Kirchliches Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht in der Kirche unterscheidet sich zum Teil wesentlich vom „normalen“, dem staatlichen Arbeitsrecht. Evangelische und katholische Kirche haben jeweils ein eigenes, unterschiedliches Regelwerk, eigene Schlichtungsstellen, feste Einigungsstellen und eigene Arbeitsgerichte. Das hat erhebliche praktische Bedeutung, denn nicht nur Tätigkeiten bei der Kirche (beispielsweise als Pfarrer), sondern viele Arbeitsverhältnisse im Kranken-/Pflegebereich, die direkt und unmittelbar eigentlich nichts mit den kirchlichen Besonderheiten zu tun haben, unterliegen gleichwohl kirchenrechtlichen Arbeitsbedingungen.
Individuelles Arbeitsrecht
Die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts betreffen ArbeitnehmerInnen allerdings nicht hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit. Für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis (individuelles Arbeitsrecht) sind die allgemeinen staatlichen Arbeitsgerichte zuständig. Parallel kann eine Schlichtungsstelle angerufen werden, was aber nicht zwingend ist und vor allem keine Fristen hemmt (§ 4 KSchG!).
Die ArbeitnehmerInnen (nicht die Kirchenbeamten) unterliegen dem staatlichen Arbeitsrecht, z.B. dem Kündigungsschutzgesetz, die Voraussetzungen, die zu einer Kündigung führen können, werden aber grundsätzlich durch die Kirchengesetze festgelegt.
Die Besonderheiten ergeben sich weiter daraus, dass die Arbeitsbedingungen der Kirche (z.B. die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes – AVR) keine Tarifverträge sind (Stichwort: Dritter Weg). Deswegen ist ihr Inhalt nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüfbar (BAG 25.03.2009 – 7 AZR 710/07 und BAG 22.07.2010 – 6 AZR 847/07).
Bei der Verletzung von Loyalitätspflichten (hierzu BAG 08.09.2011 – 2 AZR 543/10) ist gem. Art. 5 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrOkathK) vor dem Ausspruch einer Kündigung mit dem Mitarbeiter ein klärendes Gespräch zu führen ist.
Kollektives Arbeitsrecht
Ganz anders ausgestaltet ist hingegen das kollektive Arbeitsrecht, also das Recht der Mitarbeitervertretung und das Tarifrecht. Hier bestehen wesentliche Unterschiede, die Rechte der Mitarbeitervertretung sind erheblich geringer als die der Betriebs- oder Personalräte. Streiks finden im kirchlichen Arbeitsrecht nicht statt, Arbeitsbedingungen (die keine Tarifverträge sind) kommen auf dem „dritten Weg“ zustande. Streiks sind im
Mitarbeitervertretung
Die kirchlichen Arbeitgeber haben über den sogenannten Dritten Weg ein eigenes Mitbestimmungsrecht geschaffen. Die Arbeitnehmervertretungen werden bei kirchlichen Arbeitgebern nicht als Betriebs- oder Personalräte oder als Personalvertretungen, sondern als Mitarbeitervertretung (MAV) bezeichnet.
Arbeitskämpfe
Ob Streiks zulässig sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Mit Spannung wird eine Entscheidung des BAG (Az. 1 AZR 179/11) zum Urteil des LAG Hamm erwartet, das Arbeitskämpfe nicht für grundsätzlich unzulässig erachtet und danach differenziert, wie nah oder fern die MitarbeiterInnen dem caritativen Auftrag stehen (NZA-RR 2011, 185):
„1. Weder das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gem. Art. 140 GG, Art. 137 WRV als solches noch deren Entscheidung gegen konflikthafte Auseinandersetzungen um die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag und Arbeitskampf und für den „Dritten Weg“ noch das Wesen der „Dienstgemeinschaft“ rechtfertigen den umfassenden Ausschluss von Arbeitskämpfen im Bereich kirchlicher Einrichtungen. Einschränkungen des Rechts zur Führung von Arbeitskämpfen sind vielmehr an der konkreten Aufgabenstellung der kirchlichen Einrichtung auszurichten, wobei dem Selbstverständnis der Kirche Rechnung zu tragen ist, dass in caritativen Einrichtungen der in christlicher Überzeugung geleistete „Dienst am Menschen“ durch Maßnahmen des Arbeitskampfes nicht beeinträchtigt werden darf. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen und Funktionen je nach Nähe oder Ferne zum caritativen Auftrag der Einrichtung zu unterscheiden. Die Ausübung von Druck auf den kirchlichen Arbeitgeber, diesen durch organisatorische und wirtschaftliche Mehrbelastungen zum Eingehen auf die Kampfforderung zu veranlassen, ist auch im Bereich kirchlicher Einrichtungen nicht unzulässig.
2. Der Ausschluss des Tarif- und Arbeitskampfrechts im Bereich kirchlicher Einrichtungen kann nicht damit begründet werden, mit dem so genannten „Dritten Weg“ stehe ein dem Selbstverständnis der Kirchen entsprechendes System zur Regelung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, welches wegen seiner paritätischen Ausgestaltung der Arbeitnehmerseite gleiche Chancen zur Durchsetzung ihrer Interessen wie das staatliche Tarif- und Arbeitskampfsystem biete. Die Verfahrensregeln der „Arbeitsrechtlichen Kommission“ schließen eine Verhandlungsführung durch Gewerkschaft und Arbeitnehmervereinigungen aus und beschränken diese im Wesentlichen auf eine Beratungsfunktion, ohne dass hierfür die Eigenheiten des kirchlichen Dienstes eine Rechtfertigung bieten“.
Katholische Kirche
Rechtsgrundlage der katholischen Kirche ist die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (Grundordnung der Kirchen) als Kirchengesetz.
Am 01.07.2005 ist die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) in Kraft getreten.
Gemäß § 2 KAGO sind die kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen für folgende Rechtsstreitigkeiten zuständig:
- Rechtsstreitigkeiten aus dem Recht der nach Art. 7 Grundordnung gebildeten Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts
- Rechtsstreitigkeiten aus der Mitarbeitervertretungsordnung und der diese ergänzenden Ordnungen
Die Kirchenarbeitsgerichtsbarkeit besteht aus folgenden Instanzen:
- 1. Instanz: Kirchliches Arbeitsgericht
- 2. Instanz: Kirchlicher Arbeitsgerichtshof
Grundsätzlich ist in jedem Bistum / Erzbistum ein kirchliches Arbeitsgericht eingerichtet. Für einige Bistümer ist jedoch ein gemeinsames Kirchenarbeitsgericht eingerichtet. Die Gerichte sind mit jeweils einem Richter sowie zwei beisitzenden Richtern besetzt, von denen dem System der allgemeinen Arbeitsgerichtsbarkeit entsprechend jeweils einer Arbeitgebervertreter und einer Arbeitnehmervertreter sein muss.
Gegen die erstinstanzlichen Urteile kann Revision an den kirchlichen Arbeitsgerichtshof eingelegt werden. Sitz des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs ist Bonn.
Für die bei den kirchlichen Arbeitgebern sowie ihre Einrichtungen (Krankenhäuser, Kindergärten) und Hilfsorganisationen (Caritas; Diakonie) beschäftigten Arbeitnehmer gelten eigene Arbeitsvertragsordnungen / Arbeitsvertragsrichtlinien
Für den Bereich der Caritas und ihrer Einrichtungen gelten die AVR Caritas. Grundsätzlich ist gemäß § 22 AVR Caritas bei Meinungsverschiedenheiten zunächst die örtlich Schlichtungsstelle des Caritasverbandes anzurufen. Jedoch ist eine ohne vorherige Durchführung des Schlichtungsverfahrens eingereichte Klage vor dem Arbeitsgericht dennoch zulässig (u.a. BAG 21.11.2006 – 9 AZR 176/06).
Evangelische Kirche
Rechtsgrundlage der Kirchengerichtsbarkeit der evangelischen Kirche ist das „Kirchengerichtsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (KiGG.EKD)“.
Es bestehen folgende Gerichte:
- 1. Instanz: Das Kirchengericht
- 2. Instanz: Der Kirchengerichtshof
- Der Verfassungsgerichtshof der EKD
Der Tarifvertrag BAT-KF gilt für alle Arbeitnehmer, die im Bereich der evangelischen Kirche Rheinland, Westfalen, Lippe und ihrer Diakonischen Werke tätig sind. Bei einer betriebsbedingten Kündigung oder einer sonstigen Änderung der Arbeitsbedingungen aus betriebsbedingten Gründen gilt für diese Mitarbeitergruppe ergänzend die „Ordnung zur Sicherung von Mitarbeitern bei Rationalisierungsmaßnahmen.