Besonderer Kündigungsschutz
• § 242 BGB
• BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschluß vom 21. 6. 2006 – 1 BvR 1659/04 NZA 2006, 913
1. Außerhalb des Geltungsbereichs des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG ist der Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt, wobei im Rahmen dieser Generalklauseln auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten ist.
2. Dies gilt nicht nur im Kleinbetrieb, sondern auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Wartezeit gem. § 1 I KSchG, das heißt in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses.
3. Auch bei Einstellungen im öffentlichen Dienst wird durch Art. 33 II GG das Recht des Arbeitgebers, während der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 I KSchG die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des neu eingestellten Arbeitnehmers zu überprüfen, nicht eingeschränkt. (Leitsätze der Redaktion)
• BVerfG, Beschluß vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470
„In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Zutreffend werden in der Literatur als Beispiele dafür Diskriminierungen i.S. von Art. 3 III GG genannt. Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme . Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Der objektive Gehalt der Grundrechte kann auch im Verfahrensrecht Bedeutung erlangen. Für die Wirksamkeit des gerichtlichen Kündigungsschutzes ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast von besonderer Bedeutung. Nach § 1 II 4 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gilt diese Regel nicht. Wie die Darlegungs- und Beweislast unter Beachtung verfassungsrechtlicher Positionen bei der Anwendung der Generalklauseln in §§ 138 oder 242 BGB zu beurteilen ist, läßt sich nicht allgemein festlegen. Für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bietet das Prozeßrecht aber geeignete Handhaben“.
• ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. 3. 2010 – 2 Ca 319/10, NZA 2010, 1178
„Nicht nur im Fall einer Verdachtskündigung besteht dem Arbeitnehmer gegenüber eine Anhörungspflicht, sondern auch für den Normalfall einer arbeitgeberseitigen Kündigung in betriebsratslosen Betrieben“.
„Eine Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Kündigung in betriebsratslosen Betrieben folgt auch aus dem ebenfalls aus § 242 BGB abzuleitenden, vertraglichen Gebot, bei Verfolgung seiner Interessen gegenüber der Gegenpartei fair zu verfahren (zur Fairness bei dem Abschluss von Aufhebungsverträgen: Reinecke, in: Festschr. f. Küttner, 2006, S. 327 [333] m. w. Nachw.). Indem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einer beabsichtigten Kündigung anhört, gibt er ihm Gelegenheit, seine Sicht zur beabsichtigten Kündigung vorzutragen und auf diese Weise auf die bevorstehende Kündigungsentscheidung (noch) Einfluss zu nehmen. Demgegenüber ist es als unfair anzusehen, den Arbeitnehmer mit einer Kündigungsentscheidung zu überraschen und ohne Gehör zu konfrontieren“ (siehe auch im Urteil vom 26. 6. 1998 – 3 Ca 3473/97, NZA-RR 1999, 137 und Däubler KDZ 8. Aufl. Einl. Rn. 551).
• Anderes Argument aus dem Gesetz?
• § 81 BetrVG
• §§ 81 – 86a BetrVG sind dem Arbeitsvertragsrecht zugehörig und gelten auch in Betrieben ohne Betriebsrat!
• Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht 4. Auflage 2012,
Rn 32-33:
Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Unterliegt die Kündigung der Bindung an einen Kündigungsgrund (§ 1 KSchG oder § 626 BGB) und liegt objektiv ein Kündigungsgrund vor, so beendet die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis auch dann, wenn der Arbeitnehmer vorher nicht angehört worden ist (BAG 23. 3. 1972 AP BGB § 626 Nr. 63; BAG 10. 12. 1977 AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 9).
Ausnahmsweise kann die Nichtanhörung des Arbeitnehmers zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 BGB führen. So darf der Arbeitgeber nicht auf der Basis von Gerüchten, die unsubstantiierte Verdächtigungen mit weitreichender Bedeutung für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zum Inhalt haben, Kündigungen aussprechen, ohne dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (BAG 2. 11. 1983 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 29). Der Arbeitgeber ist aber keinesfalls verpflichtet, den Arbeitnehmer mit den ihn belastenden Zeugen gegenüberzustellen (BAG 18. 9. 1997 AP BGB § 626 Nr. 138). Für den Fall der Verdachtskündigung hat das BAG jedoch die Anhörung zur Zulässigkeitsvoraussetzung für die Kündigung erhoben (BAG 11. 4. 1985 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 39; 30. 4. 1987 AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 19; krit. Preis DB 1988, 1449; zur Verdachtskündigung im Einzelnen § 626 BGB Rn. 345 ff.).
• Mutterschutzgesetz
• § 9 Abs. 1 S. 1, 1. Halbs. MuSchG
Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung besteht ein absolutes, temporäres Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt.
• Konkurrenz zur Elternzeit
§ 18 Abs. 1 S. 1 BEEG
Beide Kündigungsverbote bestehen nebeneinander, es bedarf zweier Zustimmungen.
• Geltungsbereich
Auszubildende
Teilzeit
Kündigung vor Dienstantritt
Änderungskündigung
• Kein Geltungsbereich
• Aufhebungsvertrag
• Befristeter Arbeitsvertrag mit Zeitablauf
• Auflösende Bedingung
• Eigenkündigung
• Geschäftsführerin?
•
Richtlinie 76/207/EWG Art. 2,3;
Richtlinie 92/85/EWG Art. 10,
EuGH, Urteil vom 11. 11. 2010 – C 232/09
„Danosa” (BeckRS 2010, 91306)
In der Entscheidung ging es um die Geschäftsführerin einer lettischen Aktiengesellschaft. Nach lettischem Recht ist für die Abberufung einer Geschäftsführerin die Gesellschafterversammlung zuständig. Ein Grund ist nicht notwendig. Die zum damaligen Zeitpunkt schwangere Klägerin wurde im Juli 2007 abberufen, offen blieb, ob wegen ihrer Schwangerschaft. Sie hat sich darauf berufen, dass sie der Mutterschutzrichtlinie unterfalle und damit die Abberufung unwirksam sei. Der EuGH betont, dass der Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Mutterschutzrichtlinie unionsrechtlich zu interpretieren sei. Insoweit sei entscheidend die Weisungsabhängigkeit. Allein die Stellung als Mitglied des Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft schließe die unionsrechtliche Einordnung als Arbeitnehmer nicht aus. Übe das Organmitglied seine Tätigkeit nach Weisung oder unter Aufsicht eines anderen Organs aus und könne es jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden, sei es als Arbeitnehmer zu werten. Eine Kündigung wegen der Schwangerschaft verstoße gegen die Mutterschutzrichtlinie. Sie stelle außerdem eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.
Das Urteil des EuGH bedeutet, dass die Beschränkung des Anwendungsbereichs des deutschen Mutterschutzgesetzes auf Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis nach deutschem Verständnis stehen, nicht aufrechterhalten werden kann. Aus unionsrechtlichen Gründen werden zumindest die Geschäftsführerinnen einer GmbH einbezogen werden müssen. Eine schwangere Geschäftsführerin wäre wegen der Schwangerschaft nicht kündbar. Letztlich müsste die Gesellschafterversammlung vorsorglich Gründe dokumentieren, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben. Offen ist, ob die Abberufung vom Amt als Geschäftsführer während der Schwangerschaft ohne jeden Grund (§ 38 GmbHG) möglich ist. Unseres Erachtens setzt sich hier die Organisationsfreiheit der Gesellschaft durch. Selbst wenn der Anstellungsvertrag nicht ohne Weiteres kündbar wäre, kann die Betroffene jedenfalls von ihrem Amt abberufen werden. Aus Gründen der Vorsicht ist aber auch hier zu empfehlen, einen entsprechenden Grund, der nichts mit der Schwangerschaft zu tun hat, zu dokumentieren.
Diese Rechtsprechung gilt u.E. nicht für Vorstände einer Aktiengesellschaft. Diese leiten die Gesellschaft in eigener Verantwortung (§ 76 I AktG). Sie können nur aus wichtigem Grund abberufen werden (§ 84 III AktG). Damit erfüllen sie den vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff nicht. Die weitere Entwicklung bleibt hier aber abzuwarten.
• Feststellung der Schwangerschaft
• Durch ärztliches Attest
• Zeitpunkt: 280 Tage vor dem voraussichtlichen Tag der Niederkunft, der Entbindungstag ist nicht mitzurechnen (.
• Keine Ausnahmen
•
BAG, Urteil vom 27.10.1983 – 2 AZR 566/82 (LAG Frankfurt Urteil 16.08.1982 11 Sa 113/82)
„Auch für die Geltung des absoluten Kündigungsverbots des § 9 I 1 MuSchG ist zur Feststellung des Beginns der Schwangerschaft von dem Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme auszugehen und von dem darin angegebenen voraussichtlichen lag der Niederkunft um 280 Tage zurückzurechnen“.
• Anfechtung bei falscher Antwort?
• BAG, Urteil vom 6. 2. 2003 – 2 AZR 621/01 NZA 2003, 848
In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung geht nunmehr auch der Senat davon aus, dass die Frage des Arbeitgebers nach einer Schwangerschaft vor der geplanten unbefristeten Einstellung einer Frau regelmäßig gegen § 611a BGB verstößt und daher unzulässig ist.
• Kenntnis des Arbeitgebers
Mitteilung auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung:
„Hyperemesis gravid“
genügt, Arbeitgeber muss medizinische Begriffe ggfls. übersetzen (BAG 13.4.1956, NJW 1956, 1124).
• Im einzelnen:
Positive Kenntnis erforderlich, fahrlässige Unkenntnis genügt nicht.
Kenntniserlangung durch Dritte reicht
• Beweislast
Nachweispflichtig für die Kenntnis des Arbeitgebers ist die Arbeitnehmerin (KR/Bader § 9 MuSchG Rn. 45).
• Nach Zugang der Kündigung
• In der Klageschrift ausreichend?
Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat das Recht, sich gegenüber seinem Arbeitgeber auf den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz zu berufen, in der Regel nicht nach § 242 BGB verwirkt, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung innerhalb der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht hat (BAG, Urt. v. 23. 2. 2010 − 2 AZR 659/08, NZA 2011, 411).
• (Noch) keine gleichlautende Rechtsprechung zum Mutterschutz
• Aber: bei Fristversäumnis wäre dies ein Argumentationsansatz
• Es gilt:
Mitteilungsfrist 2 Wochen vom Zugang der Kündigung ab (§§ 187, 188 BGB).
Bei eigener Unkenntnis oder Verhinderung entsprechende Verlängerung.
Beweislast: Arbeitnehmerin
• Rechtsfolgen
•
Zustimmung trotz Kenntnis nicht eingeholt
War dem Arbeitgeber beim Kündigungszugang die Schwangerschaft bekannt und hat er dennoch die Zustimmung zur Kündigung nicht eingeholt, ist die Kündigung unwirksam. Die Kündigung während der Schwangerschaft ist nichtig gem. § 9 MuSchG i.V. mit § 134 BGB.
Eine gegen ein gesetzliches Verbot verstoßende Kündigung muss gem. § 4 S. 1 KSchG „eigentlich“ innerhalb von 3 Wochen mit der Kündigungsschutzklage gem. § 4 S. 1 KSchG angegriffen werden. In diesen Fällen greift allerdings nach der Rechtsprechung des BAG die Ausnahmeregel des § 4 S. 4 KSchG; hatte der Arbeitgeber Kenntnis vom Sonderkündigungsschutz und gleichwohl keine Zustimmung beantragt, beginnt die Klagefrist wegen § 4 S. 4 KSchG gar nicht erst zu laufen (BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07, NZA 2009, 980).
Der Arbeitnehmer kann bis zur Grenze der Verwirkung warten. Eine nachträgliche Zustimmung der Behörde heilt die Unwirksamkeit der Kündigung nicht.
• Praxistipp:
Aus anwaltlicher Vorsicht sollte nur dann von einer fristgemäßen Kündigungsschutzklage abgesehen werden, wenn unzweifelhaft festgestellt werden kann, dass der Arbeitgeber informiert ist. Der Mandant muss hierzu konkrete Fakten liefern, beispielsweise Schreiben seines Arbeitgebers vorlegen oder Zeugen für die Information nennen können.
•
Kenntnis nachträglich erlangt
(BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07 NZA 2009, 980)
„Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 4 S. 4 KSchG ist die Kenntnis des Arbeitgebers von den den Sonderkündigungsschutz begründenden Tatsachen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist nach § 9 I MuSchG ohne behördliche Zustimmung zulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt war und sie ihm auch nicht später oder von der Arbeitnehmerin verschuldet verspätet nach Kündigungszugang mitgeteilt worden ist. Schon diese Regelung zeigt, dass auch bei objektiv bestehender Schwangerschaft nicht immer eine Zustimmung der zuständigen Behörde einzuholen ist. In einem solchen Fall kommt § 4 S. 4 KSchG nicht zur Anwendung. Um den Sonderkündigungsschutz zu erlangen, muss die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber von der Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt haben. Ansonsten sind die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Zustimmung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht gegeben. Die Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG wird deshalb mit dem Zugang der Kündigung bei der Arbeitnehmerin in Gang gesetzt. Erlangt der Arbeitgeber erst nach Zugang der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin, ist § 4 S. 4 KSchG nicht (mehr) anwendbar.
•
(BAG, Urteil vom 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07 NZA 2009, 980)
„Die schwangere Arbeitnehmerin ist – trotz Bekanntgabe der Schwangerschaft gegenüber ihrem Arbeitgeber – deshalb gehalten, die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG einzuhalten, um den eigentlich gegebenen Nichtigkeitsgrund nach § 134 BGB i.V. mit § 9 I MuSchG geltend zu machen. Durch die Bekanntgabe der Schwangerschaft wird die angelaufene Klagefrist auch nicht mehr gehemmt. Ein möglicher Verstoß gegen § 134 BGB i.V. mit § 9 I MuSchG kann nach § 4 S. 1 KSchG i.V. mit § 7 KSchG dementsprechend bei einer nicht rechtzeitigen Klageerhebung geheilt werden. Selbst bei einer nachträglichen Bekanntgabe der den Sonderkündigungsschutz auslösenden Umstände läuft die Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG an, weil im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes, insbesondere der Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft, nicht vorgelegen haben. Zur Erlangung des Sonderkündigungsschutzes muss die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzen. Erhebt sie keine Kündigungsschutzklage, obwohl sie den Arbeitgeber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 I 1 MuSchG von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hat, so wird mit Ablauf der Dreiwochenfrist nach § 4 S. 1 KSchG nach § 7 KSchG die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam fingiert (vgl. ausdrücklich Senat, NZA 2008, 1055).
• Praxistipp
Die Mitteilung sollte unbedingt außerhalb der Kündigungsschutzklage direkt an den Arbeitgeber erfolgen. Zwar wird erörtert, ob § 167 ZPO auch für diese Erklärungen gilt, das BAG hat sich aber noch nicht geäußert. Zu riskant wäre es also, die Mitteilung erst oder nur mit der Klageschrift zu machen, weil sich deren Zustellung verzögern und die 3-Wochen-Frist so ungenutzt verstreichen kann.
• Zulässigkeitserklärung § 9 Abs. 3 MuSchG
Besondere Fälle:
– Betriebsschließung
– Ersatzloser Wegfall der Beschäftigung
– Grobe Pflichtverletzungen
•
Bestandskraft der Zustimmung?
BAG, Urteil vom 25. 3. 2004 – 2 AZR 295/03 (LAG Hamm Urteil 27. 11. 2002 9 Sa 476/02) NZA 2004, 1064
1. Es stellt einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar, wenn sich der Arbeitgeber in einem Produktionsbetrieb entschließt, die Produktion einzustellen und die noch eingehenden Aufträge nicht mehr durch eigene Arbeitskräfte im Betrieb erledigen zu lassen.
2. Die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes einer GmbH kann auch dann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers sozial rechtfertigen, wenn ihr kein wirksamer Beschluss der Gesellschafter zu Grunde liegt.
3. Mit der Zulässigkeitserklärung nach § 9 III MuSchG liegt zunächst ein ausreichender Bescheid vor, auf Grund dessen der Arbeitgeber die Kündigung erklären kann. Die ausgesprochene Kündigung kann allerdings erst rechtswirksam werden, wenn der Bescheid auch seine „innere Wirksamkeit” entfaltet und bestandskräftig ist.
4. Das Recht, sich auf das Fehlen der nach § 18 I 2 BErzGG erforderlichen Zulässigkeitserklärung zu berufen, unterliegt der Verwirkung. Je nach den Umständen ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, sich auf die nach mehrjähriger Prozessdauer in der letzten mündlichen Verhandlung erhobene Rüge, § 18 I BErzGG sei verletzt, einzulassen.
• Kündigung ist zunächst schwebend unwirksam
• Beendigung der Schwangerschaft
Eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt hat, ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet (etwa auf Grund einer Fehlgeburt), auch dann, wenn der Arbeitgeber sich mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug befindet und eine von ihm erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG rechtskräftig für rechtsunwirksam erklärt worden ist.
• Aber
Hat eine Arbeitnehmerin diese Mitteilung schuldhaft unterlassen, und hat der Arbeitgeber deshalb das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt, so kann der Arbeitgeber die „Nichtbeendigung” des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche der Arbeitnehmerin auf Entgelt nicht als Schaden geltend machen.
Auch wenn die Kl. schuldhaft ihre Mitteilungspflicht über die Beendigung der Schwangerschaft verletzt hat, ist der Bekl. dadurch nicht von seiner Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung befreit worden.
BAG, Urteil vom 18. 1. 2000 – 9 AZR 932/98 ( LAG Niedersachsen Urteil 10. 11. 1998 13 Sa 785/98)
• Elternzeit
• Seit 1.1.2007
Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit
BEEG
• § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG
• Kündigungsverbot
• Zeitlicher Rahmen
Ab Verlangen der Elternzeit, jedoch max. 8 Wochen vor Beginn
Während der Elternzeit
• Einseitiges Gestaltungsrecht, keine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich, nicht zu verwechseln mit
• BAG, Urteil vom 15. 4. 2008 – 9 AZR 380/07 NZA 2008, 998.
• Teilzeit in der Elternzeit
„Der Antrag des Kl. auf Elternteilzeit vom 10. 7. 2006 ist hinreichend bestimmt. Er muss den Bestimmtheitsanforderungen entsprechen, wie sie allgemein an Vertragsanträge i.S. von § 145 BGB gestellt werden, mithin so formuliert sein, dass er durch ein schlichtes „Ja” angenommen werden kann. Es ist auch zulässig, dass die Festlegung der Einzelheiten erkennbar dem Antragsempfänger übertragen wird. Die Kritik an der Rechtsprechung des Senats, dieser Rückgriff auf das Vertragsrecht sei dogmatisch verfehlt, weil die Inanspruchnahme von Elternzeiteinseitig durch Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers und nicht auf Grund Vertragsschlusses erfolge (Joussen, Anm. AP BErzGG § 15 Nr. 44), ist unzutreffend. Der Senat hat sich in seiner von Joussen kritisierten Entscheidung mit der erforderlichen Bestimmtheit des Antrags auf Elternteilzeit (nicht Elternzeit) befasst (BAGE 114, 206 = NZA 2005, 1354 = NJW 2006, 1832). Das Recht auf Elternteilzeit stellt im Gegensatz zum Recht auf Elternzeit gerade kein einseitiges Gestaltungsrecht, sondern einen Anspruch auf Vertragsänderung dar. Der Gesetzgeber hat die Vertragslösung gewählt. Denn die Parteien sollen sich nach § 15 V BErzGG über den Antrag auf Elternteilzeit innerhalb von vier Wochen einigen.
• § 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG
• Schützt:
– das Arbeitsverhältnis
– das für die Dauer der Elternzeit befristete Arbeitsverhältnis
– Teilzeitarbeit ohne Elternzeit mit Anspruch auf Elterngeld(§ 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG)
• Unklarheiten bei Kündigung nach
§ 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG
– Mitteilung nach § 9 MuSchG (2 Wochen)
– Mitteilung nach § 85 SGB IX (3 Wochen)
– Unverzüglich (5 Tage)
– (näher SPV 10. Aufl. Rn. 1457 ff.)
• Kündigungsverbot
Für alle Kündigungen
• Zulässigkeitserklärung
Nach Landesrecht zuständige Behörde kann bei außergewöhnlichen Umständen zustimmen: Betriebsverlegung, Betriebsschließung
• Frage
Kann Elternzeit aus taktischen Gründen einseitig von der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer verkürzt werden?
• Beispiel:
Kündigungsfrist 6 Monate, Elternzeit noch 8 Monate nach Zustimmung der Behörde: Arbeitsverhältnis endet innerhalb der Elternzeit, keine Vergütung. AN möchte die Elternzeit vorzeitig beenden, um noch in den Genuss der vergüteten Kündigungsfrist zu kommen.
• § 19 BEEG
• Schützt Dispositionsmöglichkeiten und Planungssicherheit
• Keine vorzeitige einseitige Beendigungsmöglichkeit
• Rechtsfolge
Kündigung ist unwirksam
• Klagefrist drei Wochen
• Auch im Kleinbetrieb!
• Schwerbehinderte Arbeitnehmer
• §§ 85 bis 92 SGB IX
• Arbeitnehmer
• Keine GmbH-Geschäftsführer
• Keine arbeitnehmerähnlichen Personen
• Jedoch: Auszubildende
• Wartezeit
• § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX: 6 Monate
• Alter
• § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX
• Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
gem. § 68 Abs. 1 SGB IX, § 2 Abs. 1 SGB IX:
§ 2 Behinderung
(1) 1Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. 2Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
• Grundsätzlich:
• Behinderung besteht ohne Bescheid!
• Die Feststellung des Grades der Behinderung hat nur deklaratorische Bedeutung
• Bedeutung für den Kündigungsschutz
• In jedem Falle wie auch bei den anderen Schutzgesetzen tritt der besondere Kündigungsschutz neben den sonstigen Kündigungsschutz!
• Schwerbehindertenschutz bei Offenkundigkeit einer Behinderung mit einem Grad von mindestens 50 %
• Kein Bescheid, kein Nachweis, Behindertenschutz greift gem. § 85 SGB IX (Ausnahmefall)
• Keine Offenkundigkeit (Regelfall)
• Wann greift der Kündigungsschutz?
Zwar entsteht die Eigenschaft als Schwerbehinderter kraft Gesetzes und nicht durch Bescheid, der nur deklaratorische Bedeutung hat, für den Kündigungsschutz ist dieser aber bei nicht offenkundigen Behinderungen dennoch erforderlich (Knittel SGB IX § 85 Rn. 21-24 und BAG NZA 2005, 689).
• Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG:
BAG, Urteil vom 20. 1. 2005 – 2 AZR 675/03 NZA 2005, 689
1. Die rechtlichen Wirkungen der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch treten im Falle des Sonderkündigungsschutzes nach § 85 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 19. 6. 2001 nicht ohne weiteres, d.h. schon bei bloß bestehender objektiver Eigenschaft als schwerbehindert ein. Voraussetzung ist vielmehr, dass vor Zugang der Kündigung ein Bescheid über die Eigenschaft als schwerbehindert ergangen ist oder jedenfalls ein entsprechender Antrag gestellt ist.
2. Den schwerbehinderten Menschen traf zumindest nach der bis zum 31. 12. 2003 geltenden Rechtslage die Obliegenheit, bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Eigenschaft als schwerbehindert bzw. der Antragstellung beim Versorgungsamt diesen innerhalb einer Frist von regelmäßig einem Monat auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen.
3. Eine solche zeitliche Begrenzung der Geltendmachung des besonderen Kündigungsschutzes ist jedoch nur in den Fällen erforderlich, in denen ein derartiges Schutzbedürfnis des Arbeitgebers anzuerkennen ist. Es ist unter anderem dann zu verneinen, wenn die Schwerbehinderung für den Arbeitgeber offensichtlich ist und er deshalb auch ohne Kenntnis, ob der Arbeitnehmer einen Feststellungsantrag beim Versorgungsamt gestellt hat, vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beantragen kann.
4. Für den Sonderkündigungsschutz des schwerbehinderten Menschen nach § 85 SGB IX a.F. ist es ausreichend, dass der Arbeitgeber aus der Stellungnahme des Betriebsrats nach § 102 BetrVG Kenntnis von der Schwerbehinderung bzw. der Antragstellung hatte. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer den Betriebsrat um Weiterleitung der Information gebeten hat und dieser als Bote der Arbeitnehmerin anzusehen ist.
• Gleichstellung
• § 2 Abs. 3 SGB IX:
• Weniger als 50 %, mindestens 30 %
• Gleichstellung = Bescheid erforderlich
Gem. § 85 i.V. mit §§ 68 I und III, 2 III SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines einem schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Gem. § 68 II SGB IX erfolgt die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen auf Grund einer Feststellung nach § 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Gleichstellung wird gem. § 68 II 2 SGB IX mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Die Gleichstellung ist ein konstitutiver Verwaltungsakt. Sie begründet den Schutz für den Behinderten erst durch den Verwaltungsakt im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten Personen, bei denen durch die Anerkennung ein bestehender Rechtsschutz nur festgestellt wird Die erst nach Zugang der Kündigung beantragte Gleichstellung hat für die ausgesprochene Kündigung keine Bedeutung mehr.
• § 90 Abs. 2a SGB IX
• Kein Kündigungsschutz ohne Nachweis (außer bei Offenkundigkeit)
• Nachträgliche Information
Der Sonderkündigungsschutz der §§ 85 ff. SGB IX steht dem Arbeitnehmer auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung, der Beantragung der Schwerbehinderung, ihrer Anerkennung, der Gleichstellung oder der Beantragung der Gleichstellung keine Kenntnis hatte. Allerdings – und dies ist eine wesentliche Einschränkung – muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber spätestens 3 Wochen nach Zugang der Kündigung (formfrei) hiervon informieren. Die Mitteilung kann formfrei erfolgen. Sie muss zum Inhalt haben, dass der Arbeitnehmer schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist oder dass er die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung beantragt hat und damit erkennen lassen, dass er sich auf den besonderen Kündigungsschutz beruft. Anderenfalls verliert er selbstverständlich nicht seinen allgemeinen Kündigungsschutz, aber den Sonderkündigungsschutz.
• Gleichstellung
Die Gleichstellung muss mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung beantragt worden sein:
• BAG, Urteil vom 1. 3. 2007 – 2 AZR 217/06 NZA 2008, 302 zum Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte bei noch nicht entschiedenem Gleichstellungsantrag
1. Die Vorschrift des § 90 IIa SGB IX gilt, obwohl das im Wortlaut der Norm nicht ausdrücklich erwähnt ist, auch für gleichgestellte Arbeitnehmer.
2. Dies gilt umso mehr, als die gegenteilige Auffassung zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führen würde, dass während des Gleichstellungsverfahrens nach wie vor – bei nachträglicher Anerkennung – von Beginn an Sonderkündigungsschutz bestünde, während „echte” Schwerbehinderte den Einschränkungen des § 90 IIa SGB IX unterlägen. Dass der Gesetzgeber eine derartige Ungleichbehandlung beabsichtigt hat, ist nicht anzunehmen.
3. Der besondere Kündigungsschutz findet nach § 90 IIa Alt. 2 SGB IX nur dann Anwendung, wenn die in § 69 I 2 SGB IX bestimmte Drei-Wochen-Frist bei Kündigungszugang verstrichen, eine Feststellung des Versorgungsamtes (bzw. der Bundesagentur für Arbeit) nicht getroffen ist und das Fehlen der Feststellung nicht auf einer fehlenden Mitwirkung des Antragstellers beruht.
4. Der Antrag muss mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt sein. § 90 IIa Alt. 2 SGB IX erweist sich damit als Bestimmung einer Vorfrist. Das entspricht auch dem Zweck des § 90 IIa SGB IX, Missbrauch des Sonderkündigungsschutzes zurückzudrängen.
• SGB IX §§ 90 IIa, 85, 68 I
1. Die Vorschrift des § 90 IIa SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 68 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen.
2. Nach § 90 IIa Alt. 1 SGB IX findet der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen dann keine Anwendung, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist.
3. Trotz fehlenden Nachweises bleibt der Sonderkündigungsschutz dagegen dann nach § 90 IIa Alt. 2 SGB IX bestehen, wenn das Fehlen des Nachweises nicht auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers beruht. Das Fehlen des Nachweises beruht nach dem Gesetz jedenfalls dann auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers, wenn er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt hat. § 90 IIa Alt. 2 SGB IX enthält insoweit die Bestimmung einer Vorfrist.
• Neue Rechtsprechung des BAG:
• BAG, Urt. v. 23. 2. 2010 − 2 AZR 659/08 NZA 2011, 411
„Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat das Recht, sich gegenüber seinem Arbeitgeber auf den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz zu berufen, in der Regel nicht nach § 242 BGB verwirkt, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung innerhalb der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht hat“.
• Verwirkung
„Hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer – wie hier – im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits einen Bescheid über seine Schwerbehinderteneigenschaft erhalten, so steht ihm der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX – abgesehen von den sich aus § 90 SGB IX ergebenden Ausnahmen – nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragstellung nichts wusste. Allerdings unterliegt das Recht des Arbeitnehmers, sich nachträglich auf eine Schwerbehinderung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung geltend zu machen, der Verwirkung (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird ausgeschlossen, Rechte illoyal verspätet geltend zu machen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist“.
Nach den vom Senat hierzu aufgestellten Grundsätzen muss sich der Arbeitnehmer, wenn er sich den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX erhalten will, nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist, die drei Wochen beträgt (BAGE 125, 345 = NZA 2008, 1055; BAG, NZA 2006, 1035 Rdnr. 45), gegenüber dem Arbeitgeber auf seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft berufen. Unterlässt der Arbeitnehmer die entsprechende Mitteilung, so hat er den besonderen Kündigungsschutz verwirkt. Die Dreiwochenfrist ist eine Regelfrist. Sie konkretisiert den Verwirkungstatbestand. Ihre Überschreitung führt danach regelmäßig, aber nicht zwingend zur Verwirkung (BAG, NZA 2006, 1035).
• Systematische Begründung
19] b) Die Kl. hat das Recht, sich auf die Nichtigkeit der Kündigung zu berufen, nicht illoyal verspätet geltend gemacht. Illoyal verspätet ist eine Berufung auf die Schwerbehinderung gegenüber dem Arbeitgeber jedenfalls dann nicht, wenn sie – wie hier – zugleich mit der Zustellung der fristgerecht erhobenen Klage erfolgt.
[20] aa) Die ursprünglich vom Senat angenommene Monatsfrist wurde zu einer Zeit als Regelfrist aufgestellt, als das Fehlen einer Zustimmung der zuständigen Behörde noch als sonstiger Unwirksamkeitsgrund außerhalb der Klagefrist geltend gemacht werden konnte. Die Frist sollte einer Überforderung des Arbeitgebers durch den Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer entgegenwirken. Nachdem der Arbeitnehmer nunmehr auch die sonstigen Unwirksamkeitsgründe einschließlich der Schwerbehinderung innerhalb der Frist des § 4 S. 1 KSchG gerichtlich geltend machen muss, konnte es bei der Monatsfrist nicht bleiben: Die materiell–rechtliche Verwirkungsfrist konnte sinnvoller Weise nicht länger sein als die mit denselben Wirkungen des Rechtsverlustes ausgestattete Versäumung der Klagefrist.
[21] bb) Dem entspricht es, dass auch umgekehrt die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG nicht länger sein kann als die materiell–rechtliche Verwirkungsfrist. Es liegt nicht in der Absicht des Gesetzes, Arbeitnehmer, die ihren Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderte Menschen geltend machen wollen, schlechter zu stellen als z. B. Arbeitnehmer, die sich auf andere vom Arbeitgeber unerkannte Unwirksamkeitsgründe stützen wollen. Das Gesetz will alle Unwirksamkeitsgründe, was die Frist, sie gerichtlich geltend zu machen, betrifft, gleichbehandeln. Die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG soll den Arbeitgeber schützen. Er soll nach einer angemessenen Zeit, die vom Gesetzgeber auf drei Wochen zuzüglich der zur Zustellung der Klageschrift erforderlichen Zeit bemessen wurde, davon geschützt sein, sich mit dem Begehren nach Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auseinandersetzen zu müssen. Umgekehrt mutet das Gesetz jedenfalls bis zum Ablauf dieser Zeitspanne dem Arbeitgeber zu, die Wirksamkeit der Kündigung verteidigen und alle etwa geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe entweder entkräften oder gegen sich gelten lassen zu müssen. Dies erfasst nach der Neuregelung des § 4 S. 1 KSchG auch die fehlende Zustimmung des Integrationsamts. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn sich ein Arbeitnehmer, der innerhalb der betreffenden Zeitspanne die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 85 SGB IX geltend macht, gleichwohl den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen müsste.
• Klagefrist
Gleiche Konstellation wie beim Mutterschutz (siehe deswegen oben)
• Aufhebungsvertrag, befristeter Vertrag?
• Keine Zustimmung, weil keine Kündigung
• Anfechtung statt Kündigung?
• § 119 BGB: Verkehrswesentliche Eigenschaft
• § 123 BGB: arglistige Täuschung
• Darf der Arbeitgeber nach der Schwerbehinderung fragen?
Die Frage nach Behinderung oder Schwerbehinderung ist grds. unzulässig (§§ 3 I 1, 1 AGG, 81 SGB IX; zu § 81 SGB IX ebenso LAG HM 19. 10. 2006 – 15 Sa 740/06 –; HN/Griebeling SGB IX § 85 Rn. 28; LPK-SGB IX/Düwell § 85 Rn. 16 f.; KR/Etzel §§ 85–90 SGB IX Rn. 32; Rolfs/Paschke BB 2002, 1260, 1261; HWK/Thüsing § 123 Rn. 25; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1149; Messingschlager NZA 2003, 301; aA Schaub NZA 2003, 299; diff. mit Blick auf § 5 AGG Joussen NZA 2007, 174; vgl. a. SGB IX § 81 Rn. 1). Sie kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn die Behinderung die vertragsgemäße Arbeitsleistung dauerhaft unmöglich macht und ihr Nichtvorliegen daher eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ darstellt“ (ErfK/Preis 12. Aufl. 2012 Rn. 274).
• Zustimmung des Integrationsamts
• bei Kündigung
• Antragsverfahren
In der Praxis regelmäßig keine große Hürde, wegen § 88, 89 SGB IX nur beschränkte Prüfungskompetenz.
• Zustimmung
• Arbeitgeber
Kann und muss innerhalb von eines Monats kündigen (§ 88 Abs. 3 SGB IX), sonst verfällt die Zustimmung. Auf Rechtskraft des Bescheids kommt es nicht an.
Fiktion der Zustimmung bei Betriebsschließung oder Insolvenz (§88 Abs. 5 SGB IX).
• Problem: nachträgliche Aufhebung
Der Zustimmungsbescheid ist ein VA. Wird er im Widerspruchsverfahren oder im Klageverfahren aufgehoben, wird die Kündigung rückwirkend gem. § 85 SGB IX i.V.m. § 134 BGB nichtig mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen!
• Durchbrechung der Rechtskraft?
Nur unter den strengen Voraussetzungen des § 45 SGB X
• Konsequenz für den Arbeitnehmer?
• Nicht nur Klage erheben, sondern auch Bescheid anfechten!
• Keine aufschiebende Wirkung
Widerspruch und Klage gegen den den Arbeitnehmer belastenden Bescheid des Integrationsamts haben keine aufschiebende Wirkung (§§ 88 Abs. 4, 91 abs. 1 SGB IX)
• PflegeZG
• Zeitraum
Kündigungsschutz von der Ankündigung der Pflegezeit (§ 5 Abs. 1 PflegeZG) und endet mit dem Wegfall der kurzfristigen Arbeitsverhinderung.
• Missbrauchsgefahr!
Ankündigungsfrist mindestens 10 Tage, aber Höchstfrist?
• ErfK/Gallner § 5 Rn. 2
Der Sonderkündigungsschutz wirkt schon vor Beginn der PZ mit dem Zugang der schriftl. Ankündigung nach § 3 III 1. Eine analoge Anwendung der achtwöchigen Frist vor Beginn der EZ nach § 18 I 1 BEEG scheidet aus. Der Gesetzgeber wollte die Pflege(-teil)zeit ausdrückl. in Teilen der Eltern(-teil)zeit in §§ 15 f. BEEG nachbilden (BT-Drs. 16/7439 S. 91). Das spricht mit Blick auf die fehlende Frist für den vorwirkenden Kündigungsschutz gegen eine planwidrige Regelungslücke (ebenso Joussen NZA 2009, 69, 74; Novara DB 2010, 503, 504; iE a. DLF/Böck § 5 Rn. 4; Hromadka Sonderausgabe AuA 2009, 8, 10; Oberthür/Becker ArbRB 2009, 77, 80; KR/Treber PflegeZG Rn. 55; ähnl. Müller BB 2010, 705 f.; Preis/Nehring NZA 2008, 729, 734; aA Linck BB 2008, 2738, 2743: Analogie zu § 18 I 1 BEEG; Wolf SAE 2009 Heft 3, IX: Analogie zu der vierwöchigen „Ankündigungsfrist“ für den Rückkehranspruch nach § 4 II 1).
Dem bes. Kündigungsschutz aus § 5 kann jedoch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen (Waldenmaier/Langenhan-Komus RdA 2008, 312, 313 f.; aA Rose/Dörstling DB 2008, 2137, 2140: einschränkende Anwendung; zu den Strategien, dem Missbrauchspotential entgegenzuwirken: Novara DB 2010, 503 ff., der auf S. 505 ff. nicht nur Rechtsmissbrauch, sondern auch die Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes bei Verstößen gegen die Nachweispflicht des § 3 II diskutiert: regelm. Verwirkung bei unterbliebenem Nachweis binnen zwei Monaten nach Ankündigung, ausnahmsweise keine Verwirkung bei fehlendem Verschulden des Beschäftigten an der Versäumung). Wegen des nötigen Akutereignisses tritt im Fall des § 2 I regelm. kein Rechtsmissbrauchsproblem iSv. § 242 BGB auf (Novara DB 2010, 503; aA Rose/Dörstling DB 2008, 2137, 2139). Anderes gilt für die Pflege(-teil)zeit (näher Fröhlich ArbRB 2008, 84, 86; Preis/Nehring NZA 2008, 729, 735; Schwerdle ZTR 2007, 655, 661). Rechtsmissbrauch ist nur anzunehmen, wenn für ihn objektive Anhaltspunkte bestehen.
Für Rechtsmissbrauch spricht indiziell die zeitl. Nähe der Ankündigung der PZ zu einer zuvor in Aussicht gestellten Kündigung. Bei einer anstehenden betriebsbedingten Kündigung bspw. liegt es dann nahe, dass der Beschäftigte den Pflegebedarf vorschiebt, um mithilfe des bes. Kündigungsschutzes von der Sozialauswahl ausgenommen zu werden (Rose/Dörstling DB 2008, 2137: „Flucht in die Pflege“). Anzeichen für Rechtsmissbrauch gibt es dagegen nur im Ausnahmefall, wenn der Beschäftigte die Pflege bei wechselnder Betreuung durch mehrere Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft übernehmen will, die häusl. Pflege erst nach einer längeren stationären Heilbehandlung erfolgen kann oder zunächst Umbauten nötig sind, um eine häusl. Pflege zu ermöglichen. Der AG muss in solchen Fällen substantiiert vortragen und ggf. beweisen, weshalb die in der Zukunft liegenden Gründe ledigl. vorgeschoben sein sollen, um den bes. Kündigungsschutz des § 5 zu erlangen (Böggemann FA 2008, 357, 358). Die Würdigung der für und gegen Rechtsmissbrauch sprechenden Anhaltspunkte ist vorrangig Aufgabe der Tatsachengerichte. Ihnen kommt ein Beurteilungsspielraum zu, der nur beschränkt revisibel ist (vgl. zu denkbaren Rechtsmissbrauchskonstellationen Böggemann FA 2008, 357, 358 f.). Der AN ist unabhängig von seinem Recht auf PZ nach § 275 III BGB berechtigt, seine Arbeitsleistung zu verweigern, wenn die Betreuung des nahen Angehörigen nicht anders sichergestellt werden kann. Mit der Ausübung dieses Leistungsverweigerungsrechts ist jedoch kein Sonderkündigungsschutz nach § 5 verbunden (Müller BB 2010, 705, 707 mwN). Der bes. Kündigungsschutz des § 5 wirkt nicht nach. Er endet mit dem Ende der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (§ 2 I) oder der Pflege(-teil)zeit nach §§ 3, 4 (Rose/Dörstling DB 2008, 2137, 2140; KR/Treber PflegeZG Rn. 59). Der AG darf das Beschäftigungsverhältnis aber nicht aus Anlass der Wahrnehmung der Rechte aus § 2 I und § 3 I 1 nach dem Ende der Arbeitsverhinderung oder der PZ kündigen, § 612 a BGB (Nielebock AiB 2008, 363, 364).
• § 17 KSchG
• Massenentlassungen
• Zeitpunkt
Ausspruch der Kündigung (EuGH 27.1.2005)
• Betriebsverfassung
• § 15 KSchG
• Bergmannversorgungsschein
• § 10 Abs. 1 BVSG NW
• § 11 Abs. 1 BSVG Saarland
• Wehrdienst und Zivildienst
• ArbPlSchG