Auskunftsanspruch
EuGH, Urt. v. 19. 4. 2012 − C-415/10 (Meister/Speech Design Carrier Systems GmbH): Kein genereller Auskunftsanspruch des nichtberücksichtigten Bewerbers, BeckRS 2012, 80742
1. Artikel 8 Absatz I der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. 6. 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Art. 78 Artikel 10 Absatz I der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und Artikel 19 Absatz I der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 7. 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind dahingehend auszulegen, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.
2. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
Von Bauer findet sich hierzu folgende Anmerkung:
Unklar ist, wann es ratsam ist, zur Vermeidung von Diskriminierungsvorwürfen die Auskunft zu erteilen. Ein paar Punkte lassen sich jedoch sagen: (1) Bei Initiativbewerbungen kann es keine Auskunftspflicht geben. Niemand kann einen Arbeitgeber zwingen, sich für eine Ablehnung zu rechtfertigen, wenn er überhaupt keine Stelle ausgeschrieben hat. (2) Der Arbeitgeber muss nicht von sich aus ungefragt die Ablehnungsentscheidung begründen. Die Grundsätze, die das Urteil aufstellt, können m.E. erst dann eingreifen, wenn ein abgelehnter Bewerber Auskunft verlangt. (3) Die Weigerung, Auskunft zu erteilen, genügt für sich genommen nicht als Indiz für eine Diskriminierung. Es müssen noch weitere Umstände hinzukommen – und die muss das vermeintliche oder tatsächliche Diskriminierungsopfer erst einmal darlegen. Allerdings ist – wie gesagt – völlig unklar, welche weiteren Umstände dies sind. (4) Die Rechte desjenigen, der die Stelle bekommen hat, dürfen nicht verletzt werden. Er hat ein Recht auf Schutz seiner persönlichen Daten. Ein abgelehnter Bewerber kann m.E. nicht verlangen, dass ihm Name, Lebenslauf, Zeugnisse usw. des erfolgreichen Bewerbers genannt werden. (5) Die bisherige Empfehlung, Absagen möglichst nicht zu begründen, kann auf Grund der Entscheidung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wird der Arbeitgeber nach den Gründen für die Ablehnung gefragt, sollte er nicht vorgeladenen Bewerbern gegenüber erklären, nach welchen Kriterien die Auswahl getroffen worden ist. Hat sich ein abgelehnter Bewerber vorgestellt, sollte ihm mitgeteilt werden, warum einem anderen Bewerber, ohne dessen Namen zu nennen, der Vorzug gegeben wurde. Dabei kann selbstverständlich auch unabhängig von Zeugnissen und Noten das sog. „Bauchgefühl“ ins Feld geführt werden.