerüchten, die unsubstantiierte Verdächtigungen mit weitreichender Bedeutung für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zum Inhalt haben, Kündigungen aussprechen, ohne dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (BAG 2. 11. 1983 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 29). Der Arbeitgeber ist aber keinesfalls verpflichtet, den Arbeitnehmer mit den ihn belastenden Zeugen gegenüberzustellen (BAG 18. 9. 1997 AP BGB § 626 Nr. 138). Für den Fall der Verdachtskündigung hat das BAG jedoch die Anhörung zur Zulässigkeitsvoraussetzung für die Kündigung erhoben (BAG 11. 4. 1985 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 39; 30. 4. 1987 AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 19; krit. Preis DB 1988, 1449; zur Verdachtskündigung im Einzelnen § 626 BGB Rn. 345 ff.)“.
B. Mutterschutzgesetz (MuSchG)
Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung besteht ein absolutes, temporäres Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt gem. § 9 Abs. 1 S. 1, 1. Halbs. MuSchG.
I. Geschäftsführerinnen
Neuerdings ist fraglich, ob der Kündigungsschutz auch für Fremdgeschäftsführerinnen greift. Die Danosa Entscheidung stellt allerdings darauf ab, dass nicht wegen der Schwangerschaft abberufen werden darf, wobei jedoch Kündigungen, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben, zumindest „schriftliche berechtigte Kündigungsgründe“ enthalten müssen.
Richtlinie 76/207/EWG Art. 2,3; Richtlinie 92/85/EWG Art. 10,
EuGH, Urteil vom 11. 11. 2010 – C 232/09, „Danosa” (NZA 2011, 143)
Für die Zwecke der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. 10. 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie i. S. des Art. 16 I der Richtlinie 89/391/EWG) ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Tatsachenprüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ohne Einschränkung zulässig ist, entgegensteht, wenn eine „schwangere Arbeitnehmerin” im Sinne dieser Richtlinie betroffen ist und die ihr gegenüber ergangene Abberufungsentscheidung im Wesentlichen auf ihrer Schwangerschaft beruht. Selbst wenn das betroffene Mitglied der Unternehmensleitung nicht unter diesen Begriff fallen sollte, kann gleichwohl die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung, das Aufgaben wie die im Ausgangsverfahren beschriebenen wahrnimmt, wegen Schwangerschaft oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, nur Frauen treffen und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar, die gegen die Art. 2 I und 7 und 3 I lit. c der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie
2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 geänderten Fassung verstößt.
Für den Fall, dass das vorlegende Gericht erkennen sollte, dass hier Frau Danosa unter den Begriff der schwangeren Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG fällt und dass der im Ausgangsverfahren streitige Abberufungsbeschluss aus Gründen erging, die wesentlich mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängen, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Beschluss, auch wenn er gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, die die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung ohne Einschränkung zulassen, getroffen wurde, mit dem Kündigungsverbot nach Art. 10 dieser Richtlinie unvereinbar wäre.
Dagegen verstieße ein Abberufungsbeschluss in der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft der Kl. des Ausgangsverfahrens zu tun haben, nicht gegen Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG, vorausgesetzt allerdings, der Arbeitgeber führt schriftlich berechtigte Kündigungsgründe an und die Kündigung der Betroffenen ist nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig, wie es in Art. 10 Nrn. 1 und 2 dieser Richtlinie geregelt ist.
II. Feststellung der Schwangerschaft
Die Feststellung der Schwangerschaft erfolgt allein durch ärztliches Attest. Der Beginn der Schwangerschaft sind 280 Tage vor dem voraussichtlichen Tag der Niederkunft, der Entbindungstag wird nicht mitgerechnet. Maßgebend ist allein das Datum im Attest, eine Rückrechnung von der Geburt findet nicht statt (SPV/Vossen, 10. Aufl. Rn. 1345 f.):
BAG, Urteil vom 27.10.1983 – 2 AZR 566/82 (LAG Frankfurt Urteil 16.08.1982 11 Sa 113/82)
„Auch für die Geltung des absoluten Kündigungsverbots des § 9 I 1 MuSchG ist zur Feststellung des Beginns der Schwangerschaft von dem Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme auszugehen und von dem darin angegebenen voraussichtlichen lag der Niederkunft um 280 Tage zurückzurechnen“.
III. Kündigungsschutzklage nach Kündigung
Hat der Arbeitgeber trotz Schwangerschaft gekündigt, sind 3 Fallgruppen zu unterscheiden:
- Es liegt die behördliche Zustimmung vor, dann muss Klage von der Arbeitnehmerin innerhalb der Frist des § 4 S. 4 KSchG erhoben werden.
- Es liegt keine Zustimmung vor, der Arbeitgeber hat gleichwohl trotz Kenntnis von der Schwangerschaft gekündigt (hierzu gleich).
- Es lag im Kündigungszeitpunkt keine Kenntnis von der Schwangerschaft vor, der Arbeitgeber hat gekündigt, ihm wurde nachträglich die Schwangerschaft mitgeteilt (hierzu auch gleich).
1. Zustimmung liegt vor
Liegt die Zustimmung vor, muss spätestens 3 Wochen nach Zugang der Zustimmungserklärung bei der Gekündigten gem. § 4 S. 4 KSchG gekündigt werden.
2. Zustimmung trotz Kenntnis nicht eingeholt
War dem Arbeitgeber beim Kündigungszugang die Schwangerschaft bekannt und hat er dennoch die Zustimmung zur Kündigung nicht eingeholt, ist die Kündigung unwirksam. Die Kündigung während der Schwangerschaft ist nichtig gem. § 9 MuSchG i.V. mit § 134 BGB.
Eine gegen ein gesetzliches Verbot verstoßende Kündigung muss gem. § 4 S. 1 KSchG „eigentlich“ innerhalb von 3 Wochen mit der Kündigungsschutzklage gem. § 4 S. 1 KSchG angegriffen werden. In diesen Fällen greift allerdings nach der Rechtsprechung des BAG die Ausnahmeregel des § 4 S. 4 KSchG; hatte der Arbeitgeber Kenntnis vom Sonderkündigungsschutz und gleichwohl keine Zustimmung beantragt, beginnt die Klagefrist wegen § 4 S. 4 KSchG gar nicht erst zu laufen (BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07, NZA 2009, 980). Der Arbeitnehmer kann also bis zur Grenze der Verwirkung warten. Eine nachträgliche Zustimmung der Behörde heilt die Unwirksamkeit der Kündigung nicht.
3. Kenntnis nachträglich erlangt (BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07 NZA
2009,980)
Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist nach § 9 I MuSchG ohne behördliche Zustimmung zulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt war und sie ihm auch nicht später oder von der Arbeitnehmerin verschuldet verspätet nach Kündigungszugang mitgeteilt worden ist. Schon diese Regelung zeigt, dass auch bei objektiv bestehender Schwangerschaft nicht immer eine Zustimmung der zuständigen Behörde einzuholen ist. In einem solchen Fall kommt § 4 S. 4 KSchG nicht zur Anwendung. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 4 S. 4 KSchG ist also die Kenntnis des Arbeitgebers von den den Sonderkündigungsschutz begründenden Tatsachen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
a) Mitteilungsfrist
Die Mitteilungsfrist bei der Schwangerschaft beträgt zwei Wochen vom Zugang der Kündigung ab Kenntnis (§ 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG, §§ 187, 188 BGB). Bei eigener Unkenntnis oder Verhinderung wird die Frist entsprechend verlängert. Also genügt die Klageschrift nicht, wenn sie erst nach Ablauf der 2 Wochen zugeht.
Die Klagefrist wird auch bei fristgerechter nachträglicher Mitteilung nach § 4 S. 1 KSchG mit dem Zugang der Kündigung bei der Arbeitnehmerin in Gang gesetzt. Erlangt der Arbeitgeber erst nach Zugang der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin, ist § 4 S. 4 KSchG also nicht (mehr) anwendbar.
(BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07 NZA 2009, 980)
„Die schwangere Arbeitnehmerin ist – trotz Bekanntgabe der Schwangerschaft gegenüber ihrem Arbeitgeber – deshalb gehalten, die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG einzuhalten, um den eigentlich gegebenen Nichtigkeitsgrund nach § 134 BGB i.V. mit § 9 I MuSchG geltend zu machen. Durch die Bekanntgabe der Schwangerschaft wird die angelaufene Klagefrist auch nicht mehr gehemmt. Ein möglicher Verstoß gegen § 134 BGB i.V. mit § 9 I MuSchG kann nach § 4 S. 1 KSchG i.V. mit § 7 KSchG dementsprechend bei einer nicht rechtzeitigen Klageerhebung geheilt werden. Selbst bei einer nachträglichen Bekanntgabe der den Sonderkündigungsschutz auslösenden Umstände läuft die Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG an, weil im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes, insbesondere der Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft, nicht vorgelegen haben. Zur Erlangung des Sonderkündigungsschutzes muss die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzen. Erhebt sie keine Kündigungsschutzklage, obwohl sie den Arbeitgeber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 I 1 MuSchG von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hat, so wird mit Ablauf der Dreiwochenfrist nach § 4 S. 1 KSchG nach § 7 KSchG die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam fingiert (vgl. ausdrücklich Senat, NZA 2008, 1055).
b) Beweislast
Es ist positive Kenntnis beim Arbeitgeber erforderlich, fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Kenntniserlangung durch Dritte reicht. Nachweispflichtig für die Kenntnis des Arbeitgebers ist die Arbeitnehmerin (KR/Bader § 9 MuSchG Rn. 45).
IV. Anfechtung des Arbeitsvertrags
Fraglich ist, ob der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag „stattdessen“ anfechten kann, wenn er die Arbeitnehmerin vor Abschluss des Arbeitsvertrags nach einer Schwangerschaft gefragt hat und sie bereits zu diesem Zeitpunkt schwanger war.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Frage nach der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin jedoch grundsätzlich unzulässig, und zwar selbst dann, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet werden soll und feststeht, dass die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten kann (Schrader in ArbRAktuell 2012, 330378 = ArbRAktuell 2012, 157, EuGH, NJW 2002, 123 und BAG, NZA 2003, 848:)
„In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung geht nunmehr auch der Senat davon aus, dass die Frage des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft vor der geplanten unbefristeten Einstellung einer Frau regelmäßig gegen § 611a BGB verstößt und daher unzulässig ist“.
V. Zulässigkeitserklärung § 9 Abs. 3 MuSchG zuständige Behörde
Es besteht bei besonderen Fällen die Möglichkeit, die Zulässigkeit der Kündigung zu beantragen. Besondere Fälle sind beispielsweise die Betriebsschließung, der ersatzlose Wegfall der Beschäftigung oder grobe Pflichtverletzungen. Zuständig sind folgende Behörden (www.bmfsfj.de):
- Baden-Württemberg: die Regierungspräsidien
- Bayern: die örtlichen Gewerbeaufsichtsämter
- Berlin: Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit
- Brandenburg: Landesamt für Arbeitsschutz
- Bremen: die Gewerbeaufsichtsämter
- Hamburg: Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz (Amt für Arbeitsschutz)
- Hessen: die Regierungspräsidenten
- Mecklenburg-Vorpommern: Landesämter für Gesundheit und Soziales
- Niedersachsen: die Gewerbeaufsichtsämter
- Nordrhein-Westfalen: die staatlichen Ämter für Arbeitsschutz
- Rheinland-Pfalz: Regionalstellen Gewerbeaufsicht in den Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd
- Saarland: Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz
- Sachsen: die Regierungspräsidien, Abteilung für Arbeitsschutz
- Sachsen-Anhalt: Landesämter für Verbraucherschutz
- Schleswig-Holsteins: Staatliche Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord
- Thüringen: Landesbetrieb für Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz
VI. Bestandskraft der Zustimmung
Ein großes Problem für den Arbeitgeber ist die Bestandskraft des Bescheids. Legt die Arbeitnehmerin Rechtsmittel ein und obsiegt sie nach Jahren im Verwaltungsprozess (siehe Schöllmann in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit 2. Auflage 2010 §9 MuSchG Rn. 102-104), ist die Kündigung unwirksam.
BAG, Urteil vom 25. 3. 2004 NZA 2004, 1064
Mit der Zulässigkeitserklärung nach § 9 III MuSchG liegt zunächst ein ausreichender Bescheid vor, auf Grund dessen der Arbeitgeber die Kündigung erklären kann. Die ausgesprochene Kündigung kann allerdings erst rechtswirksam werden, wenn der Bescheid auch seine „innere Wirksamkeit” entfaltet und bestandskräftig ist.
Die hiermit zusammenhängenden Fragen werden näher auch wegen der dort größeren Relevanz beim Schwerbehindertenschutz behandelt.
VII. Schriftliche Begründung der Kündigung
Wurde die Zustimmung erteilt, muss die Kündigung vom Arbeitgeber schriftlich begründet werden (§ 9 Abs. 3 S. 2 MuSchG).
VIII. Beendigung der Schwangerschaft
Eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt hat, ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet (etwa auf Grund einer Fehlgeburt), auch dann, wenn der Arbeitgeber sich mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug befindet und eine von ihm erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG rechtskräftig für rechtsunwirksam erklärt worden ist. Eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt hat, ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet (etwa auf Grund einer Fehlgeburt), auch dann, wenn der Arbeitgeber sich mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug befindet und eine von ihm erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG rechtskräftig für rechtsunwirksam erklärt worden ist.
IX. Mitteilung der Schwangerschaft nach § 5 MuSchG
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie mir mein Arzt am . . . . . mitteilte, bin ich im . . . . . Monat schwanger. Tag der Entbindung wird voraussichtlich der . . . . . sein. Ein ärztliches Zeugnis füge ich bei.
X. Beschäftigungsverbote für werdende Mütter (§§ 4 Abs. 1 bis 3 MuSchG)
Die Beschäftigungsverbote sind in §§ 3, 4 MuSchG geregelt. Sie betreffen u.a. schwere körperliche oder gesundheitsgefährdende Arbeiten. Aufgrund ärztlichen Zeugnisses kann ein individuelles Beschäftigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen (§ 3 Abs. 1 MuSchG) ausgesprochen werden.
Aufgrund des absoluten Beschäftigungsverbots sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin in dieser Zeit von jeder Tätigkeit freistellen. Maßgeblich für den Beginn ist der im ärztlichen Attest angegebene mutmaßliche Entbindungstermin, von dem aus zurückzurechnen ist, wobei der Tag der Entbindung selber nicht mitzurechnen ist.
Eine Weiterbeschäftigung ist auch während der vorgeburtlichen Mutterschutzfrist möglich, wenn sich die Schwangere hierzu ausdrücklich bereit erklärt. Das Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden. Aus Beweiszwecken sollte sich der Arbeitgeber das Einverständnis schriftlich geben lassen
C. Elternzeit (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG)
Ab Verlangen der Elternzeit, jedoch max. 8 Wochen vor Beginn und während der Elternzeit besteht Kündigungsschutz gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG.
Unbeachtlich ist, in welcher Form das Arbeitsverhältnis besteht, ob es als Vollzeitarbeitsverhältnis oder als Teilzeitarbeitsverhältnis, befristet oder unbefristet, als Hauptbeschäftigung oder Nebenbeschäftigung oder als Saisonarbeit durchgeführt wird. Bestehen mehrere Arbeitsverhältnisse für einen Anspruchsberechtigten, hat er die Wahl, in welchem der Arbeitsverhältnisse er Elternzeit beansprucht oder ob er in beiden Arbeitsverhältnissen Elternzeit begehrt. Entscheidet er sich in einem der mehreren Arbeitsverhältnisse für die Weiterarbeit, bedarf es nicht der Zustimmung gem. § 15 Abs. 4 S. 3 des anderen Arbeitgebers. Denn diese Vorschrift erfasst nur den Fall der während der Elternzeit neu aufgenommenen Erwerbstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber (siehe instruktiv Rancke in Rancke § 15 BEEG Rn. 17 ff.).
I. Betreutes Kind
Das zu betreuende Kind muss kein leibliches Kind sein. Ausreichend ist, wenn die Personensorge für das betreute Kind besteht. Außerdem muss der Arbeitnehmer mit dem Kind in einem Haushalt leben, es selbst erziehen und betreuen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 a.E. iVm § 1 Abs. 3 und 4).
Anspruch auf Elternzeit haben demzufolge neben den leiblichen Eltern z.B. Vollzeit-Pflegeeltern nach § 33 SGB VIII, Beschäftigte, die das Kind mit dem Ziel der Adoption in ihre Obhut genommen haben sowie Beschäftigte, die ein Kind betreuen, dessen Eltern wegen schwerer Krankheit oder Schwerbehinderung die Betreuung nicht wahrnehmen können, s. §§ 15 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 und 4. Allerdings gilt dieses Recht nur für Mitarbeiter, die bis zum 3. Grad mit dem Kind verwandt sind. Dafür können dann auch die Partner der Mitarbeiter die Elternzeit beanspruchen, denen die Personensorge für entweder ihr leibliches Kind oder für eines der Kinder in den vorgenannten Fällen nicht zusteht. In diesem Fall ist dann aber die Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils notwendig.
Ab dem 1.1.2009 kann gem. § 15 Abs. 1 a auch von den Großeltern des Kindes Elternzeit in Anspruch genommen werden, sofern die Großeltern mit dem Kind in einem Haushalt leben, es selbst betreuen und erziehen und ein Elternteil des Kindes minderjährig ist oder ein Elternteil sich im letzten oder vorletzten Jahr einer Ausbildung befindet, die vor dem 18. Lebensjahr begonnen wurde und seine Arbeitskraft voll in Anspruch nimmt. Der Anspruch besteht nur für Zeiten, in denen kein Elternteil des Kindes selbst Elternzeit beansprucht, § 15 Abs. 1 a
II. Zeitlicher Rahmen
Der Elternzeitanspruch für jedes Kind geht bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes (36 Monate, bei adoptieren Kindern 36 Monate ab Annahme bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres, § 15 Abs. 2 S. 1 und S. 4. Der Zeitraum kann, muss aber nicht ausgeschöpft werden (zB, weil es Elterngeld nur für max. 14 Monate gibt). Der Anspruch besteht ab Geburt des Kindes bzw. Annahme zur Adoption (§ 1 Abs. 3 S. 2).
III. Aufteilung
Die Elternzeit kann nach § 16 Abs. 1 S. 4 in zwei Abschnitte aufgeteilt werden (Stückelung). Weitere Aufteilungen ebenso wie eine Verlängerung (bis zu maximal 36 Monaten, § 16 Abs. 3 S. 1) sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Eine Verlängerung gem. § 16 Abs. 3 S. 4 bedarf zwar nicht der Zustimmung des Arbeitgebers, verlangt aber einen wichtigen Grund (Wechsel der Betreuung).
IV. Beide Elternteile
Beide Elternteile können je einen Teil der Elternzeit in Anspruch nehmen, § 15 Abs. 3 S. 1. Die Elternzeit ist aber auch in diesem Fall auf insgesamt drei Jahre begrenzt. Beide Elternteile können abwechselnd oder gleichzeitig in Elternzeit gehen, § 15 Abs. 3 S. 1. Nehmen beide Eltern gleichzeitig Elternzeit, verringert sich dadurch nicht Gesamtdauer von 3 Jahren, auch dann nicht, wenn beide Eltern beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sind. In diesem Fall kann die “Familie” also zusammengerechnet bis zu 60 Stunden pro Woche arbeiten (Rancke aaO § 15 BEEG Rn. 35).
V. Antragstellung
Die Elternzeit muss spätestens 7 Wochen vor Beginn beim Arbeitgeber beantragt werden, § 16 Abs. 1 S. 1. Nur in dringenden Fällen ist eine kürze Antragsfrist zulässig, § 16 Abs. 1 S. Geht die Erklärung dem Arbeitgeber zu spät zu, so beginnt die Elternzeit erst, nachdem die Frist von 7 Wochen abgelaufen ist, ohne sich am Ende um diese Zeit zu verlängern. Wurde der Antrag verspätet eingereicht, ohne dass der/die Arbeitnehmer/in dieses zu vertreten hat, kann der Antrag jedoch noch innerhalb einer Woche fristwahrend nachgeholt werden, § 16 Abs. 2.
Der Antrag muss schriftlich gem. § 126 Abs. 1 BGB erfolgen und zugleich die Erklärung beinhalten, für welche Zeiten innerhalb von 2 Jahren Elternzeit genommen werden soll, § 16 Abs. 1. S. 1. Voraussetzung für die Entstehung des Sonderkündigungsschutzes ist es, dass der Arbeitnehmer sein Verlangen auf Gewährung von Elternzeit rechtswirksam geltend macht. Entscheidend ist, dass sich aus der Erklärung der Beginn (ggf der einzelnen Abschnitte) der Elternzeit eindeutig entnehmen lässt.
VI. Einseitiges Gestaltungsrecht
Bei der Inanspruchnahme der Elternzeit handelt es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht, so dass keine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich ist (BAG, Urteil vom 15. 4. 2008 – 9 AZR 380/07 NZA 2008, 998).
VII. Teilzeit
Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber nach § 15 Abs. 6 insgesamt zweimal während der Elternzeit eine Verringerung seiner Arbeitszeit verlangen, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen. Zu achten ist auf § 18 Abs. 2 Ziff. 2 BEEG, der einen besonderen Kündigungsschutz für bereits in Teilzeit befindliche ArbeitnehmerInnen enthält, die keine Elternzeit in Anspruch nehmen, aber die Voraussetzungen für Elterngeld erfüllen.
1. Anspruchsvoraussetzungen
- Der Arbeitgeber beschäftigt idR mindestens 15 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende), § 15 Abs. 7 Nr. 1.
- Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers muss zum Zeitpunkt des Teilzeitbeginns (str., aA: zum Zeitpunkt der Antragstellung) ohne Unterbrechung seit mindestens 6 Monaten bestanden haben (Wartezeit), § 15 Abs. 7 Nr. 1.
- Die geforderte Arbeitszeitverkürzung soll für mindestens 2 Monate gelten und einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden betragen, § 15 Abs. 7 Nr. 3. Eine veränderte Lage der Arbeitszeit wird verhandelt, notfalls vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen festgelegt.
Wer mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten möchte, kann keine Elternzeit beanspruchen, § 15 Abs. 4 S. 1.
Der Arbeitnehmer muss die Teilzeit beim Arbeitgeber schriftlich beantragen, § 15 Abs. 7 Nr. 5. Der Antrag muss Beginn und Ende der Teilzeitarbeit sowie deren Umfang beinhalten, § 15 Abs. 7 S. 2. Im Antrag sollte möglichst die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben werden, § 15 Abs. 7 S. 3.
Der Antrag muss dem Arbeitgeber mindestens 7 Wochen vor dem gewünschten Termin der Änderung der Arbeitszeit zugehen
Stimmt der Arbeitgeber nicht zu, kann er die Teilzeitarbeit während der Elternzeit nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen.
Die Ablehnung muss innerhalb von 4 Wochen nach Beantragung der Teilzeitarbeit dem Arbeitnehmer zugehen, § 15 Abs. 7 S. 3.
Die Ablehnung muss der Arbeitgeber schriftlich begründen, § 15 Abs. 7 S. 3.
Der Arbeitnehmer kann dann Klage vor dem Arbeitsgericht auf Verringerung der Arbeitszeit stellen. Eine gesetzliche Frist besteht hierfür nicht.
Sofern die Voraussetzungen nicht gegeben sind (zB bereits zweimal die Arbeitszeit verringert worden ist), kann ein Antrag nach § 8 TzBefG auf Verringerung der Arbeitszeit gestellt werden.
Das Recht auf Elternteilzeit stellt im Gegensatz zum Recht auf Elternzeit kein einseitiges Gestaltungsrecht, sondern einen Anspruch auf Vertragsänderung dar.
Es wird kein neues Arbeitsverhältnis begründet, sondern das Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit modifiziert das ruhende, ursprüngliche Arbeitsverhältnis. Der Sonderkündigungsschutz in § 18 Abs. 1 S. 1 erfasst auch das in der Form des Teilzeitarbeitsverhältnisses modifizierte Gesamtarbeitsverhältnis (BAG 23.4.1996, 9 AZR 696/94, NZA 1997, 129 f; 19.3.2002, 9 AZR 29/01, DB 2002, 2495 f; 22.10.2008, 10 AZR 360/08, NJW 2009, 2395 ff.). Beschränkt sich die Änderung der Arbeitsbedingungen lediglich auf die Verminderung oder Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit, so besteht ein einheitliches Arbeitsverhältnis (vgl. BAG [23. 4. 1996], NZA 1997, 160 = AP BErzGG § 17 Nr. 7; BAG [20. 12. 1995], NZA 1996, 781 = AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 13 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 138; ErfK/Dörner, 8. Aufl., § 15 BEEG Rdnr. 25; Buchner/Becker, MuSchG und BEEG, 8. Aufl., § 15 BEEG Rdnr. 34).
2. Teilzeitarbeit ohne Elternzeit mit Anspruch auf Elterngeld (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG)
Wurde bereits eine Teilzeitbeschäftigung bis zur zulässigen Grenze von 30 Wochenstunden ausgeübt, kann diese Teilzeitbeschäftigung ohne Inanspruchnahme von Elternzeit fortgesetzt werden. In diesen Fällen gewährt § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG Kündigungsschutz wie bei einem Arbeitnehmer, der Elternzeit beansprucht.
In der dritten Variante erhalten also den Sonderkündigungsschutz alle Arbeitnehmer, die ihre bisherige Teilzeitarbeit nach der Geburt ihres Kindes unverändert fortführen, weil sie keine Elternzeit in Anspruch nehmen, aber elterngeldberechtigt für längstens 14 Monate sind.
In aller Regel hat daher der Arbeitgeber keine Kenntnis vom Sonderkündigungsschutz seines Arbeitnehmers, was jedoch rechtsdogmatisch ohne Bedeutung ist, da der Kündigungsschutz unabhängig von der Kenntnis der Vertragsparteien wirkt. Spätere, einvernehmliche Änderungen des Arbeitsverhältnisses oder eine Verlängerung der Arbeitszeit bis zu 30 Wochenstunden lassen den Kündigungsschutz nicht entfallen.
Nach Auffassung des BAG,Urteil vom 11.3.1999, 2 AZR 19/98, NZA 1999, ist der Kündigungsschutz außerdem nicht auf diejenigen Arbeitsverhältnisse beschränkt, die bei der Geburt des Kindes schon bestanden haben, sondern erstreckt sich auch auf das Arbeitsverhältnis, das erst danach begründet worden ist.
Der besondere Kündigungsschutz besteht nicht (noch zusätzlich) in dem Teilzeitarbeitsverhältnis, das gem. § 15 Abs. 4 S. 3 mit einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit mit ruhendem Arbeitsverhältnis zum Hauptarbeitgeber begründet worden ist. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik. Denn das Teilzeitarbeitsverhältnis gem. § 15 Abs. 4 S. 3 zum „anderen“ Arbeitgeber setzt Elternzeit zum Hauptarbeitgeber voraus. Ziff. 2 setzt demgegenüber voraus, dass gerade keine Elternzeit in Anspruch genommen worden ist und dennoch Teilzeitarbeit geleistet wird. Ausnahmsweise besteht „mehrfacher“ Sonderkündigungsschutz, wenn der Arbeitnehmer bei der Geburt seines Kindes zu mehreren Arbeitgebern Teilzeitarbeitsverhältnisse begründet hatte, diese nach der Geburt seines Kindes fortsetzt und alle Teilzeitarbeitsverhältnisse zusammen die zulässige Grenze von 30 Wochenarbeitsstunden nicht überschreiten.
Fraglich ist, wann die ArbeitnehmerInnen den Arbeitgeber über ihren Sonderkündigungsschutz informieren müssen. In Betracht kommt – jeweils analog – § 9 MuSchG (2 Wochen), § 85 SGB IX (3 Wochen) oder unverzüglich (5 Tage; näher SPV 10. Aufl. Rn. 1457 ff.)
VIII. Antrag auf Gewährung von Elternzeit
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wurde am . . . . . von einem Kind entbunden. Die Schutzfrist nach dem MuSchG endet am . . . . . (die Frist beträgt 8 Wochen bzw. bei Früh- oder Mehrlingsgeburten 12 Wochen ab der Geburt, § 6 MuSchG). Ich beantrage gemäß § 16 BEEG sieben Wochen (§ 16 Abs. 1 BEEG) vorher die Gewährung von Elternzeit von . . . . . bis . . . . . Eine Verlängerung ist möglich (§ 16 Abs. 3 BEEG).
Ich beabsichtige, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit fortzusetzen/zu kündigen.
oder (vor der Entbindung)
Ich werde voraussichtlich am . . . . . von einem Kind entbunden werden. Die Schutzfrist nach dem MuSchG endet am . . . . . Ich beantrage gem. § 16 BEEG fristgemäß sieben Wochen im Voraus die Gewährung von Elternzeit beginnend ab dem Ende der Mutterschutzfrist bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein Kind 2 Jahre alt wird.
Ich beabsichtige, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit fortzusetzen/zu kündigen.
IX. Konsequenzen für den Arbeitgeber
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die zum Nachweis des Anspruchs auf Elterngeld erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Bescheinigungen bzw Nachweise auszustellen (§ 9 BEEG).
1. § 21 BEEG
Die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung des sich in der Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers ist als in § 21 BEEG gesondert geregelter sachlicher Grund zulässig. Die Befristung kann dabei als Zeitbefristung oder als Zweckbefristung (bis zur Wiederkehr) ausgestaltet sein. Der Arbeitgeber hat gegenüber der befristet eingestellten Ersatzkraft ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht. Das KSchG findet auf diese Kündigung keine Anwendung (§ 21 Abs. 5 BEEG).
Voraussetzung des Sonderkündigungsrechts ist, dass im Arbeitsvertrag der Ersatzkraft darauf hingewiesen wurde, dass die Einstellung zum Zwecke der Vertretung erfolgt. Beendet der sich in der Elternzeit befindende Arbeitnehmer die Elternzeit vorzeitig ohne Zustimmung des Arbeitgebers, kann der Arbeitgeber der befristet eingestellten Ersatzkraft vor Ablauf des Vertrages mit einer Frist von 3 Wochen vorzeitig kündigen. Das befristete Arbeitsverhältnis kann jedoch frühestens zum (neuen) Ende der Elternzeit beendet werden.
2. Vertraglicher Ausschluss
Achtung: Das Sonderkündigungsrecht kann in dem befristeten Arbeitsvertrag der Ersatzkraft ausgeschlossen werden. Hierauf sollte eine Ersatzkraft Wert legen.
X. Ende der Elternzeit
Die Elternzeit endet mit Ablauf der Zeit, für die Elternzeit beantragt worden war, spätestens aber mit Ablauf des 3. Lebensjahres des Kindes, für das Elternzeit beansprucht worden ist. Besonderer Erklärungen, Vorankündigungen oder Aufforderungen seitens des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf es nicht.
Die Elternzeit kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beendet werden, § 16 Abs. 3 S. 1. Das Verlangen nach Elternzeit wird als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang beim Arbeitgeber (§ 130 BGB) wirksam. Mit Zugang wird das Elternzeitverlangen unwiderruflich. Der Arbeitnehmer bleibt auch dann an seine Erklärung gebunden, wenn er sich im Interesse des Arbeitgebers lange vor den gesetzlichen Mindestfristen festgelegt hat. Der Arbeitgeber muss sich in seinen Dispositionen auf die angekündigte Fehlzeit einrichten können. Allerdings ist dem Arbeitnehmer das Recht zum „Widerruf“ einzuräumen, soweit ein Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit besteht (Küttner/ Reinecke, Personalbuch 2012, 19. Auflage 2012, Elternzeit Rn. 12?.
Der Arbeitgeber hat nach der Rechtsprechung die Zustimmung zu erteilen, wenn keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Dies kann zB die Einstellung einer Ersatzkraft sein, mit der bis zum vereinbarten Ende der Elternzeit ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen wurde.
Der Arbeitnehmer hat nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit bei Eintritt eines Härtefalls iSv § 7 Abs. 2 Satz 3 BEEG. Das kommt in Betracht, wenn bei einer Fortführung der unbezahlten Freistellung die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmer erheblich gefährdet ist (vgl BAG 6. 9. 94 – 9 AZR 221/93, NZA 95, 953).
Mit dem Ende der Elternzeit lebt das Arbeitsverhältnis automatisch wieder auf. Der/die Arbeitnehmer(in) hat nach Beendigung der Elternzeit einen Rechtsanspruch auf einen gleichwertigen, nicht notwendig den bisherigen Arbeitsplatz. Wurde die Arbeitszeit während der Elternzeit verringert, so gilt mit Ende der Elternzeit wieder automatisch die ursprüngliche Arbeitszeit.
XI. Zulässigkeitserklärung der Kündigung
Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann bei außergewöhnlichen Umständen auf Antrag der Kündigung während der Elternzeit ausnahmsweise zustimmen (§ 18 Abs. 1 S. 2 BEEG). Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748) wurde hierzu eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die u.a. folgendes besagt:
2. Vorliegen eines besonderen Falles
2.1. Bei der Prüfung nach Maßgabe der Nr. 1 hat die Behörde davon auszugehen, dass ein besonderer Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes insbesondere dann gegeben ist, wenn
2.1.1 der Betrieb, in dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, stillgelegt wird und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
2.1.2 die Betriebsabteilung, in der der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, stillgelegt wird und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht in einer anderen Betriebsabteilung des Betriebes oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
2.1.3 der Betrieb oder die Betriebsabteilung, in denen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, verlagert wird und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin an dem neuen Sitz des Betriebs oder der Betriebsabteilung und auch in einer anderen Betriebsabteilung oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht weiterbeschäftigt werden kann,
2.1.4 der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin in den Fällen der Nummern 2.1.1 bis 2.1.3 eine ihm vom Arbeitgeber angebotene, zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz ablehnt,
2.1.5 durch die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nach Beendigung der Elternzeit die Existenz des Betriebes oder die wirtschaftliche Existenz des Arbeitgebers gefährdet wird,
2.1.6 besonders schwere Verstöße des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gegen arbeitsvertragliche Pflichten oder vorsätzliche strafbare Handlungen des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.
2.2 Ein besonderer Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes kann auch dann gegeben sein, wenn die wirtschaftliche Existenz des Arbeitgebers durch die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nach Beendigung der Elternzeit unbillig erschwert wird, so dass er in die Nähe der Existenzgefährdung kommt. Eine solche unbillige Erschwerung kann auch dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber in die Nähe der Existenzgefährdung kommt, weil
2.2.1 der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin in einem Betrieb mit in der Regel 5 oder weniger Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt ist und der Arbeitgeber zur Fortführung des Betriebes dringend auf eine entsprechend qualifizierte Ersatzkraft angewiesen ist, die er nur einstellen kann, wenn er mit ihr einen unbefristeten Arbeitsvertrag abschließt; bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen, oder
2.2.2 der Arbeitgeber wegen der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nach Beendigung der Elternzeit keine entsprechend qualifizierte Ersatzkraft für einen nur befristeten Arbeitsvertrag findet und deshalb mehrere Arbeitsplätze wegfallen müssten.
Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass ein besonderer Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes gegeben ist, so hat sie im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob das Interesse des Arbeitgebers an einer Kündigung während der Elternzeit so erheblich überwiegt, dass ausnahmsweise die vom Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung für zulässig zu erklären ist (Ziff. 3).
D. SGB IX Schwerbehinderte Arbeitnehmer §§ 85 bis 92 SGB IX
Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer setzt zunächst voraus, dass die Wartezeit gem. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX von 6 Monate abgelaufen ist (keine Wartezeit beim MuSchG!).
Kündigungsschutz besteht so dann für schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen
gem. § 68 Abs. 1 SGB IX, § 2 Abs. 1 SGB IX:
§ 2 Behinderung
(1) 1Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. 2Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
I. Unterschied Sozialrecht/Arbeitsrecht
Sozialrechtlich besteht eine Behinderung i.S. des SGB IX ungeachtet eines Bescheids kraft Gesetzes. Der Bescheid mit dem Grad der Behinderung bzw. der Schwerbehindertenausweis hat nur deklaratorische Wirkung (Knittel SGB IX § 69 Rn. 206). Es ist dann nur eine Frage des Nachweises der Voraussetzungen, der dem Anspruchsteller obliegt. Die Gleichstellung hingegen bedarf auch im Sozialrecht eines förmlichen Bescheids, also eines konstitutiven Verwaltungsakts (Knittel SGB IX § 68 Rn. 7).
Arbeits- bzw. kündigungsrechtlich besteht Schwerbehindertenkündigungsschutz aber nur bei Offenkundigkeit einer Behinderung mit einem Grad von mindestens 50 %. Dann ist kein Bescheid und kein Nachweis erforderlich, Behindertenschutz greift gem. § 85 SGB IX, was freilich in der Praxis eher der Ausnahmefall ist. Eine offensichtliche Schwerbehinderteneigenschaft hat das BAG angenommen bei schwerwiegenden und ohne weiteres erkennbaren körperlichen Behinderungen wie z. B. Taubheit, Blindheit oder Stummheit.
Ist die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber offensichtlich, muss er vor einer Kündigung vorsorglich einen Zustimmungsantrag beim Integrationsamt stellen (Negativattest).
Bei nicht offenkundige Schwerbehinderungen hingegen greift der Kündigungsschutz gem. § 85 SGB IX nur, wenn ein Bescheid vorliegt oder rechtzeitig ein Antrag gestellt wurde:
„Die rechtlichen Wirkungen der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch treten im Falle des Sonderkündigungsschutzes nach § 85 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 19. 6. 2001 nicht ohne weiteres, d.h. schon bei bloß bestehender objektiver Eigenschaft als schwerbehindert ein. Voraussetzung ist vielmehr, dass vor Zugang der Kündigung ein Bescheid über die Eigenschaft als schwerbehindert ergangen ist oder jedenfalls ein entsprechender Antrag gestellt ist“ (BAG, Urteil vom 20. 1. 2005 – 2 AZR 675/03 NZA 2005, 689).
II. Gleichstellung § 2 Abs. 3 SGB IX
Gem. § 68 II SGB IX erfolgt die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen auf Grund einer Feststellung nach § 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Gleichstellung wird gem. § 68 II 2 SGB IX mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Die erst nach Zugang der Kündigung beantragte Gleichstellung hat für die ausgesprochene Kündigung keine Bedeutung mehr.
III. Nachweis
Der Arbeitnehmer kann den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX beanspruchen, wenn seine Schwerbehinderteneigenschaft beim Zugang der Kündigung nachgewiesen ist. Durch welche Dokumente der Nachweis geführt werden kann, hat das BAG noch nicht entscheiden. Als ausreichend sind jedoch ein Feststellungsbescheid des Versorgungsamts sowie der Schwerbehindertenausweis anzusehen.
IV. Antragsfrist
Die Antragsfrist für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen beträgt mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung Rechtzeitige (§ 90 II a 2. Alt. SGB IX).
Auf den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX kann sich also auch der Arbeitnehmer berufen, der beim Versorgungsamt rechtzeitig einen Feststellungsantrag gestellt hat, wenn der Antrag bis zum Kündigungszeitpunkt noch nicht beschieden worden ist. Der Sonderkündigungsschutz besteht jedoch nicht, wenn die unterbliebene Entscheidung der Behörde auf einer fehlenden Mitwirkung des Arbeitnehmers beruht. Bei gleichgestellten schwerbehinderten Menschen muss der Arbeitsverwaltung der Antrag auf Gleichstellung mindestens drei Wochen vor der Kündigung vorliegen (siehe auch Schaub 14. Aufl. § 129 Rn. 7).
BAG, Urteil vom 1. 3. 2007 – 2 AZR 217/06 NZA 2008, 302
Nach § 90 IIa Alt. 1 SGB IX findet der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen dann keine Anwendung, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist.
Die Vorschrift des § 90 IIa SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 68 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen.
Dies gilt umso mehr, als die gegenteilige Auffassung zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führen würde, dass während des Gleichstellungsverfahrens nach wie vor – bei nachträglicher Anerkennung – von Beginn an Sonderkündigungsschutz bestünde, während „echte” Schwerbehinderte den Einschränkungen des § 90 IIa SGB IX unterlägen. Dass der Gesetzgeber eine derartige Ungleichbehandlung beabsichtigt hat, ist nicht anzunehmen.
Der besondere Kündigungsschutz findet nach § 90 IIa Alt. 2 SGB IX nur dann Anwendung, wenn die in § 69 I 2 SGB IX bestimmte Drei-Wochen-Frist bei Kündigungszugang verstrichen, eine Feststellung des Versorgungsamtes (bzw. der Bundesagentur für Arbeit) nicht getroffen ist und das Fehlen der Feststellung nicht auf einer fehlenden Mitwirkung des Antragstellers beruht.
Der Antrag muss mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt sein. § 90 IIa Alt. 2 SGB IX erweist sich damit als Bestimmung einer Vorfrist. Das entspricht auch dem Zweck des § 90 IIa SGB IX, Missbrauch des Sonderkündigungsschutzes zurückzudrängen.
Trotz fehlenden Nachweises bleibt der Sonderkündigungsschutz dagegen dann nach § 90 IIa Alt. 2 SGB IX bestehen, wenn das Fehlen des Nachweises nicht auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers beruht. Das Fehlen des Nachweises beruht nach dem Gesetz jedenfalls dann auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers, wenn er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt hat. § 90 IIa Alt. 2 SGB IX enthält insoweit die Bestimmung einer Vorfrist.
V. Antragsmuster Anerkennung als schwerbehinderter Mensch
An das
Versorgungsamt . . . . .
Betr.: Anerkennung als schwerbehinderter Mensch
Sehr geehrte Damen und Herren,
um den Schutz und die Hilfen des SGB IX in Anspruch nehmen zu können, bitte ich, meine Behinderung und den Grad der Behinderung festzustellen (§ 69 Abs. 1 SGB IX) und einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch und den Grad der Behinderung auszustellen (§ 69 Abs. 5 SGB IX, Schaub/Schrader Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 9. Auflage 2008 § 27 Rn 1).
VI. Antragsmuster Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen
An die
Agentur für Arbeit …
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich, mich einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Meinen Antrag begründe ich wie folgt:
Ich bin am … geboren und seit dem … bei der Firma … beschäftigt. Ich bin deutscher/ausländischer Staatsangehöriger (bei Ausländern folgender Zusatz: und halte mich rechtmäßig im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf. Eine Fotokopie meiner Aufenthaltsgenehmigung füge ich bei). Das Versorgungsamt hat bei mir einen Grad der Behinderung von … v.H. festgestellt. Eine Fotokopie des Feststellungsbescheides füge ich bei.
Meine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ist erforderlich, weil ich ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen/behalten kann. Mein Arbeitgeber hat angekündigt, dass er Personalreduzierungen vornehmen muss. Ich arbeite als ….
Wegen meiner Behinderung kann ich jedoch eine Reihe von Arbeiten nicht verrichten …. Es ist daher anzunehmen, dass mein Arbeitgeber versuchen wird, mir aus personenbedingten Gründen zu kündigen. Bin ich dagegen Gleichgestellter, werde ich bei einer Sozialauswahl anders berücksichtigt. Deshalb bitte ich, die Gleichstellung mit Wirkung auf den Antragseingang zu bescheiden.
Mit freundlichen Grüßen (Schaub/Schrader Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 9. Auflage 2008 § 27 Rn 1).
VII. Kündigung, § 85 SGB IX
Wie beim Mutterschutzgesetz hat man es in der Praxis mit 3 mögliche Fragestellungen zu tun:
- Der Arbeitgeber kennt weder die Schwerbehinderung noch die Gleichstellung, der Arbeitnehmer beruft sich auch nicht auf eine solche nach Ausspruch der Kündigung
- Der Arbeitgeber kennt weder die Schwerbehinderung noch die Gleichstellung, der Arbeitnehmer beruft sich nach Ausspruch der Kündigung auf eine solche.
- Der Arbeitgeber kennt die Schwerbehinderung oder Gleichstellung.
Eine 4. Konstellation hat jüngst durch die Rechtsprechung des BAG an Bedeutung erlangt, nämlich wenn der Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis nach der Schwerbehinderung fragt und der Arbeitnehmer wahrheitswidrig verneint.
1. Keine Kenntnis, keine nachträgliche Mitteilung
Kennt der Arbeitgeber eine eventuelle Schwerbehinderung oder Gleichstellung nicht und beruft sich auch der Arbeitnehmer nicht binnen drei Wochen nach Zugang einer Kündigung darauf, ist die Kündigung nicht per se wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam (BAG,NZA 2006, 1035).
Eine Ausnahme wird für den Fall gemacht, dass die Schwerbehinderung offensichtlich ist. Solche Fälle der Offenkundigkeit sind beispielsweise der Verlust von Gliedmaßen, Blindheit etc. (Neumann/Palen/Majerski-Palen, § 85 SGB IX Rz. 34 mwN).
2. Keine Kenntnis, nachträgliche Mitteilung
Ist die Schwerbehinderung oder Gleichstellung vor Zugang der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung gemäß § 69 I SGB IX beziehungsweise § 68 II SGB IX durch die zuständigen Behörden festgestellt worden, oder wurde der Antrag auf Schwerbehinderung oder Gleichstellung mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt und beruft sich der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung auf den bestehenden Sonderkündigungsschutz, bedarf es zur Zulässigkeit der Kündigung der Zustimmung des Integrationsamtes (BAG,NZA 2006, 1035; BAG, NZA 2008, 302).
Zu beachten ist die neue Rechtsprechung des BAG zur Mitteilungsfrist (BAG, Urt. v. 23. 2. 2010 − 2 AZR 659/08 NZA 2011, 411):
„Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat das Recht, sich gegenüber seinem Arbeitgeber auf den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz zu berufen, in der Regel nicht nach § 242 BGB verwirkt, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung innerhalb der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht hat“.
„Nach den vom Senat hierzu aufgestellten Grundsätzen muss sich der Arbeitnehmer, wenn er sich den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX erhalten will, nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist, die drei Wochen beträgt (BAGE 125, 345 = NZA 2008, 1055; BAG, NZA 2006, 1035 Rdnr. 45), gegenüber dem Arbeitgeber auf seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft berufen. Unterlässt der Arbeitnehmer die entsprechende Mitteilung, so hat er den besonderen Kündigungsschutz verwirkt. Die Dreiwochenfrist ist eine Regelfrist. Sie konkretisiert den Verwirkungstatbestand. Ihre Überschreitung führt danach regelmäßig, aber nicht zwingend zur Verwirkung (BAG, NZA 2006, 1035)“.
Keine Form Die Mitteilung kann formfrei erfolgen. Sie muss zum Inhalt haben, dass der Arbeitnehmer schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist oder dass er die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung beantragt hat und damit erkennen lassen, dass er sich auf den besonderen Kündigungsschutz beruft. Anderenfalls verliert er selbstverständlich nicht seinen allgemeinen Kündigungsschutz, aber den Sonderkündigungsschutz.
3. Kenntnis von der Schwerbehinderung
Kennt der Arbeitgeber die Schwerbehinderung oder Gleichstellung, dann bedarf es einer vorherigen Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt. Eine ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung wäre gemäß § 85 SGB IX, § 134 BGB nichtig (BVerwG, NZA-RR 1996, 288, BAG, NZA 1994, 879).
Hat der Arbeitgeber trotz Kenntnis keine Zustimmung eingeholt, greift wie beim MuSchG § 4 S. 4 KSchG (BAG 13.2.2008 NZA 2008, 1055), d.h. es besteht Klagemöglichkeit bis zur Verwirkung. Aber: Die Beweislast für die Kenntnis liegt beim Arbeitnehmer.
Bei der außerordentlichen Kündigung nach § 91 SGB IX bedarf es – anders als bei der ordentlichen Kündigung – vor Ausspruch der Kündigung keiner schriftlichen Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes. Es genügt hier vielmehr, wenn das Integrationsamt dem Arbeitgeber seine Zustimmungsentscheidung innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist (§ 91 Abs. 3 S. 1 SGB IX) mündlich oder fernmündlich bekannt gegeben hat (siehe Lansnicker, Prozesse in Arbeitssachen 2. Auflage 2010 § 1 Rn 90-93).
4. Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis
Eine weitere Konstellation lag der Entscheidung des BAG vom 16. 2. 2012 – 6 AZR 553/10 NZA 2012, 555 und ArbRAktuell 2012, 116 m. Anm. Krieger) zugrunde. Hier hatte der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Wartezeit (6 Monate) die MitarbeiterInnen nach bestehendem Sonderkündigungsschutz gefragt, was der schwerbehinderte Arbeitnehmer wahrheitswidrig verneinte. Nachdem er die Kündigung erhielt, berief sich der Arbeitnehmer nachträglich auf die im Zeitpunkt der frage bereits bestehende Schwerbehinderung. Das BAG hat es ihm verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen:
Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:
1. Für die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag besteht ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers. Diese Frage ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 90 I Nr. 1 SGB IX zuzulassen, um dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten zu ermöglichen. Insbesondere im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung zeigt der Arbeitgeber mit dieser Frage, dass er seine zum Schutz des Schwerbehinderten bei einer Kündigung bestehenden Pflichten nach § 1 III KSchG und §§ 85 ff. SGB IX erfüllen will.
2. Die Einholung eines so genannten Negativattests ist für den Arbeitgeber keine gleich geeignete Alternative zur Frage nach der Schwerbehinderung.
3. Die Frage im Vorfeld einer Kündigung diskriminiert den Arbeitnehmer nicht wegen einer Behinderung unmittelbar i. S. des § 3 I 1 AGG. Sie setzt behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber Nichtbehinderten zurück. Die Frage dient vielmehr der Wahrung der Rechte und Interessen der Schwerbehinderten und ist Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber die Belange des schwerbehinderten Menschen bei Kündigungen überhaupt wahren kann.
4. § 28 VI Nr. 3 BDSG lässt die Frage nach der Schwerbehinderung und damit nach sensitiven Daten i. S. von § 3 IX BDSG zu. Eine Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche als Voraussetzung einer Datenerhebung nach § 28 VI Nr. 3 BDSG liegt in Übereinstimmung mit der Formulierung des Art. 8 II lit. b Richtlinie 95/46/EG auch dann vor, wenn die Datenerhebung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Arbeitgebers Rechnung zu tragen. Dazu gehören auch die Pflichten des Arbeitgebers zur Beachtung der Schwerbehinderung im Rahmen der Sozialauswahl und zur Wahrung des Schwerbehindertenschutzes nach §§ 85 ff. SGB IX.
5. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld von Kündigungen verletzt den schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Aus dem Grundgesetz ergeben sich insoweit keine weitergehenden Anforderungen als aus dem Unionsrecht.
6. Das Insolvenzgericht darf nach § 22 II 2 InsO den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu einzelnen bestimmt bezeichneten Maßnahmen berechtigen und verpflichten. Dazu gehört auch die Ermächtigung zur Kündigung bestimmbarer Arten von Dauerschuldverhältnissen. Ein solcher halbstarker vorläufiger Insolvenzverwalter rückt bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren hinsichtlich der
Kündigungsberechtigung in die Arbeitgeberstellung ein und ist berechtigt, alle damit verbundenen Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen.
7. Die Verpflichtung zur Auskunft der Beschäftigten des Schuldners gegenüber dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter umfasst alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände, die für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens oder von Gläubigerforderungen in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Hierunter fällt auch die Auskunft über die Schwerbehinderteneigenschaft.
8. Verneint der schwerbehinderte Arbeitnehmer die Frage nach seiner Schwerbehinderung im Vorfeld einer Kündigung wahrheitswidrig, ist es ihm im Kündigungsschutzprozess unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.
Das Urteil ist von erheblicher praktischer Bedeutung, zumal es datenschutzrechtliche Belange und solche des AGG tangiert.
[21] (1) Durch die Frage nach der Schwerbehinderung und deren wahrheitsgemäße Beantwortung werden behinderte Arbeitnehmer gegenüber Nichtbehinderten nicht zurückgesetzt (zu dieser Definition des Nachteils i. S. des § 3 I AGG für das Merkmal „Alter“ s. BAGE 133, 265 = NZA 2010, 561 Rdnr. 25). Die Frage nach der Schwerbehinderung soll es bei objektiver Betrachtung dem Arbeitgeber ermöglichen, den besonderen Schutz des Schwerbehinderten zu verwirklichen, insbesondere den Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes zu beachten. Dieser öffentlich–rechtliche Sonderkündigungsschutz ist präventiver Art. Er unterwirft die Ausübung des arbeitgeberseitigen Kündigungsrechts einer vorherigen Kontrolle durch das Integrationsamt, indem er die Kündigung einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterstellt, um so bereits im Vorfeld der Kündigung die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung zu bringen und eine mit den Schutzzwecken des SGB IX unvereinbare Kündigung zu verhindern. Dem Integrationsamt obliegt im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes die Inschutznahme des Schwerbehinderten mit dem Ziel, die aus seiner Behinderung resultierenden Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen, dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen und sicherzustellen, dass er gegenüber Letzteren nicht ins Hintertreffen gerät (vgl. BVerwGE 90, 275 = NVwZ 1993, 588; BVerwGE 90, 287 = NVwZ 1993, 587; BVerwG, Beschl. v. 31. 7. 2007 – 5 B 81/06, BeckRS 2007, 25535 Rdnr. 5). Die Frage dient also der Wahrung der Rechte und Interessen des Schwerbehinderten, nicht aber dazu, ihn gegenüber nicht behinderten Arbeitnehmern zurückzusetzen. Die Belange des schwerbehinderten Menschen sollen durch § 1 III KSchG sowie in dem nach §§ 85 ff. SGB IX einzuhaltenden Verfahren gerade gewahrt werden. Das setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft Kenntnis hat oder zumindest die Möglichkeit hat, sich diese durch Nachfrage zu verschaffen. [22] Dies steht auch im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG). Nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 16 strebt diese durch das AGG umgesetzte Richtlinie Maßnahmen an, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen. Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 27 will sie der Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses von Menschen mit Behinderung besondere Aufmerksamkeit widmen. Diesen Zwecken dienen unter anderem § 1 III KSchG und der in §§ 85 ff. SGB IX geregelte Sonderkündigungsschutz.
[25] d) Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. [26] aa) § 28 VI Nr. 3 BDSG lässt die Frage nach der Schwerbehinderung bei unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung des dadurch umgesetzten Art. 8 II lit. b der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Richtlinie 95/46/EG) zu, wenn wie im vorliegenden Fall nach der von den nationalen Gerichten vorzunehmenden, am Zweck der Richtlinie 95/46/EG orientierten Abwägung das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Behinderung das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung dieser Daten nicht überwiegt. [27] (1) Die vorliegende Fragebogenaktion wird vom Bundesdatenschutzgesetz erfasst. Auch Sammlungen ausgefüllter Formulare sind nicht automatisierte Dateien i. S. des § 1 II Nr. 3 i. V. mit § 3 II 2 BDSG (Simitis/Dammann, BDSG, 7. Aufl., § 3 Rdnr. 99; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1146 [1150] m. w. Nachw.). [28] (2) Nach § 28 VI Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen besonderer Arten personenbezogener Daten i. S. des § 3 IX BDSG für eigene Geschäftszwecke auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Diese Voraussetzungen sind bei der Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Erwerb des Behindertenschutzes und zur Vorbereitung konkret bevorstehender Kündigungen erfüllt. [29] (a) Die Frage nach der Behinderung verlangt Angaben zur Gesundheit und stellt damit eine Erhebung besonderer Arten personenbezogener Daten (sensitiver Daten) i. S. von § 3 IX BDSG dar (Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 56 a; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1146 [1151]). [30] (b) Allerdings ist die Erhebung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht zur „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung“ eines Anspruchs des Arbeitgebers im Sinne der Legaldefinition des § 194 I BGB, also eines Rechts, von einer anderen
Person ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, erforderlich. Sie ist, wie bereits ausgeführt, lediglich Voraussetzung für die Erfüllung der dem Arbeitgeber nach § 1 III KSchG und § 85 SGB IX obliegenden Pflichten. Die Datenerhebung findet also im Vorfeld der Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Arbeitgebers statt und dient dazu, diesem die Kenntnis zu verschaffen, die erforderlich ist, um ihm anschließend ein gesetzeskonformes Handeln zu ermöglichen. Auch eine solche Datenerhebung zur Klärung von gegen den Arbeitgeber gerichteten Ansprüchen, die sich für diesen spiegelbildlich als Pflichten darstellen, ist jedoch unter Berücksichtigung der Richtlinie 95/46/EG von § 28 VI Nr. 3 BDSG gedeckt (Gola, RDV 2001, 125 [127]).
[31] (aa) § 28 VI bis IX BDSG setzen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Dr 14/4329, S. 43) Art. 8 Richtlinie 95/46/EG, insbesondere Art. 8 II lit. b dieser Richtlinie, um. Nach dieser Bestimmung ist die Verarbeitung von Daten, worunter nach Art. 2 lit. b Richtlinie 95/46/EG auch deren Erhebung fällt, zulässig, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies auf Grund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist. Ein Wille des Gesetzgebers, durch die Formulierung der Voraussetzungen in § 28 VI Nr. 3 BDSG der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsrechts engere Grenzen als durch Art. 8 II lit. b Richtlinie 95/46/EG vorgesehen zu setzen, ist nicht ersichtlich (vgl. Gola, RDV 2001, 125 [127]). Es handelt sich vielmehr lediglich um eine missglückte Formulierung (vgl. Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1146 [1152]). Deshalb kann dahinstehen, ob es dem deutschen Gesetzgeber verwehrt gewesen wäre, die in Art. 8 II lit. b Richtlinie 95/46/EG niedergelegten Grundsätze weiter einzuschränken (vgl. für Art. 7 lit. f Richtlinie 95/46/EG: EuGH, NZA 2011, 1409 = EuZW 2012, 37 Rdnrn. 35 f., 48– ASNEF).
VIII. Antrag des Arbeitgebers
An das
Integrationsamt . . . . .
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Antragstellerin war gezwungen, . . . . . Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen zu entlassen. Infolge natürlicher Fluktuation sind weitere . . . . . Arbeitnehmer ausgeschieden. Die Antragstellerin beschäftigt daher nur noch . . . . . Arbeitnehmer. Unter den beschäftigten Arbeitnehmern sind . . . . . schwerbehinderte Menschen. Sie beschäftigt daher immer noch schwerbehinderte Menschen über die gesetzlich bestimmte Zahl hinaus.
Die Antragstellerin beabsichtigt, dem schwerbehinderten Menschen . . . . .zu kündigen. Die Kündigung beruht auf folgendem Sachverhalt:
. . . . . (Genaue Darlegung des Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses usw.)
Betriebsrat und Vertrauensmann der schwerbehinderten Menschen haben der Kündigung zugestimmt. Es wird daher beantragt, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen.
. . . . ., den . . . . .
IX. Anfechtung statt Kündigung
Statt einer Kündigung kommt eine Anfechtung des Arbeitsvertrags in Betracht gem. § 119 BGB (Verkehrswesentliche Eigenschaft) oder gem. § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung.
Diesmal steht nicht das Fragerecht des Arbeitgebers während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, sondern vor dessen Begründung in Rede (BAG 7. 7. 2011 NZA 2012, 34:
[16]a) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 I BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten (BAGE 96, 123 = NZA 2001, 315 = NJW 2001, 1885 [zu II 1]; BAGE 81, 120 = NZA 1996, 371 = NJW 1996, 2323 [zu B II 1]). Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war (vgl. für die widerrechtliche Drohung BAG, NZA 2010, 1250 = AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9 Rdnr. 41; BAGE 125, 70 = NZA 2008, 348 Rdnr. 59= NJW 2008, 1341 L)..
Der Arbeitgeber wird sich also dann nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter erkundigen dürfen, wenn die Frage tätigkeitsbezogen ist, also wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit von Bedeutung ist, ansonsten nicht (ausdrücklich offen gelassen durch BAG, ArbRAktuell 2011, 320430 m. Anm. Bauer), also ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage im Hinblick auf das in Aussicht genommene Arbeitsverhältnis besteht (BAG, NZA 1985, 57).
X. Zustimmung des Integrationsamts bei Kündigung
In der Praxis ist die Zustimmung regelmäßig keine allzu große Hürde, weil gem. § 88, 89 SGB IX nur eine beschränkte Prüfungskompetenz besteht. In der Kommentarliteratur liest es sich wie folgt (Rolfs Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 12. Auflage 2012 § 89 SGB IX Rn 1-3):
Das Integrationsamt trifft seine Entsch., ob es dem Antrag des AG nach § 87 I 1 stattgibt oder ihn ablehnt, grds. nach pflichtgemäßem Ermessen, § 39 SGB I (BVerwG 21. 10. 1964 AP SchwBeschG § 14 Nr. 28; 28. 2. 1968 AP SchwBeschG § 14 Nr. 29; MüArbR/Heenen § 313 Rn. 43), wobei es sich vom Zweck des SGB IX, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen, leiten lässt (BVerwG 2. 7. 1992 NVwZ 1993, 588). Bei der Ermessensausübung sind deshalb die Interessen des AG und des AN gegeneinander abzuwägen (BVerwG 28. 9. 1995 NZA-RR 1996, 290; 19. 10. 1995 NZA-RR 1996, 288), wobei die Interessen des schwerbehinderten AN umso mehr an Gewicht verlieren, als der Kündigungsgrund mit der Behinderung in keinem Zusammenhang steht (BVerwG 19. 10. 1995 NZA-RR 1996, 288; BayVGH 9. 3. 1995 BehinR 1995, 199). Genießt der AG bes. verfassungsrechtl. Schutz (zB Presseunternehmen, kirchl. AG etc.), ist auch dies zu berücksichtigen (VGH BW 26. 5. 2003 NZA-RR 2003, 629).
2 Da der bes. Kündigungsschutz der §§ 85 ff. neben alle übrigen Kündigungsschranken tritt (vgl. § 85 Rn. 1), findet eine Prüfung der übrigen Kündigungsvoraussetzungen durch das Integrationsamt grds. nicht statt (vgl. BVerwG 19. 10. 1995 NZA-RR 1996, 288). Allenfalls bei offenkundiger Unwirksamkeit der beabsichtigten Kündigung kann die Zust. verweigert werden (BVerwG 11. 11. 1999 NZA 2000, 146; VGH BW 24. 11. 2005 NZA-RR 2006, 183; BayVGH 14. 11. 2006 ZTR 2008, 173; aA offenbar OVG Bautzen 25. 8. 2003 NZA-RR 2004, 408). Die Zust. gibt dem AG nur diejenige Rechtsstellung zurück, die er hätte, wenn es den bes. Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nicht gäbe (BVerwG 2. 7. 1992 NVwZ 1993, 588; Bachmann ZfA 2003, 43, 51 ff.; vgl. a. Seidel MDR 1997, 804, 805). Bei der Entsch. des Integrationsamts können daher nur diejenigen Umstände Relevanz gewinnen, die speziell aus der Fürsorge des Staates ggü. schwerbehinderten Menschen resultieren. Es hat nur zu prüfen, ob und inwieweit die Kündigung durch die bes. Leiden des schwerbehinderten Menschen bedingt ist.
3 Bei einer personenbedingten Kündigung (zu ihr APS/Vossen Rn. 3 a), die sich auf wiederholte Kurzerkrankungen oder eine krankheitsbedingte AU des AN stützt, darf die Zust. nur erteilt werden, wenn infolge von hohen Fehlzeiten in den vergangenen Jahren die Prognose gerechtfertigt ist, dass mit einer sinnvollen Arbeitsleistung des AN nicht mehr gerechnet werden kann (OVG NW 21. 3. 1990 BehinR 1991, 93; 27. 2. 1998 BehinR 1998, 170). Dabei ist zu prüfen, ob der AG dem AN einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen in der Lage ist (BAG 29. 1. 1997 NZA 1997, 709; 28. 4. 1998 NZA 1999, 152). Bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist zu prüfen, inwieweit die Pflichtverletzung auf der Behinderung beruht. Selbst bei einem ursächl. Zusammenhang kann die Zust. freil. zu erteilen sein, wenn
zB der schwerbehinderte AN die Würde und das Persönlichkeitsrecht anderer AN des Betriebes wiederholt verletzt hat (OVG Lüneburg 4. 12. 1990 AP SchwbG 1986 § 19
Nr. 1). Im Falle einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung ist die unternehmerische Entsch. des AG, den Arbeitsplatz einsparen zu wollen, vom Integrationsamt hinzunehmen (OVG Schleswig 12. 6. 2002 BehinR 2003, 91; VG Minden 27. 5. 2002 NZA-RR 2003, 248; KR/Etzel §§ 85–90 SGB IX Rn. 82 a). Es hat jedoch zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung des AN – ggf. nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung – mögl. erscheint (BVerwG 28. 2. 1968 AP SchwBeschG § 14 Nr. 29; 5. 6. 1975 E 48, 264, 267; vgl. a. BAG 28. 4. 1998 aaO).
Zu beachten ist die Fiktion der Zustimmung bei Betriebsschließung oder Insolvenz (§ 88 Abs. 5 SGB IX).
Der Arbeitgeber muss innerhalb von eines Monats nach Zugang der Zustimmung kündigen (§ 88 Abs. 3 SGB IX), sonst verfällt sie. Auf Rechtskraft des Bescheids kommt es nicht an.
XI. Nachträgliche Aufhebung der Entscheidung
Schon beim MuSchG wurde angesprochen, dass die Kündigung zwar mit Zugang des Bescheids ausgesprochen werden kann bzw. ausgesprochen werden muss, jedoch erst mit Rechtskraft des Bescheids endgültig wirksam wird. Das ist im Rahmen des Mutterschutzgesetzes etwas weniger problematisch, weil der Arbeitgeber nach Beendigung des Mutterschutzes erneut kündigen kann, ohne eine Zustimmung zu benötigen (zur Elternzeit siehe oben). Im Schwerbehindertenrecht ist eine erneute Kündigung ohne Sonderkündigungsschutz freilich nicht die Regel.
Der Zustimmungsbescheid ist ein Verwaltungsakt. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung. Wird er im Widerspruchsverfahren oder im Klageverfahren aufgehoben, wird die Kündigung rückwirkend gem. § 85 SGB IX i.V.m. § 134 BGB nichtig mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Legt der Arbeitnehmer Widerspruch ein oder erhebt er Klage, könnte dass Kündigungsschutzverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens ausgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 26.09.1991 NZA 1992, 1073 steht das im Ermessen des Gerichts:
Es steht auch dann im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es den von einem Schwerbehinderten anhängig gemachten Kündigungsschutzprozeß gem. § 148 ZPO aussetzt, solange über die Anfechtung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der Kündigung noch nicht rechtskräftig entschieden ist, wenn es die Kündigung für sozial gerechtfertigt hält (Abweichung von BAGE 34, 275 = NJW 1981, 2023 L =AP § 12 SchwbG Nr. 7).
So sieht es auch das LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. 4. 2004 NZA-RR 2004, 614:
Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es den vom Schwerbehinderten anhängig gemachten Kündigungsschutzprozess gem. §148 ZPO aussetzt, solange über dessen Anfechtung der Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht rechtskräftig entschieden ist, oder dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz Vorrang gibt und die Klage abweist (so auch: BAG [26. 9. 1991], NZA 1992, 1073; LAG Köln [13. 4. 1999], NZA-RR 2000, 128).
Wird nicht ausgesetzt, sondern nach rechtskräftiger Abweisung der Kündigungsklage die Zustimmung versagt,
„so kann der Schwerbehinderte gem. § 580 Nr. 6 ZPO im Wege der Restitutionsklage die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils erreichen (BAGE 34, 275 = NJW 1981, 2023 L = AP § 12 SchwbG Nr. 7). Entgegen der Ansicht von Rotter (NJW 1979, 1319) scheidet dagegen die Möglichkeit aus, im Hinblick auf § 13 III KSchG bei einem nachträglichen Wegfall der Zustimmung im Rahmen einer nicht fristgebundenen Feststellungsklage nach § 256 ZPO die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen. Zwar ist die fehlende Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ein „anderer Grund“ i. S. dieser Vorschrift. Jedoch ist der Schwerbehinderte aufgrund des rechtskräftigen klageabweisenden Urteils im Kündigungsverfahren nicht nur mit der Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung, sondern auch mit allen sonst in Betracht kommenden Nichtigkeitsgründen und deshalb auch mit dem der fehlenden Zustimmung der Hauptfürsorgestelle präkludiert (so zutr. Grunsky, Anm. zu AP § 12 SchwbG Nr. 1 (zu 1b) m. w. Nachw.).
Dem Schwerbehinderten entsteht auch dann kein bleibender Rechtsnachteil, wenn das verwaltungsgerichtliche Verfahren länger als fünf Jahre nach rechtskräftiger Abweisung seiner Kündigungsschutzklage zu dauern und deshalb die Fünf-Jahres-Frist des § 586 II 2 ZPO für die Erhebung einer Restitutionsklage abzulaufen droht. Der Senat hält es insoweit in Übereinstimmung mit Grunsky (Anm. zu AP § 12 SchwbG Nr. 1 (zu 2)) für zulässig, die Wiederaufnahmeklage bereits vor Abschluß des Verwaltungsstreitverfahrens zu erheben und das Wiederaufnahmeverfahren dann bis zum Abschluß dieses Verfahrens auszusetzen. Mit dem Zweck des § 586 II 2 ZPO ist dies deshalb vereinbar, weil die Fünf-Jahres-Frist in erster Linie die im Ausgangsverfahren siegreiche Partei in ihrem Vertrauen auf den Bestand des Urteils schützen will. Diesem Vertrauen wird die Grundlage aber auch dann entzogen, wenn innerhalb der Frist die Wiederaufnahmeklage erhoben wird. Damit ist klargestellt, daß der Wiederaufnahmekläger seine Möglichkeiten, gegen das Urteil anzugehen, wahrnehmen will (so zutr. Grunsky, Anm. zu AP § 12 SchwbG Nr. 1; ebenso Baumgärtel-Scherf, JZ 1970,357; Zöller-Schneider, ZPO, 17. Aufl., § 586 Anm. 3b)“ BAG Urteil vom 26.09.1991NZA 1992, 1073 ff., 1077) .
D. PflegeZG Sonderkündigungsschutzgesetz nach dem Pflegezeitgesetz
Besonderer Kündigungsschutz besteht nach dem PflegezeitG. Er beginnt beginnt mit der Ankündigung der Pflegezeit (§ 5 Abs. 1 PflegeZG) und endet mit dem Wegfall der kurzfristigen Arbeitsverhinderung. Die Ankündigungsfrist beträgt mindestens zehn Tage, zweifelhaft ist aber die Höchstfrist (siehe Gallner Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 12. Auflage 2012 § 5 PflegeZG § 5 Rn 2:).
„Der Sonderkündigungsschutz wirkt schon vor Beginn der Pflegezeit mit dem Zugang der schriftlichen Ankündigung nach § 3 III 1. Eine analoge Anwendung der achtwöchigen Frist vor Beginn der Elternzeit nach § 18 I 1 BEEG scheidet aus. Der Gesetzgeber wollte die Pflege(-teil)zeit ausdrücklich in Teilen der Eltern(-teil)zeit in §§ 15 f. BEEG nachbilden (BT-Drs. 16/7439 S. 91). Das spricht mit Blick auf die fehlende Frist für den vorwirkenden Kündigungsschutz gegen eine planwidrige Regelungslücke (ebenso Joussen NZA 2009, 69, 74; Novara DB 2010, 503, 504; iE a. DLF/Böck § 5 Rn. 4; Hromadka Sonderausgabe AuA 2009, 8, 10; Oberthür/Becker ArbRB 2009, 77, 80; KR/Treber PflegeZG Rn. 55; ähnl. Müller BB 2010, 705 f.; Preis/Nehring NZA 2008, 729, 734; aA Linck BB 2008, 2738, 2743: Analogie zu § 18 I 1 BEEG; Wolf SAE 2009 Heft 3, IX: Analogie zu der vierwöchigen „Ankündigungsfrist“ für den Rückkehranspruch nach § 4 II 1)“ (ErfK/Gallner § 5 Rn. 2PflegezeitG).
„Dem besonderen Kündigungsschutz aus § 5 kann jedoch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen (Waldenmaier/Langenhan-Komus RdA 2008, 312, 313 f.; aA Rose/Dörstling DB 2008, 2137, 2140: einschränkende Anwendung; zu den Strategien, dem Missbrauchspotential entgegenzuwirken: Novara DB 2010, 503 ff., der auf S. 505 ff. nicht nur Rechtsmissbrauch, sondern auch die Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes bei Verstößen gegen die Nachweispflicht des § 3 II diskutiert: regelmäßig Verwirkung bei unterbliebenem Nachweis binnen zwei Monaten nach Ankündigung, ausnahmsweise keine Verwirkung bei fehlendem Verschulden des Beschäftigten an der Versäumung). Wegen des nötigen Akutereignisses tritt im Fall des § 2 I regelmäßig kein Rechtsmissbrauchsproblem iSv. § 242 BGB auf (Novara DB 2010, 503; aA Rose/Dörstling DB 2008, 2137, 2139). Anderes gilt für die Pflege(-teil)zeit (näher Fröhlich ArbRB 2008, 84, 86; Preis/Nehring NZA 2008, 729, 735; Schwerdle ZTR 2007, 655, 661). Rechtsmissbrauch ist nur anzunehmen, wenn für ihn objektive Anhaltspunkte bestehen“.
Für Rechtsmissbrauch spricht indiziell die zeitl. Nähe der Ankündigung der PZ zu einer zuvor in Aussicht gestellten Kündigung. Bei einer anstehenden betriebsbedingten Kündigung bspw. liegt es dann nahe, dass der Beschäftigte den Pflegebedarf vorschiebt, um mithilfe des bes. Kündigungsschutzes von der Sozialauswahl ausgenommen zu werden (Rose/Dörstling DB 2008, 2137: „Flucht in die Pflege“). Anzeichen für Rechtsmissbrauch gibt es dagegen nur im Ausnahmefall, wenn der Beschäftigte die Pflege bei wechselnder Betreuung durch mehrere Personen
zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft übernehmen will, die häusliche Pflege erst nach einer längeren stationären Heilbehandlung erfolgen kann oder zunächst
Umbauten nötig sind, um eine häusliche Pflege zu ermöglichen. Der AG muss in solchen Fällen substantiiert vortragen und ggf. beweisen, weshalb die in der Zukunft
liegenden Gründe ledigl. vorgeschoben sein sollen, um den bes. Kündigungsschutz des § 5 zu erlangen (Böggemann FA 2008, 357, 358). Die Würdigung der für und gegen Rechtsmissbrauch sprechenden Anhaltspunkte ist vorrangig Aufgabe der Tatsachengerichte. Ihnen kommt ein Beurteilungsspielraum zu, der nur beschränkt revisibel ist (vgl. zu denkbaren Rechtsmissbrauchskonstellationen Böggemann FA 2008, 357, 358 f.).
Der AN ist unabhängig von seinem Recht auf PZ nach § 275 III BGB berechtigt, seine Arbeitsleistung zu verweigern, wenn die Betreuung des nahen Angehörigen nicht anders sichergestellt werden kann. Mit der Ausübung dieses Leistungsverweigerungsrechts ist jedoch kein Sonderkündigungsschutz nach § 5 verbunden (Müller BB 2010, 705, 707 mwN). Der bes. Kündigungsschutz des § 5 wirkt nicht nach. Er endet mit dem Ende der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (§ 2 I) oder der Pflege(-teil)zeit nach §§ 3, 4 (Rose/Dörstling DB 2008, 2137, 2140; KR/Treber PflegeZG Rn. 59). Der AG darf das Beschäftigungsverhältnis aber nicht aus Anlass der Wahrnehmung der Rechte aus § 2 I und § 3 I 1 nach dem Ende der Arbeitsverhinderung oder der PZ kündigen, § 612 a BGB (Nielebock AiB 2008, 363, 364).
E. § 17 KSchG Massenentlassungen
§ 17 KSchG regelt den bes. Kündigungsschutz bei Massenentlassungen. § 17 I legt die Schwellenwerte für eine Anzeigepflicht ggü. der AA fest. Abs. 2 schreibt die Konsultation des BR vor und konkretisiert dazu die Unterrichtungspflicht des AG. Abs. 3 sichert, dass die Auskünfte der AA übermittelt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt bei der Massenentlassung ist der Ausspruch der Kündigung (EuGH 27.1.2005).
Der betriebliche Geltungsbereich ergibt sich aus § 23 iVm. § 17 (mehr als 20 AN). Der persönliche Geltungsbereich der §§ 17 ff. erstreckt sich auf alle Angestellten und Arbeiter, auf Auszubildende und Volontäre. Unerheblich sind das Lebensalter oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit (ErfK/Kiel § 17 KSchG Rn.6).
Der sachliche Geltungsbereich erfasst alle Entlassungen auf Grund ordentlicher Kündigungen des Arbeitgebers. Er bezieht sich auch auf Änderungskündigungen (Kiel Rn. 17). Nach § 17 IV sind fristlose Kündigungen nicht erfasst und werden nach Abs. 4 S. 2bei der Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Abs. 1 nicht mitgerechnet.
F. § 15 KSchG
§ 15 KSchG regelt den Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder. Die Besonderheiten:
- Das betroffene Betriebsratsmitglied darf nicht mitberaten oder mitstimmen.
- Hat der Betriebsrat nur ein Mitglied, muss sogleich ein Antrag beim Arbeitsgericht nach § 103 Abs. 2 BetrVG gestellt werden.
- Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung nicht innerhalb von drei Tagen oder gibt er innerhalb von drei Tagen keine Erklärung ab, gilt die Zustimmung als verweigert.
- Der Arbeitgeber darf erst kündigen, wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
- Ersetzt das Arbeitsgericht die Zustimmung, so muss der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach formeller Rechtskraft des Beschlusses kündigen, sonst verliert der Beschluss seine Wirkung.
- Was in der Praxis in diesem Zusammenhang häufig übersehen wird, dass in dem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG auch hilfsweise ein Ausschließungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG gestellt werden kann.
G. Tarifvertraglicher Kündigungsschutz
Die Tarifvertragsparteien können die Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers einschränken. Regeln sie, dass aus Anlass einer Arbeitsunterbrechung wegen Krankheit nicht gekündigt werden darf, kann bei einer Kündigung im unmittelbaren Anschluss an eine vorhergehende Arbeitsunfähigkeit der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass die Arbeitsunterbrechung wegen Krankheit bestimmendes Motiv des Arbeitgebers für die Kündigung war (Schaub 14. Aufl. 2011, §129 Rn. 24).
Gelegentlich werden betriebsbedingte Kündigungen verboten. Der Personalabbau soll alsdann nur durch natürliche Fluktuation herbeigeführt werden. Sehen die Tarifverträge ein Kündigungsverbot vor, greift dies unabhängig davon ein, ob das KSchG anwendbar ist. Sind ordentliche betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, kommt ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in Betracht, wenn keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer besteht. Insoweit ist die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (Schaub Rn. 25).
H. Arbeitsvertraglicher Sonderkündigungsschutz
Das Kündigungsrecht des Arbeitgebers kann auch durch vertragliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer beschränkt werden. So ist aufgrund der Privatautonomie etwa der arbeitsvertragliche Ausschluss der ordentlichen Arbeitgeberkündigung wirksam möglich, soweit dem Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung verbleibt. Eine solche Regelung ist nur unter besonderen Umständen wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) als unwirksam anzusehen (BAG 25.3.2004 – 2 AZR 153/03, AP § 138 BGB Nr. 60). Eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, welche die Wirksamkeit der Kündigung von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig macht, ist hingegen unwirksam (BAG 23.4.2009 – 6 AZR 263/08, NZA 2009, 915); zur Regelung eines solchen Zustimmungsvorbehalts ermächtigt § 102 Abs. 6 BetrVG die Betriebspartner, nicht aber die Parteien des Arbeitsvertrages.